fürchterlichen Ueberschwemmung, welche über acht Tage stehen blieb.
In Kehl sah ich ein Spektakel, bey dessen Andenken mir die Haut noch schaudert. Man hatte unter den Kehler Einwohnern vier Spionen ent- deckt, welche den Franzosen von der Lage der Din- ge dießseits des Rheins Nachricht gebracht, und dafür viel Geld bekommen hatten. Der vornehm- ste dieser Verräther war der badische Fiskal oder Geldeinnehmer zu Kehl. Die Leute wurden in Kork verhört, und hernach von einer Kriegskommission, aus Kaiserlichen und Schwäbischen Offizieren, so kondemnirt, daß der Fiskal mit dem Schwerdte, ein Andrer aber mit dem Strange hingerichtet wer- den sollte: die beyden übrigen sollten drey Tage nacheinander durch 300 Mann Gassen laufen.
Die Exekution ging vor sich, und ich konnte dem Köpfen und Hängen ziemlich ruhig zusehen, nur daß ich da auch in meinen Busen griff und mir selbst eingestand, daß ich so was ähnliches um die Franzosen verdient gehabt hätte. Aber das Gassen- laufen war bis zum Entsetzen abscheulich. Man hatte absichtlich große starke Ruthen gegeben, und für zehn Gulden Wachs unter die Soldaten ver- theilt, die Ruthen damit einzustreichen, und die Soldaten vom Regiment Würtemberg verrich- teten ihr Henkerknechtsamt auch so gut, daß man
fuͤrchterlichen Ueberſchwemmung, welche uͤber acht Tage ſtehen blieb.
In Kehl ſah ich ein Spektakel, bey deſſen Andenken mir die Haut noch ſchaudert. Man hatte unter den Kehler Einwohnern vier Spionen ent- deckt, welche den Franzoſen von der Lage der Din- ge dießſeits des Rheins Nachricht gebracht, und dafuͤr viel Geld bekommen hatten. Der vornehm- ſte dieſer Verraͤther war der badiſche Fiskal oder Geldeinnehmer zu Kehl. Die Leute wurden in Kork verhoͤrt, und hernach von einer Kriegskommiſſion, aus Kaiſerlichen und Schwaͤbiſchen Offizieren, ſo kondemnirt, daß der Fiskal mit dem Schwerdte, ein Andrer aber mit dem Strange hingerichtet wer- den ſollte: die beyden uͤbrigen ſollten drey Tage nacheinander durch 300 Mann Gaſſen laufen.
Die Exekution ging vor ſich, und ich konnte dem Koͤpfen und Haͤngen ziemlich ruhig zuſehen, nur daß ich da auch in meinen Buſen griff und mir ſelbſt eingeſtand, daß ich ſo was aͤhnliches um die Franzoſen verdient gehabt haͤtte. Aber das Gaſſen- laufen war bis zum Entſetzen abſcheulich. Man hatte abſichtlich große ſtarke Ruthen gegeben, und fuͤr zehn Gulden Wachs unter die Soldaten ver- theilt, die Ruthen damit einzuſtreichen, und die Soldaten vom Regiment Wuͤrtemberg verrich- teten ihr Henkerknechtsamt auch ſo gut, daß man
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fuͤrchterlichen Ueberſchwemmung, welche uͤber acht
Tage ſtehen blieb.
In Kehl ſah ich ein Spektakel, bey deſſen
Andenken mir die Haut noch ſchaudert. Man hatte
unter den Kehler Einwohnern vier Spionen ent-
deckt, welche den Franzoſen von der Lage der Din-
ge dießſeits des Rheins Nachricht gebracht, und
dafuͤr viel Geld bekommen hatten. Der vornehm-
ſte dieſer Verraͤther war der badiſche Fiskal oder
Geldeinnehmer zu Kehl. Die Leute wurden in Kork
verhoͤrt, und hernach von einer Kriegskommiſſion,
aus Kaiſerlichen und Schwaͤbiſchen Offizieren, ſo
kondemnirt, daß der Fiskal mit dem Schwerdte,
ein Andrer aber mit dem Strange hingerichtet wer-
den ſollte: die beyden uͤbrigen ſollten drey Tage
nacheinander durch 300 Mann Gaſſen laufen.
Die Exekution ging vor ſich, und ich konnte
dem Koͤpfen und Haͤngen ziemlich ruhig zuſehen,
nur daß ich da auch in meinen Buſen griff und mir
ſelbſt eingeſtand, daß ich ſo was aͤhnliches um die
Franzoſen verdient gehabt haͤtte. Aber das Gaſſen-
laufen war bis zum Entſetzen abſcheulich. Man
hatte abſichtlich große ſtarke Ruthen gegeben, und
fuͤr zehn Gulden Wachs unter die Soldaten ver-
theilt, die Ruthen damit einzuſtreichen, und die
Soldaten vom Regiment Wuͤrtemberg verrich-
teten ihr Henkerknechtsamt auch ſo gut, daß man
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/228>, abgerufen am 24.11.2024.
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