da, wo man die Menschheit pflege, müsse der Fanatismus sich nicht einschleichen: dieser mache schon Gesunde krank, und Kranke gewiß noch krän- ker. -- Aber ich erinnere mich auch nicht, daß ir- gend ein Kranker je nach einem Pfaffen verlangt habe. Sie, die starben, starben alle demohnerach- tet ziemlich ruhig.
Wenn ein Kranker stirbt, so ruft der Krankeu- wärter den Wachthabenden Feldscheer -- denn im- mer muß ein Feldscheer auf der Wache seyn -- und dieser untersucht den Todten. Wenn er ihn wirklich todt findet, so nimmt der Wärter noch ei- nen Kameraden, und die tragen den Kadaver im Laken in die Todtenkammer, wo sie ihm das Hemde abziehen, und in alte Laken wickeln. So bleibt er drey Tage liegen, im hohen Sommer auch kürzere Zeit, und wird sodann, nachdem ihn der Chi- rurgus nochmals besehen hat, vom Todtengräber außerhalb der Stadt eingescharrt. Die Franzosen sind überhaupt von dem lächerlichen Vorurtheil zu- rückgekommen, daß man mit den Todten Staat und Gepränge treiben müsse. Sie begraben sie auf die einfachste Weise, und zwar wohin sie wol- len: doch muß das Grab nach dem Gesetz 8 Fuß tief und auf eine Viertelstunde von dem Orte entfernt seyn, wo Menschen wohnen. Die Beerdi-
da, wo man die Menſchheit pflege, muͤſſe der Fanatismus ſich nicht einſchleichen: dieſer mache ſchon Geſunde krank, und Kranke gewiß noch kraͤn- ker. — Aber ich erinnere mich auch nicht, daß ir- gend ein Kranker je nach einem Pfaffen verlangt habe. Sie, die ſtarben, ſtarben alle demohnerach- tet ziemlich ruhig.
Wenn ein Kranker ſtirbt, ſo ruft der Krankeu- waͤrter den Wachthabenden Feldſcheer — denn im- mer muß ein Feldſcheer auf der Wache ſeyn — und dieſer unterſucht den Todten. Wenn er ihn wirklich todt findet, ſo nimmt der Waͤrter noch ei- nen Kameraden, und die tragen den Kadaver im Laken in die Todtenkammer, wo ſie ihm das Hemde abziehen, und in alte Laken wickeln. So bleibt er drey Tage liegen, im hohen Sommer auch kuͤrzere Zeit, und wird ſodann, nachdem ihn der Chi- rurgus nochmals beſehen hat, vom Todtengraͤber außerhalb der Stadt eingeſcharrt. Die Franzoſen ſind uͤberhaupt von dem laͤcherlichen Vorurtheil zu- ruͤckgekommen, daß man mit den Todten Staat und Gepraͤnge treiben muͤſſe. Sie begraben ſie auf die einfachſte Weiſe, und zwar wohin ſie wol- len: doch muß das Grab nach dem Geſetz 8 Fuß tief und auf eine Viertelſtunde von dem Orte entfernt ſeyn, wo Menſchen wohnen. Die Beerdi-
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da, wo man die Menſchheit pflege, muͤſſe der
Fanatismus ſich nicht einſchleichen: dieſer mache
ſchon Geſunde krank, und Kranke gewiß noch kraͤn-
ker. — Aber ich erinnere mich auch nicht, daß ir-
gend ein Kranker je nach einem Pfaffen verlangt
habe. Sie, die ſtarben, ſtarben alle demohnerach-
tet ziemlich ruhig.
Wenn ein Kranker ſtirbt, ſo ruft der Krankeu-
waͤrter den Wachthabenden Feldſcheer — denn im-
mer muß ein Feldſcheer auf der Wache ſeyn —
und dieſer unterſucht den Todten. Wenn er ihn
wirklich todt findet, ſo nimmt der Waͤrter noch ei-
nen Kameraden, und die tragen den Kadaver im
Laken in die Todtenkammer, wo ſie ihm das Hemde
abziehen, und in alte Laken wickeln. So bleibt
er drey Tage liegen, im hohen Sommer auch
kuͤrzere Zeit, und wird ſodann, nachdem ihn der Chi-
rurgus nochmals beſehen hat, vom Todtengraͤber
außerhalb der Stadt eingeſcharrt. Die Franzoſen
ſind uͤberhaupt von dem laͤcherlichen Vorurtheil zu-
ruͤckgekommen, daß man mit den Todten Staat
und Gepraͤnge treiben muͤſſe. Sie begraben ſie
auf die einfachſte Weiſe, und zwar wohin ſie wol-
len: doch muß das Grab nach dem Geſetz 8 Fuß
tief und auf eine Viertelſtunde von dem Orte
entfernt ſeyn, wo Menſchen wohnen. Die Beerdi-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/466>, abgerufen am 22.11.2024.
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