Da die Emigranten nehmen mußten, was sie erschleichen oder erwischen konnten, so denkt man leicht, daß so ein zu errichtendes Emigrantenkorps größtentheils aus Lumpenzeug bestehen mußte; und da die Herren aus Frankreich selbst, wenigstens nach dem größten Theil, elende Menschen waren, so waren sie bey der Wahl ihrer Rekruten noch weit weniger delikat, als man sonst bey den Preußen oder Kaiserlichen, zumal in Kriegeszeiten, zu seyn pflegt.
Bey uns war so der rechte Auswurf der Mensch- heit. So klein der Trupp auch war, so hatten wir doch Deutsche, Italiäner, Spanier, Hollän- der, Polen und Franzosen. Einer davon hatte nur ein Auge, und einer war hinten und vorne bucklich: einige waren uralte Ehekrüppel, die sich kaum mehr rühren konnten; und andre waren jun- ge Buben, die kaum wußten, was links oder rechts war. Verschiedne davon hatten Weiber oder Buhldirnen bey sich, die sie für ihre Weiber ausgaben, die aber beyher auch nicht spröde gegen Andre waren. Dabey war denn ein Leben, wie ehemals zu Sodom.
Als ich zu den Emigranten stieß, trug ich noch meinen Rock, nach französischer Art mit republi- kanischen Knöpfen. Der Adjutant foderte, ich sollte die hunzföttischen Knöpfe (les foutus boutons)
Da die Emigranten nehmen mußten, was ſie erſchleichen oder erwiſchen konnten, ſo denkt man leicht, daß ſo ein zu errichtendes Emigrantenkorps groͤßtentheils aus Lumpenzeug beſtehen mußte; und da die Herren aus Frankreich ſelbſt, wenigſtens nach dem groͤßten Theil, elende Menſchen waren, ſo waren ſie bey der Wahl ihrer Rekruten noch weit weniger delikat, als man ſonſt bey den Preußen oder Kaiſerlichen, zumal in Kriegeszeiten, zu ſeyn pflegt.
Bey uns war ſo der rechte Auswurf der Menſch- heit. So klein der Trupp auch war, ſo hatten wir doch Deutſche, Italiaͤner, Spanier, Hollaͤn- der, Polen und Franzoſen. Einer davon hatte nur ein Auge, und einer war hinten und vorne bucklich: einige waren uralte Ehekruͤppel, die ſich kaum mehr ruͤhren konnten; und andre waren jun- ge Buben, die kaum wußten, was links oder rechts war. Verſchiedne davon hatten Weiber oder Buhldirnen bey ſich, die ſie fuͤr ihre Weiber ausgaben, die aber beyher auch nicht ſproͤde gegen Andre waren. Dabey war denn ein Leben, wie ehemals zu Sodom.
Als ich zu den Emigranten ſtieß, trug ich noch meinen Rock, nach franzoͤſiſcher Art mit republi- kaniſchen Knoͤpfen. Der Adjutant foderte, ich ſollte die hunzfoͤttiſchen Knoͤpfe (les foutus boutons)
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Da die Emigranten nehmen mußten, was ſie
erſchleichen oder erwiſchen konnten, ſo denkt man
leicht, daß ſo ein zu errichtendes Emigrantenkorps
groͤßtentheils aus Lumpenzeug beſtehen mußte; und
da die Herren aus Frankreich ſelbſt, wenigſtens
nach dem groͤßten Theil, elende Menſchen waren,
ſo waren ſie bey der Wahl ihrer Rekruten noch weit
weniger delikat, als man ſonſt bey den Preußen
oder Kaiſerlichen, zumal in Kriegeszeiten, zu ſeyn
pflegt.
Bey uns war ſo der rechte Auswurf der Menſch-
heit. So klein der Trupp auch war, ſo hatten
wir doch Deutſche, Italiaͤner, Spanier, Hollaͤn-
der, Polen und Franzoſen. Einer davon hatte
nur ein Auge, und einer war hinten und vorne
bucklich: einige waren uralte Ehekruͤppel, die ſich
kaum mehr ruͤhren konnten; und andre waren jun-
ge Buben, die kaum wußten, was links oder
rechts war. Verſchiedne davon hatten Weiber
oder Buhldirnen bey ſich, die ſie fuͤr ihre Weiber
ausgaben, die aber beyher auch nicht ſproͤde gegen
Andre waren. Dabey war denn ein Leben, wie
ehemals zu Sodom.
Als ich zu den Emigranten ſtieß, trug ich noch
meinen Rock, nach franzoͤſiſcher Art mit republi-
kaniſchen Knoͤpfen. Der Adjutant foderte, ich
ſollte die hunzfoͤttiſchen Knoͤpfe (les foutus boutons)
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/190>, abgerufen am 21.11.2024.
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