ihm noch unmöglich. Während der Wartezeit er- hielt ihr Anbeter einen höhern Posten, und heura- thete ein anderes reicheres Frauenzimmer. Im Vorbeygehen muß ich anmerken, daß man beym Heurathen nirgends mehr aufs Geld sieht, als im Schwabenlande: denn da heißt es recht: auro conci- liatur amor. Nach der Hand fand sich ein ange- sehener hübscher Mann, der droben in der Schweiz der Liebling eines hohen Prälaten war, bey der verlaßnen Mamsell Josephe ein, (Seppele sprechen die Schwaben) verliebte sich in sie und er- hielt das Jawort von ihrem Vater und ihr. Die Verlobung wurde bekannt gemacht, und der Hoch- zeittag schon bestimmt. Indessen erfuhr auch der ehemalige Liebhaber, daß Josephe die Braut eines Andern sey, und schickte, Gott weiß, ob aus verkehrter neidischer Rachsucht, oder aus wel- cher Ursache, die Briefe, welche er ehedem von ihr bekommen hatte, an den Neuverlobten. Unter diesen Briefen befanden sich mehrere, welche den ehrlichen Mann belehrten, wie weit seine Gelieb- te mit ihrem ersten Liebhaber gekommen war: denn in einigen vermuthete sie, es sey nicht recht richtig mit ihr und dergleichen. -- Daß dieses dem unbefangnen Manne sehr müsse aufgefallen seyn, versteht man von selbst: daß er aber Liebe genug für seine Braut gehabt habe, erhellet daraus,
ihm noch unmoͤglich. Waͤhrend der Wartezeit er- hielt ihr Anbeter einen hoͤhern Poſten, und heura- thete ein anderes reicheres Frauenzimmer. Im Vorbeygehen muß ich anmerken, daß man beym Heurathen nirgends mehr aufs Geld ſieht, als im Schwabenlande: denn da heißt es recht: auro conci- liatur amor. Nach der Hand fand ſich ein ange- ſehener huͤbſcher Mann, der droben in der Schweiz der Liebling eines hohen Praͤlaten war, bey der verlaßnen Mamſell Joſephe ein, (Seppele ſprechen die Schwaben) verliebte ſich in ſie und er- hielt das Jawort von ihrem Vater und ihr. Die Verlobung wurde bekannt gemacht, und der Hoch- zeittag ſchon beſtimmt. Indeſſen erfuhr auch der ehemalige Liebhaber, daß Joſephe die Braut eines Andern ſey, und ſchickte, Gott weiß, ob aus verkehrter neidiſcher Rachſucht, oder aus wel- cher Urſache, die Briefe, welche er ehedem von ihr bekommen hatte, an den Neuverlobten. Unter dieſen Briefen befanden ſich mehrere, welche den ehrlichen Mann belehrten, wie weit ſeine Gelieb- te mit ihrem erſten Liebhaber gekommen war: denn in einigen vermuthete ſie, es ſey nicht recht richtig mit ihr und dergleichen. — Daß dieſes dem unbefangnen Manne ſehr muͤſſe aufgefallen ſeyn, verſteht man von ſelbſt: daß er aber Liebe genug fuͤr ſeine Braut gehabt habe, erhellet daraus,
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ihm noch unmoͤglich. Waͤhrend der Wartezeit er-
hielt ihr Anbeter einen hoͤhern Poſten, und heura-
thete ein anderes reicheres Frauenzimmer. Im
Vorbeygehen muß ich anmerken, daß man beym
Heurathen nirgends mehr aufs Geld ſieht, als im
Schwabenlande: denn da heißt es recht: auro conci-
liatur amor. Nach der Hand fand ſich ein ange-
ſehener huͤbſcher Mann, der droben in der Schweiz
der Liebling eines hohen Praͤlaten war, bey der
verlaßnen Mamſell Joſephe ein, (Seppele
ſprechen die Schwaben) verliebte ſich in ſie und er-
hielt das Jawort von ihrem Vater und ihr. Die
Verlobung wurde bekannt gemacht, und der Hoch-
zeittag ſchon beſtimmt. Indeſſen erfuhr auch der
ehemalige Liebhaber, daß Joſephe die Braut
eines Andern ſey, und ſchickte, Gott weiß, ob
aus verkehrter neidiſcher Rachſucht, oder aus wel-
cher Urſache, die Briefe, welche er ehedem von
ihr bekommen hatte, an den Neuverlobten. Unter
dieſen Briefen befanden ſich mehrere, welche den
ehrlichen Mann belehrten, wie weit ſeine Gelieb-
te mit ihrem erſten Liebhaber gekommen war: denn
in einigen vermuthete ſie, es ſey nicht recht
richtig mit ihr und dergleichen. — Daß dieſes
dem unbefangnen Manne ſehr muͤſſe aufgefallen
ſeyn, verſteht man von ſelbſt: daß er aber Liebe
genug fuͤr ſeine Braut gehabt habe, erhellet daraus,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/232>, abgerufen am 24.11.2024.
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