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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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waren sie auch blindlings ins Feuer gegangen, und
hatten mehrere tausend ihrer Brüder verlohren.
Auch waren viele von ihnen jämmerlich verwundet:
und dennoch murrten sie nur, und empörten sich
nicht öffentlich, wie der Prophet Jonas.

Die zum Tode Verurtheilten gingen größten-
theils mit vieler Gleichgültigkeit, und Manche mit
wahrer Frechheit zum Richtplatz, ja, es war so zu
sagen, wider den guten Ton, Betrübniß oder Furcht
vor dem Tode blicken zu lassen. Ein Beyspiel muß
ich hier erzählen, als einen Beweis von Liebe,
die auch im Tode standhaft blieb.

Die achtzehnjährige Gattin eines jungen Lyo-
ners hatte ihrem Bruder bey den Emigranten etwas
von ihrem Schmuck schicken wollen, damit er es
verkaufen, und davon leben könnte. Der Brief,
worin kleine Diamanten sehr künstlich unter dem
Siegel versteckt lagen, wurde aufgefangen, und
nach der Eroberung der Stadt wurde der Mann
und die Frau eingezogen und inquirirt. Die Frau
läugnete, daß ihr Gatte um das Geschenk für ih-
ren Bruder gewußt hatte, er aber widersprach und
gestand, daß er allerdings darum gewußt, ja, so-
gar zur Absendung desselben geholfen habe. Da
nun das Gesetz alle die zum Tode verurtheilt, wel-
che den Emigranten die geringste Hülfe leisten wol-
len: so wurden diese beyden jungen Eheleute, wel-

waren ſie auch blindlings ins Feuer gegangen, und
hatten mehrere tauſend ihrer Bruͤder verlohren.
Auch waren viele von ihnen jaͤmmerlich verwundet:
und dennoch murrten ſie nur, und empoͤrten ſich
nicht oͤffentlich, wie der Prophet Jonas.

Die zum Tode Verurtheilten gingen groͤßten-
theils mit vieler Gleichguͤltigkeit, und Manche mit
wahrer Frechheit zum Richtplatz, ja, es war ſo zu
ſagen, wider den guten Ton, Betruͤbniß oder Furcht
vor dem Tode blicken zu laſſen. Ein Beyſpiel muß
ich hier erzaͤhlen, als einen Beweis von Liebe,
die auch im Tode ſtandhaft blieb.

Die achtzehnjaͤhrige Gattin eines jungen Lyo-
ners hatte ihrem Bruder bey den Emigranten etwas
von ihrem Schmuck ſchicken wollen, damit er es
verkaufen, und davon leben koͤnnte. Der Brief,
worin kleine Diamanten ſehr kuͤnſtlich unter dem
Siegel verſteckt lagen, wurde aufgefangen, und
nach der Eroberung der Stadt wurde der Mann
und die Frau eingezogen und inquirirt. Die Frau
laͤugnete, daß ihr Gatte um das Geſchenk fuͤr ih-
ren Bruder gewußt hatte, er aber widerſprach und
geſtand, daß er allerdings darum gewußt, ja, ſo-
gar zur Abſendung deſſelben geholfen habe. Da
nun das Geſetz alle die zum Tode verurtheilt, wel-
che den Emigranten die geringſte Huͤlfe leiſten wol-
len: ſo wurden dieſe beyden jungen Eheleute, wel-

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[358/0362] waren ſie auch blindlings ins Feuer gegangen, und hatten mehrere tauſend ihrer Bruͤder verlohren. Auch waren viele von ihnen jaͤmmerlich verwundet: und dennoch murrten ſie nur, und empoͤrten ſich nicht oͤffentlich, wie der Prophet Jonas. Die zum Tode Verurtheilten gingen groͤßten- theils mit vieler Gleichguͤltigkeit, und Manche mit wahrer Frechheit zum Richtplatz, ja, es war ſo zu ſagen, wider den guten Ton, Betruͤbniß oder Furcht vor dem Tode blicken zu laſſen. Ein Beyſpiel muß ich hier erzaͤhlen, als einen Beweis von Liebe, die auch im Tode ſtandhaft blieb. Die achtzehnjaͤhrige Gattin eines jungen Lyo- ners hatte ihrem Bruder bey den Emigranten etwas von ihrem Schmuck ſchicken wollen, damit er es verkaufen, und davon leben koͤnnte. Der Brief, worin kleine Diamanten ſehr kuͤnſtlich unter dem Siegel verſteckt lagen, wurde aufgefangen, und nach der Eroberung der Stadt wurde der Mann und die Frau eingezogen und inquirirt. Die Frau laͤugnete, daß ihr Gatte um das Geſchenk fuͤr ih- ren Bruder gewußt hatte, er aber widerſprach und geſtand, daß er allerdings darum gewußt, ja, ſo- gar zur Abſendung deſſelben geholfen habe. Da nun das Geſetz alle die zum Tode verurtheilt, wel- che den Emigranten die geringſte Huͤlfe leiſten wol- len: ſo wurden dieſe beyden jungen Eheleute, wel-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/362>, abgerufen am 22.11.2024.