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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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trunken hatten, foderten Brod vom Wirthe. Die-
ser erklärte: daß er keins zu verkaufen übrig habe,
und daß bey den Beckern jezt -- es war spät des
Abends -- keins mehr zu haben sey. Die Leute,
schon stark angerauscht, erboßten und gingen nach
einer andern Schenke, sprachen aber unterwegs
bey einem Becker an. Als dieser ihnen sagte, daß
er kein Brod mehr habe, wurden sie anzüglich, und
der Becker ließ sie stehen. Nun fingen sie an, zu
schimpfen, und rissen die Kokarde von den Hüten,
und traten drauf. "Wenn wir nicht essen sollen,
schrieen sie, so hole der Teufel die Kokarde und die
Republik!" Viel Volks versammelte sich, und die
Hasellanten wurden eingesteckt. Die Sache selbst
hat gar keine Folgen gehabt, so stark auch einige
Kanngießer unter den deutschen Gefangnen behaup-
teten, daß dieser Auftritt das Signal zu einem
völligen Aufstande seyn würde. Zu den Zeiten des
Terrorismus wären die unruhigen Kokardentreter
schlecht weggekommen; aber die Zeiten hatten sich
geändert, und die Leute kamen bald in Freyheit.

Während der Zeit, als ich in der Carmeliter-
kirche taglöhnerte, habe ich einmal, in Gesellschaft
eines Dijoners, Stärke (amidon) nach Auxonne
auf einem Schubkarren gekarret, und andre Waa-
ren von da mit zurückgenommen. Freilich war
das eben keine angenehme Beschäftigung, allein

trunken hatten, foderten Brod vom Wirthe. Die-
ſer erklaͤrte: daß er keins zu verkaufen uͤbrig habe,
und daß bey den Beckern jezt — es war ſpaͤt des
Abends — keins mehr zu haben ſey. Die Leute,
ſchon ſtark angerauſcht, erboßten und gingen nach
einer andern Schenke, ſprachen aber unterwegs
bey einem Becker an. Als dieſer ihnen ſagte, daß
er kein Brod mehr habe, wurden ſie anzuͤglich, und
der Becker ließ ſie ſtehen. Nun fingen ſie an, zu
ſchimpfen, und riſſen die Kokarde von den Huͤten,
und traten drauf. „Wenn wir nicht eſſen ſollen,
ſchrieen ſie, ſo hole der Teufel die Kokarde und die
Republik!“ Viel Volks verſammelte ſich, und die
Haſellanten wurden eingeſteckt. Die Sache ſelbſt
hat gar keine Folgen gehabt, ſo ſtark auch einige
Kanngießer unter den deutſchen Gefangnen behaup-
teten, daß dieſer Auftritt das Signal zu einem
voͤlligen Aufſtande ſeyn wuͤrde. Zu den Zeiten des
Terrorismus waͤren die unruhigen Kokardentreter
ſchlecht weggekommen; aber die Zeiten hatten ſich
geaͤndert, und die Leute kamen bald in Freyheit.

Waͤhrend der Zeit, als ich in der Carmeliter-
kirche tagloͤhnerte, habe ich einmal, in Geſellſchaft
eines Dijoners, Staͤrke (amidon) nach Auxonne
auf einem Schubkarren gekarret, und andre Waa-
ren von da mit zuruͤckgenommen. Freilich war
das eben keine angenehme Beſchaͤftigung, allein

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[119/0123] trunken hatten, foderten Brod vom Wirthe. Die- ſer erklaͤrte: daß er keins zu verkaufen uͤbrig habe, und daß bey den Beckern jezt — es war ſpaͤt des Abends — keins mehr zu haben ſey. Die Leute, ſchon ſtark angerauſcht, erboßten und gingen nach einer andern Schenke, ſprachen aber unterwegs bey einem Becker an. Als dieſer ihnen ſagte, daß er kein Brod mehr habe, wurden ſie anzuͤglich, und der Becker ließ ſie ſtehen. Nun fingen ſie an, zu ſchimpfen, und riſſen die Kokarde von den Huͤten, und traten drauf. „Wenn wir nicht eſſen ſollen, ſchrieen ſie, ſo hole der Teufel die Kokarde und die Republik!“ Viel Volks verſammelte ſich, und die Haſellanten wurden eingeſteckt. Die Sache ſelbſt hat gar keine Folgen gehabt, ſo ſtark auch einige Kanngießer unter den deutſchen Gefangnen behaup- teten, daß dieſer Auftritt das Signal zu einem voͤlligen Aufſtande ſeyn wuͤrde. Zu den Zeiten des Terrorismus waͤren die unruhigen Kokardentreter ſchlecht weggekommen; aber die Zeiten hatten ſich geaͤndert, und die Leute kamen bald in Freyheit. Waͤhrend der Zeit, als ich in der Carmeliter- kirche tagloͤhnerte, habe ich einmal, in Geſellſchaft eines Dijoners, Staͤrke (amidon) nach Auxonne auf einem Schubkarren gekarret, und andre Waa- ren von da mit zuruͤckgenommen. Freilich war das eben keine angenehme Beſchaͤftigung, allein

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/123>, abgerufen am 24.11.2024.