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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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bekam, wenn ich irgend einmal aus dieser oder je-
ner Ursache vom Tische wegblieb: in diesem Falle
mußte das Hausmädchen immer zusehen, ob ich
krank wäre. Meine Löhnung konnte ich nun an-
wenden, wozu ich wollte, und mein Brod verkaufte
ich. Die Kinder des Pfarrers, lauter schöne,
wohlgezogene Mädchen, hatten mich recht gern,
aber seinen einzigen hoffnungsvollen Sohn begruben
wir ohngefähr 8 Tage vor Pfingsten, und ich weinte
über den Tod dieses Kindes beynahe eben so viel,
als der Vater.

In der Nachbarschaft da herum fand ich noch
mehr alte Bekannte und Universitätsfreunde von
Gießen her, ich meyne die Herren Wagner,
Advokat in Freystätt, Küß, Pfarrer zu Bischofs-
heim, Hönig, Pfarrer zu Diersheim, Vena-
tor, Pastor in Auenheim und Schoch, Pastor zu
Scherzenheim. Diese Herren verbreiteten meine
Existenz in der ganzen Gegend, und da ich schon
par renommee, besonders durch die ersten Bände
meiner Lebensgeschichte, als ein Ebentheurer be-
kannt war, so wollte jederman meine Larve kennen
lernen: und ich hatte Zutritt in allen Häusern bey
den Honoratioren des ganzen Ländchens. Sobald
also mein Dienst es erlaubte, und der mußte es oft
genug erlauben, lief ich über Land, besuchte den
oder jenen und war überall willkommen.


bekam, wenn ich irgend einmal aus dieſer oder je-
ner Urſache vom Tiſche wegblieb: in dieſem Falle
mußte das Hausmaͤdchen immer zuſehen, ob ich
krank waͤre. Meine Loͤhnung konnte ich nun an-
wenden, wozu ich wollte, und mein Brod verkaufte
ich. Die Kinder des Pfarrers, lauter ſchoͤne,
wohlgezogene Maͤdchen, hatten mich recht gern,
aber ſeinen einzigen hoffnungsvollen Sohn begruben
wir ohngefaͤhr 8 Tage vor Pfingſten, und ich weinte
uͤber den Tod dieſes Kindes beynahe eben ſo viel,
als der Vater.

In der Nachbarſchaft da herum fand ich noch
mehr alte Bekannte und Univerſitaͤtsfreunde von
Gießen her, ich meyne die Herren Wagner,
Advokat in Freyſtaͤtt, Kuͤß, Pfarrer zu Biſchofs-
heim, Hoͤnig, Pfarrer zu Diersheim, Vena-
tor, Paſtor in Auenheim und Schoch, Paſtor zu
Scherzenheim. Dieſe Herren verbreiteten meine
Exiſtenz in der ganzen Gegend, und da ich ſchon
par renommée, beſonders durch die erſten Baͤnde
meiner Lebensgeſchichte, als ein Ebentheurer be-
kannt war, ſo wollte jederman meine Larve kennen
lernen: und ich hatte Zutritt in allen Haͤuſern bey
den Honoratioren des ganzen Laͤndchens. Sobald
alſo mein Dienſt es erlaubte, und der mußte es oft
genug erlauben, lief ich uͤber Land, beſuchte den
oder jenen und war uͤberall willkommen.


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[210/0214] bekam, wenn ich irgend einmal aus dieſer oder je- ner Urſache vom Tiſche wegblieb: in dieſem Falle mußte das Hausmaͤdchen immer zuſehen, ob ich krank waͤre. Meine Loͤhnung konnte ich nun an- wenden, wozu ich wollte, und mein Brod verkaufte ich. Die Kinder des Pfarrers, lauter ſchoͤne, wohlgezogene Maͤdchen, hatten mich recht gern, aber ſeinen einzigen hoffnungsvollen Sohn begruben wir ohngefaͤhr 8 Tage vor Pfingſten, und ich weinte uͤber den Tod dieſes Kindes beynahe eben ſo viel, als der Vater. In der Nachbarſchaft da herum fand ich noch mehr alte Bekannte und Univerſitaͤtsfreunde von Gießen her, ich meyne die Herren Wagner, Advokat in Freyſtaͤtt, Kuͤß, Pfarrer zu Biſchofs- heim, Hoͤnig, Pfarrer zu Diersheim, Vena- tor, Paſtor in Auenheim und Schoch, Paſtor zu Scherzenheim. Dieſe Herren verbreiteten meine Exiſtenz in der ganzen Gegend, und da ich ſchon par renommée, beſonders durch die erſten Baͤnde meiner Lebensgeſchichte, als ein Ebentheurer be- kannt war, ſo wollte jederman meine Larve kennen lernen: und ich hatte Zutritt in allen Haͤuſern bey den Honoratioren des ganzen Laͤndchens. Sobald alſo mein Dienſt es erlaubte, und der mußte es oft genug erlauben, lief ich uͤber Land, beſuchte den oder jenen und war uͤberall willkommen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/214>, abgerufen am 21.11.2024.