und empfand einen beynahe unwiderstehlichen Drang, nach Halle zurück zu eilen; ja, wenn mich die Ehrfurcht für den Obersten und meinen Hauptmann nicht abgehalten hätte, so wäre ich da- mals gleich desertirt, und hätte mich nach Halle aufgemacht. Aber ich wollte einmal nicht deserti- ren, auch mißrieth mir dieß Hr. Bispink; also beschloß ich zu warten, bis ich vielleicht ohne ein Bubenstück zu begehen, die Schwaben verlassen könnte. Herr Bispink hatte mir zugleich eine ansehnliche Summe Geld geschickt, wovon ich mei- ne Bedürfnisse bestreiten, und mir bey der allge- meinen Theurung der Lebensmittel, viel Erleichte- rung schaffen konnte.
Als wir in Kehl standen, that der Rhein in der dortigen Gegend unersetzlichen Schaden. Der Fluß hatte seinen Damm an vielen Orten durchbro- chen, und die ganze Gegend, auf vier Stunden lang, weit und breit überschwemmt. Das Dorf Kehl stand so tief unter Wasser, daß man mit Na- chen und anderm Fahrzeug von einem Hause zum andern fahren mußte: die Wachen und Pikete muß- ten zu Schiffe aufgeführt und abgelößt werden. Bey dieser Gelegenheit ersoffen fünf Soldaten, zwey Korporale und ein Leutnant von den Schwa- ben. Wahrscheinlich war das aus der Schweiz in den Rhein stürzende Schneewasser Schuld an der
und empfand einen beynahe unwiderſtehlichen Drang, nach Halle zuruͤck zu eilen; ja, wenn mich die Ehrfurcht fuͤr den Oberſten und meinen Hauptmann nicht abgehalten haͤtte, ſo waͤre ich da- mals gleich deſertirt, und haͤtte mich nach Halle aufgemacht. Aber ich wollte einmal nicht deſerti- ren, auch mißrieth mir dieß Hr. Bispink; alſo beſchloß ich zu warten, bis ich vielleicht ohne ein Bubenſtuͤck zu begehen, die Schwaben verlaſſen koͤnnte. Herr Bispink hatte mir zugleich eine anſehnliche Summe Geld geſchickt, wovon ich mei- ne Beduͤrfniſſe beſtreiten, und mir bey der allge- meinen Theurung der Lebensmittel, viel Erleichte- rung ſchaffen konnte.
Als wir in Kehl ſtanden, that der Rhein in der dortigen Gegend unerſetzlichen Schaden. Der Fluß hatte ſeinen Damm an vielen Orten durchbro- chen, und die ganze Gegend, auf vier Stunden lang, weit und breit uͤberſchwemmt. Das Dorf Kehl ſtand ſo tief unter Waſſer, daß man mit Na- chen und anderm Fahrzeug von einem Hauſe zum andern fahren mußte: die Wachen und Pikete muß- ten zu Schiffe aufgefuͤhrt und abgeloͤßt werden. Bey dieſer Gelegenheit erſoffen fuͤnf Soldaten, zwey Korporale und ein Leutnant von den Schwa- ben. Wahrſcheinlich war das aus der Schweiz in den Rhein ſtuͤrzende Schneewaſſer Schuld an der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0227"n="223"/>
und empfand einen beynahe unwiderſtehlichen<lb/>
Drang, nach Halle zuruͤck zu eilen; ja, wenn<lb/>
mich die Ehrfurcht fuͤr den Oberſten und meinen<lb/>
Hauptmann nicht abgehalten haͤtte, ſo waͤre ich da-<lb/>
mals gleich deſertirt, und haͤtte mich nach Halle<lb/>
aufgemacht. Aber ich wollte einmal nicht deſerti-<lb/>
ren, auch mißrieth mir dieß Hr. <hirendition="#g">Bispink</hi>; alſo<lb/>
beſchloß ich zu warten, bis ich vielleicht ohne ein<lb/>
Bubenſtuͤck zu begehen, die Schwaben verlaſſen<lb/>
koͤnnte. Herr <hirendition="#g">Bispink</hi> hatte mir zugleich eine<lb/>
anſehnliche Summe Geld geſchickt, wovon ich mei-<lb/>
ne Beduͤrfniſſe beſtreiten, und mir bey der allge-<lb/>
meinen Theurung der Lebensmittel, viel Erleichte-<lb/>
rung ſchaffen konnte.</p><lb/><p>Als wir in Kehl ſtanden, that der Rhein in der<lb/>
dortigen Gegend unerſetzlichen Schaden. Der<lb/>
Fluß hatte ſeinen Damm an vielen Orten durchbro-<lb/>
chen, und die ganze Gegend, auf vier Stunden<lb/>
lang, weit und breit uͤberſchwemmt. Das Dorf<lb/>
Kehl ſtand ſo tief unter Waſſer, daß man mit Na-<lb/>
chen und anderm Fahrzeug von einem Hauſe zum<lb/>
andern fahren mußte: die Wachen und Pikete muß-<lb/>
ten zu Schiffe aufgefuͤhrt und abgeloͤßt werden.<lb/>
Bey dieſer Gelegenheit erſoffen fuͤnf Soldaten,<lb/>
zwey Korporale und ein Leutnant von den Schwa-<lb/>
ben. Wahrſcheinlich war das aus der Schweiz in<lb/>
den Rhein ſtuͤrzende Schneewaſſer Schuld an der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[223/0227]
und empfand einen beynahe unwiderſtehlichen
Drang, nach Halle zuruͤck zu eilen; ja, wenn
mich die Ehrfurcht fuͤr den Oberſten und meinen
Hauptmann nicht abgehalten haͤtte, ſo waͤre ich da-
mals gleich deſertirt, und haͤtte mich nach Halle
aufgemacht. Aber ich wollte einmal nicht deſerti-
ren, auch mißrieth mir dieß Hr. Bispink; alſo
beſchloß ich zu warten, bis ich vielleicht ohne ein
Bubenſtuͤck zu begehen, die Schwaben verlaſſen
koͤnnte. Herr Bispink hatte mir zugleich eine
anſehnliche Summe Geld geſchickt, wovon ich mei-
ne Beduͤrfniſſe beſtreiten, und mir bey der allge-
meinen Theurung der Lebensmittel, viel Erleichte-
rung ſchaffen konnte.
Als wir in Kehl ſtanden, that der Rhein in der
dortigen Gegend unerſetzlichen Schaden. Der
Fluß hatte ſeinen Damm an vielen Orten durchbro-
chen, und die ganze Gegend, auf vier Stunden
lang, weit und breit uͤberſchwemmt. Das Dorf
Kehl ſtand ſo tief unter Waſſer, daß man mit Na-
chen und anderm Fahrzeug von einem Hauſe zum
andern fahren mußte: die Wachen und Pikete muß-
ten zu Schiffe aufgefuͤhrt und abgeloͤßt werden.
Bey dieſer Gelegenheit erſoffen fuͤnf Soldaten,
zwey Korporale und ein Leutnant von den Schwa-
ben. Wahrſcheinlich war das aus der Schweiz in
den Rhein ſtuͤrzende Schneewaſſer Schuld an der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/227>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.