gehalten wurden. Das einzige Uebel für sie war, daß der Arzt mit den meisten nicht reden konnte, weil er sie, und sie ihn nicht verstanden, und er sich also bloß mit äußern Anzeigen behelfen mußte. Als ich wieder etwas herumgehen konnte, nahm ich mir die Freyheit, dem Dokter Antoine im Namen eines Deutschen etwas anzuzeigen. An- toine sah mich an: Du kannst also auch deutsch? fragte er. O ja, war meine Antwort: ich bin ja ein Deutscher! Eh bravo, rief er: darf ich dich bitten, mich bey meinen Besuchen zu begleiten? Ich will dir je- desmal 20 Sous geben. Ich versicherte ihn, daß ich ihn allemal herzlich gern begleiten wollte, daß ich mir aber seine 20 Sous verbitten müßte: Er habe mir in meiner traurigen Lage ja so hülfreiche Hand geboten, und so sey es meine Pflicht, ihm wieder zu dienen.
Von diesem Tage an ging ich alle Morgen um 7 Uhr mit dem D. Antoine bey allen gefähr- lich-kranken Deutschen herum, erklärte ihnen seine Fragen, und ihm hernach ihre Antworten. An- toine war sehr zufrieden mit mir, und verdop- pelte seinen Fleiß, meine Gesundhe[it] völlig wieder herzustellen. Weil ich durchaus seine Assignaten nicht nehmen wollte, so sprach er mit dem Depen- sier, daß er mir täglich eine Bouteille Wein ge- ben sollte, außer dem Becher, welchen ich ohnehin
gehalten wurden. Das einzige Uebel fuͤr ſie war, daß der Arzt mit den meiſten nicht reden konnte, weil er ſie, und ſie ihn nicht verſtanden, und er ſich alſo bloß mit aͤußern Anzeigen behelfen mußte. Als ich wieder etwas herumgehen konnte, nahm ich mir die Freyheit, dem Dokter Antoine im Namen eines Deutſchen etwas anzuzeigen. An- toine ſah mich an: Du kannſt alſo auch deutſch? fragte er. O ja, war meine Antwort: ich bin ja ein Deutſcher! Eh bravo, rief er: darf ich dich bitten, mich bey meinen Beſuchen zu begleiten? Ich will dir je- desmal 20 Sous geben. Ich verſicherte ihn, daß ich ihn allemal herzlich gern begleiten wollte, daß ich mir aber ſeine 20 Sous verbitten muͤßte: Er habe mir in meiner traurigen Lage ja ſo huͤlfreiche Hand geboten, und ſo ſey es meine Pflicht, ihm wieder zu dienen.
Von dieſem Tage an ging ich alle Morgen um 7 Uhr mit dem D. Antoine bey allen gefaͤhr- lich-kranken Deutſchen herum, erklaͤrte ihnen ſeine Fragen, und ihm hernach ihre Antworten. An- toine war ſehr zufrieden mit mir, und verdop- pelte ſeinen Fleiß, meine Geſundhe[it] voͤllig wieder herzuſtellen. Weil ich durchaus ſeine Aſſignaten nicht nehmen wollte, ſo ſprach er mit dem Depen- ſier, daß er mir taͤglich eine Bouteille Wein ge- ben ſollte, außer dem Becher, welchen ich ohnehin
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gehalten wurden. Das einzige Uebel fuͤr ſie war,
daß der Arzt mit den meiſten nicht reden konnte,
weil er ſie, und ſie ihn nicht verſtanden, und er
ſich alſo bloß mit aͤußern Anzeigen behelfen mußte.
Als ich wieder etwas herumgehen konnte, nahm
ich mir die Freyheit, dem Dokter Antoine im
Namen eines Deutſchen etwas anzuzeigen. An-
toine ſah mich an: Du kannſt alſo auch deutſch?
fragte er. O ja, war meine Antwort: ich bin ja ein
Deutſcher! Eh bravo, rief er: darf ich dich bitten, mich
bey meinen Beſuchen zu begleiten? Ich will dir je-
desmal 20 Sous geben. Ich verſicherte ihn, daß
ich ihn allemal herzlich gern begleiten wollte, daß
ich mir aber ſeine 20 Sous verbitten muͤßte: Er
habe mir in meiner traurigen Lage ja ſo huͤlfreiche
Hand geboten, und ſo ſey es meine Pflicht, ihm
wieder zu dienen.
Von dieſem Tage an ging ich alle Morgen um
7 Uhr mit dem D. Antoine bey allen gefaͤhr-
lich-kranken Deutſchen herum, erklaͤrte ihnen ſeine
Fragen, und ihm hernach ihre Antworten. An-
toine war ſehr zufrieden mit mir, und verdop-
pelte ſeinen Fleiß, meine Geſundheit voͤllig wieder
herzuſtellen. Weil ich durchaus ſeine Aſſignaten
nicht nehmen wollte, ſo ſprach er mit dem Depen-
ſier, daß er mir taͤglich eine Bouteille Wein ge-
ben ſollte, außer dem Becher, welchen ich ohnehin
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/445>, abgerufen am 22.11.2024.
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