Die Guillotine reichte zum Hinrichten nicht zu, und so schoß man die unglücklichen Schlachtopfer vor dem Thore mit Kartätschen todt; und was da nicht gleich auf der Stelle blieb, das expedirten die Sankülotten mit ihren Säbeln und Bajonetten. Und doch waren alle Grausamkeiten, welche durch die Guillotine und die Füseliaden in Lyon vorgin- gen, noch lange nicht hinreichend, die Wuth und Rachsucht der Ohnehosen zu begnügen. Sie hat- ten gehofft, Lyon sollte nach dem ersten Konvents- schluß geplündert und verbrannt werden, und als dieses nicht geschah, da murrten sie laut. Sie machtens hierin, wie ehemals der heil. Prophet Jonas: denn als der Herr seine Drohung, ge- gen die große Stadt Ninive, welche drey Tage- Reisen lang, *) also ein ganz ander Ding, als Lyon, war, nicht erfüllte: so wurde Jonas böse, und wollte vor Aerger Hungers sterben. **) Jo- nas war ein Prophet des Herrn, durch welchen Gottes heiliger Geist selbst redete, ***) den also eine so elende Rachsucht nicht zum beßten kleidete. Aber den Ohnehosen konnte man ihr Murren wohl nicht sehr übel nehmen, indem man ihnen die Plün- derung versprochen hatte; und in dieser Hoffnung
*) Jon. Kap. 3. 3.
**) Kap. 4. 3.
***) [2.] Pet. [1]. v. 21.
Die Guillotine reichte zum Hinrichten nicht zu, und ſo ſchoß man die ungluͤcklichen Schlachtopfer vor dem Thore mit Kartaͤtſchen todt; und was da nicht gleich auf der Stelle blieb, das expedirten die Sankuͤlotten mit ihren Saͤbeln und Bajonetten. Und doch waren alle Grauſamkeiten, welche durch die Guillotine und die Fuͤſeliaden in Lyon vorgin- gen, noch lange nicht hinreichend, die Wuth und Rachſucht der Ohnehoſen zu begnuͤgen. Sie hat- ten gehofft, Lyon ſollte nach dem erſten Konvents- ſchluß gepluͤndert und verbrannt werden, und als dieſes nicht geſchah, da murrten ſie laut. Sie machtens hierin, wie ehemals der heil. Prophet Jonas: denn als der Herr ſeine Drohung, ge- gen die große Stadt Ninive, welche drey Tage- Reiſen lang, *) alſo ein ganz ander Ding, als Lyon, war, nicht erfuͤllte: ſo wurde Jonas boͤſe, und wollte vor Aerger Hungers ſterben. **) Jo- nas war ein Prophet des Herrn, durch welchen Gottes heiliger Geiſt ſelbſt redete, ***) den alſo eine ſo elende Rachſucht nicht zum beßten kleidete. Aber den Ohnehoſen konnte man ihr Murren wohl nicht ſehr uͤbel nehmen, indem man ihnen die Pluͤn- derung verſprochen hatte; und in dieſer Hoffnung
*) Jon. Kap. 3. 3.
**) Kap. 4. 3.
***) [2.] Pet. [1]. v. 21.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0361"n="357"/><p>Die Guillotine reichte zum Hinrichten nicht zu,<lb/>
und ſo ſchoß man die ungluͤcklichen Schlachtopfer<lb/>
vor dem Thore mit Kartaͤtſchen todt; und was da<lb/>
nicht gleich auf der Stelle blieb, das expedirten die<lb/>
Sankuͤlotten mit ihren Saͤbeln und Bajonetten.<lb/>
Und doch waren alle Grauſamkeiten, welche durch<lb/>
die Guillotine und die Fuͤſeliaden in Lyon vorgin-<lb/>
gen, noch lange nicht hinreichend, die Wuth und<lb/>
Rachſucht der Ohnehoſen zu begnuͤgen. Sie hat-<lb/>
ten gehofft, Lyon ſollte nach dem erſten Konvents-<lb/>ſchluß gepluͤndert und verbrannt werden, und als<lb/>
dieſes nicht geſchah, da murrten ſie laut. Sie<lb/>
machtens hierin, wie ehemals der heil. Prophet<lb/><hirendition="#g">Jonas</hi>: denn als der Herr ſeine Drohung, ge-<lb/>
gen die große Stadt Ninive, welche drey Tage-<lb/>
Reiſen lang, <noteplace="foot"n="*)">Jon. Kap. 3. 3.</note> alſo ein ganz ander Ding, als<lb/>
Lyon, war, nicht erfuͤllte: ſo wurde <hirendition="#g">Jonas</hi> boͤſe,<lb/>
und wollte vor Aerger Hungers ſterben. <noteplace="foot"n="**)">Kap. 4. 3.</note> Jo-<lb/>
nas war ein Prophet des Herrn, durch welchen<lb/>
Gottes heiliger Geiſt ſelbſt redete, <noteplace="foot"n="***)"><supplied>2.</supplied> Pet. <supplied>1</supplied>. v. 21.</note> den alſo<lb/>
eine ſo elende Rachſucht nicht zum beßten kleidete.<lb/>
Aber den Ohnehoſen konnte man ihr Murren wohl<lb/>
nicht ſehr uͤbel nehmen, indem man ihnen die Pluͤn-<lb/>
derung verſprochen hatte; und in dieſer Hoffnung<lb/></p></div></body></text></TEI>
[357/0361]
Die Guillotine reichte zum Hinrichten nicht zu,
und ſo ſchoß man die ungluͤcklichen Schlachtopfer
vor dem Thore mit Kartaͤtſchen todt; und was da
nicht gleich auf der Stelle blieb, das expedirten die
Sankuͤlotten mit ihren Saͤbeln und Bajonetten.
Und doch waren alle Grauſamkeiten, welche durch
die Guillotine und die Fuͤſeliaden in Lyon vorgin-
gen, noch lange nicht hinreichend, die Wuth und
Rachſucht der Ohnehoſen zu begnuͤgen. Sie hat-
ten gehofft, Lyon ſollte nach dem erſten Konvents-
ſchluß gepluͤndert und verbrannt werden, und als
dieſes nicht geſchah, da murrten ſie laut. Sie
machtens hierin, wie ehemals der heil. Prophet
Jonas: denn als der Herr ſeine Drohung, ge-
gen die große Stadt Ninive, welche drey Tage-
Reiſen lang, *) alſo ein ganz ander Ding, als
Lyon, war, nicht erfuͤllte: ſo wurde Jonas boͤſe,
und wollte vor Aerger Hungers ſterben. **) Jo-
nas war ein Prophet des Herrn, durch welchen
Gottes heiliger Geiſt ſelbſt redete, ***) den alſo
eine ſo elende Rachſucht nicht zum beßten kleidete.
Aber den Ohnehoſen konnte man ihr Murren wohl
nicht ſehr uͤbel nehmen, indem man ihnen die Pluͤn-
derung verſprochen hatte; und in dieſer Hoffnung
*) Jon. Kap. 3. 3.
**) Kap. 4. 3.
***) 2. Pet. 1. v. 21.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/361>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.