auf die, welche sie für die Ueheber ihres Unglücks hielten, her, zerstöhrten ihre Häuser, mordeten sie, ihre Weiber und Kinder, und trieben allen Unfug, den man von Gefangnen erwarten kann, die so anomalisch in Freyheit gesezt werden.
Es giebt in Avignon viele Juden, denen aber, wie ich oben erwähnt habe, der öffentliche Gottes- dienst auch verboten ist, und die gleich den Chri- sten, mit ins Feld ziehen müssen. Vorzeiten wurden diese Leute hier sehr bedrückt, und durften des Abends nach acht Uhr nicht ausgehen, oder jeder Christ hatte das Recht, ihn auf alle mögliche Art zu mishandeln. Wenn ein Jude gehenkt wurde, so hatten sie ihren eignen Galgen jenseits des Rhone; denn die Regierung hatte den Grundsatz, daß es sich für einen Galgen-Christen nicht schicke, neben einem Galgen-Juden an Einem und demselben Galgen zu hängen. Jezt aber sind alle Galgen, Räder und Rabensteine in ganz Frankreich abgeschafft.
Ehemals ging eine Brücke hier über den Rhone, welche Villeneuve, die in dem Rhone liegende Insel und Avignon miteinander verband, und bey- nahe 800 Schuh lang war. Sie hatte 19 Bogen, ist aber jezt unbrauchbar und verfallen. Aber man wird, wie ich gehört habe, dieses nützliche Werk des zwölften Jahrhunderts jezt wieder herstellen, weil man keine Klöster, Kapellen u. dgl. mehr zu bauen
auf die, welche ſie fuͤr die Ueheber ihres Ungluͤcks hielten, her, zerſtoͤhrten ihre Haͤuſer, mordeten ſie, ihre Weiber und Kinder, und trieben allen Unfug, den man von Gefangnen erwarten kann, die ſo anomaliſch in Freyheit geſezt werden.
Es giebt in Avignon viele Juden, denen aber, wie ich oben erwaͤhnt habe, der oͤffentliche Gottes- dienſt auch verboten iſt, und die gleich den Chri- ſten, mit ins Feld ziehen muͤſſen. Vorzeiten wurden dieſe Leute hier ſehr bedruͤckt, und durften des Abends nach acht Uhr nicht ausgehen, oder jeder Chriſt hatte das Recht, ihn auf alle moͤgliche Art zu mishandeln. Wenn ein Jude gehenkt wurde, ſo hatten ſie ihren eignen Galgen jenſeits des Rhone; denn die Regierung hatte den Grundſatz, daß es ſich fuͤr einen Galgen-Chriſten nicht ſchicke, neben einem Galgen-Juden an Einem und demſelben Galgen zu haͤngen. Jezt aber ſind alle Galgen, Raͤder und Rabenſteine in ganz Frankreich abgeſchafft.
Ehemals ging eine Bruͤcke hier uͤber den Rhone, welche Villeneuve, die in dem Rhone liegende Inſel und Avignon miteinander verband, und bey- nahe 800 Schuh lang war. Sie hatte 19 Bogen, iſt aber jezt unbrauchbar und verfallen. Aber man wird, wie ich gehoͤrt habe, dieſes nuͤtzliche Werk des zwoͤlften Jahrhunderts jezt wieder herſtellen, weil man keine Kloͤſter, Kapellen u. dgl. mehr zu bauen
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auf die, welche ſie fuͤr die Ueheber ihres Ungluͤcks
hielten, her, zerſtoͤhrten ihre Haͤuſer, mordeten ſie,
ihre Weiber und Kinder, und trieben allen Unfug,
den man von Gefangnen erwarten kann, die ſo
anomaliſch in Freyheit geſezt werden.
Es giebt in Avignon viele Juden, denen aber,
wie ich oben erwaͤhnt habe, der oͤffentliche Gottes-
dienſt auch verboten iſt, und die gleich den Chri-
ſten, mit ins Feld ziehen muͤſſen. Vorzeiten wurden
dieſe Leute hier ſehr bedruͤckt, und durften des
Abends nach acht Uhr nicht ausgehen, oder jeder
Chriſt hatte das Recht, ihn auf alle moͤgliche Art
zu mishandeln. Wenn ein Jude gehenkt wurde,
ſo hatten ſie ihren eignen Galgen jenſeits des Rhone;
denn die Regierung hatte den Grundſatz, daß es ſich
fuͤr einen Galgen-Chriſten nicht ſchicke, neben einem
Galgen-Juden an Einem und demſelben Galgen
zu haͤngen. Jezt aber ſind alle Galgen, Raͤder
und Rabenſteine in ganz Frankreich abgeſchafft.
Ehemals ging eine Bruͤcke hier uͤber den Rhone,
welche Villeneuve, die in dem Rhone liegende
Inſel und Avignon miteinander verband, und bey-
nahe 800 Schuh lang war. Sie hatte 19 Bogen,
iſt aber jezt unbrauchbar und verfallen. Aber man
wird, wie ich gehoͤrt habe, dieſes nuͤtzliche Werk des
zwoͤlften Jahrhunderts jezt wieder herſtellen, weil
man keine Kloͤſter, Kapellen u. dgl. mehr zu bauen
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/403>, abgerufen am 22.11.2024.
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