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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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nach dem Grundsatz, daß man sich an so einer Na-
tion nicht versündigen könnte. -- Ein Emigrant
aus Toul in Lotharingen, der auch da war, schä-
kerte mit einem Bettelmädchen, das uns gleich-
falls Gesellschaft leistete, unanständig genug.
Als ich ihm sagte, daß er wenig Geschmack haben
müßte, mit so einem Wesen schön zu thun, ant-
wortete er: que voulez vous? il faut prendre ce
qu'on trouve sur ses pas:
und griff wieder nach
dem zerlumpten und schmutzigen Bettelmädchen.

Früh kam der Herr Vater oder der Oberaufseher
über die Herberge, und gab uns unser Geld, je-
dem zwey Batzen, und hieß uns abmarschiren.
Ich trennte mich sofort von meiner Nachtgesell-
schaft, lief durch einige Straßen, und begaffte
die Häuser und die Menschen, wie einer thut, der
zum erstenmal in eine so berühmte Stadt kommt,
als Basel ist. Ich trat endlich in eine Schenke,
wo ich für einen Batzen Brod und Branntwein zu
mir nahm. Hier fand ich Deutsche und Franzosen
durcheinander, welche alle von politischen Angele-
genheiten sprachen. Nicht weit von mir saß ein
hübscher Mann, den ich fragte, wo ich einen Paß
nach Zürich haben könnte? Er wieß mich aufs
Rathhaus. Hier traf ich in einer nach recht go-
thischem Geschmack eingerichteten Stube einige
Herren, welche mich derb anfuhren, und im im-

nach dem Grundſatz, daß man ſich an ſo einer Na-
tion nicht verſuͤndigen koͤnnte. — Ein Emigrant
aus Toul in Lotharingen, der auch da war, ſchaͤ-
kerte mit einem Bettelmaͤdchen, das uns gleich-
falls Geſellſchaft leiſtete, unanſtaͤndig genug.
Als ich ihm ſagte, daß er wenig Geſchmack haben
muͤßte, mit ſo einem Weſen ſchoͤn zu thun, ant-
wortete er: que voulez vous? il faut prendre ce
qu'on trouve ſur ſes pas:
und griff wieder nach
dem zerlumpten und ſchmutzigen Bettelmaͤdchen.

Fruͤh kam der Herr Vater oder der Oberaufſeher
uͤber die Herberge, und gab uns unſer Geld, je-
dem zwey Batzen, und hieß uns abmarſchiren.
Ich trennte mich ſofort von meiner Nachtgeſell-
ſchaft, lief durch einige Straßen, und begaffte
die Haͤuſer und die Menſchen, wie einer thut, der
zum erſtenmal in eine ſo beruͤhmte Stadt kommt,
als Baſel iſt. Ich trat endlich in eine Schenke,
wo ich fuͤr einen Batzen Brod und Branntwein zu
mir nahm. Hier fand ich Deutſche und Franzoſen
durcheinander, welche alle von politiſchen Angele-
genheiten ſprachen. Nicht weit von mir ſaß ein
huͤbſcher Mann, den ich fragte, wo ich einen Paß
nach Zuͤrich haben koͤnnte? Er wieß mich aufs
Rathhaus. Hier traf ich in einer nach recht go-
thiſchem Geſchmack eingerichteten Stube einige
Herren, welche mich derb anfuhren, und im im-

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[165/0169] nach dem Grundſatz, daß man ſich an ſo einer Na- tion nicht verſuͤndigen koͤnnte. — Ein Emigrant aus Toul in Lotharingen, der auch da war, ſchaͤ- kerte mit einem Bettelmaͤdchen, das uns gleich- falls Geſellſchaft leiſtete, unanſtaͤndig genug. Als ich ihm ſagte, daß er wenig Geſchmack haben muͤßte, mit ſo einem Weſen ſchoͤn zu thun, ant- wortete er: que voulez vous? il faut prendre ce qu'on trouve ſur ſes pas: und griff wieder nach dem zerlumpten und ſchmutzigen Bettelmaͤdchen. Fruͤh kam der Herr Vater oder der Oberaufſeher uͤber die Herberge, und gab uns unſer Geld, je- dem zwey Batzen, und hieß uns abmarſchiren. Ich trennte mich ſofort von meiner Nachtgeſell- ſchaft, lief durch einige Straßen, und begaffte die Haͤuſer und die Menſchen, wie einer thut, der zum erſtenmal in eine ſo beruͤhmte Stadt kommt, als Baſel iſt. Ich trat endlich in eine Schenke, wo ich fuͤr einen Batzen Brod und Branntwein zu mir nahm. Hier fand ich Deutſche und Franzoſen durcheinander, welche alle von politiſchen Angele- genheiten ſprachen. Nicht weit von mir ſaß ein huͤbſcher Mann, den ich fragte, wo ich einen Paß nach Zuͤrich haben koͤnnte? Er wieß mich aufs Rathhaus. Hier traf ich in einer nach recht go- thiſchem Geſchmack eingerichteten Stube einige Herren, welche mich derb anfuhren, und im im-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/169>, abgerufen am 18.05.2024.