Gesellschaft da zu suchen, wo man sie ohne Mühe haben kann.
Auf dem Rathskeller zu Halle ist unten im Keller ein Zimmer, worinn sich lauter bejahrte Männer versammeln, und dort ihre Conversation bey einem Glase Breyhan halten. In dieser Ge- sellschaft, so fade sie auch ist, habe ich alle Win- terabende dieses Jahres zugebracht, so recht nach dem nil profutura tempora perdimus und da ich einmal an dieselbe gewöhnt war, so war mir jedes- mal die Zeit lang, bis es Abend wurde, und ich hin konnte.
Meinen Lesern liegt gewiß nichts daran, die Personen kennen zu lernen, welche diesen Klub ausmachten; ich will sie daher mit einer Karakter- zeichnung verschonen. Mir waren aber Einige sehr zum Zeitvertreib, und der unverdaute, allezeit übel angebrachte Witz des Wirthes Müller, die Possen des Aufwärters Petri, der schale Dünkel des Schusters Michaelis, der, weil er auf ei- ner Stube unter dem Rathhause sizen darf, Herr Assessor heißen will, die Pralereyen eines Spielers von Profession, Namens Oberndorf, dem zur regelmäßigen Uebung dieser Kunst weiter nichts fehlt, als Geld, das hernhutische Geschwätz eines gewissen Strumpfwirkers und andre dergleichen
Geſellſchaft da zu ſuchen, wo man ſie ohne Muͤhe haben kann.
Auf dem Rathskeller zu Halle iſt unten im Keller ein Zimmer, worinn ſich lauter bejahrte Maͤnner verſammeln, und dort ihre Converſation bey einem Glaſe Breyhan halten. In dieſer Ge- ſellſchaft, ſo fade ſie auch iſt, habe ich alle Win- terabende dieſes Jahres zugebracht, ſo recht nach dem nil profutura tempora perdimus und da ich einmal an dieſelbe gewoͤhnt war, ſo war mir jedes- mal die Zeit lang, bis es Abend wurde, und ich hin konnte.
Meinen Leſern liegt gewiß nichts daran, die Perſonen kennen zu lernen, welche dieſen Klub ausmachten; ich will ſie daher mit einer Karakter- zeichnung verſchonen. Mir waren aber Einige ſehr zum Zeitvertreib, und der unverdaute, allezeit uͤbel angebrachte Witz des Wirthes Muͤller, die Poſſen des Aufwaͤrters Petri, der ſchale Duͤnkel des Schuſters Michaelis, der, weil er auf ei- ner Stube unter dem Rathhauſe ſizen darf, Herr Aſſeſſor heißen will, die Pralereyen eines Spielers von Profeſſion, Namens Oberndorf, dem zur regelmaͤßigen Uebung dieſer Kunſt weiter nichts fehlt, als Geld, das hernhutiſche Geſchwaͤtz eines gewiſſen Strumpfwirkers und andre dergleichen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0327"n="323"/>
Geſellſchaft da zu ſuchen, wo man ſie ohne Muͤhe<lb/>
haben kann.</p><lb/><p>Auf dem Rathskeller zu Halle iſt unten im<lb/>
Keller ein Zimmer, worinn ſich lauter bejahrte<lb/>
Maͤnner verſammeln, und dort ihre Converſation<lb/>
bey einem Glaſe Breyhan halten. In dieſer Ge-<lb/>ſellſchaft, ſo fade ſie auch iſt, habe ich alle Win-<lb/>
terabende dieſes Jahres zugebracht, ſo recht nach<lb/>
dem <hirendition="#aq">nil profutura tempora perdimus</hi> und da ich<lb/>
einmal an dieſelbe gewoͤhnt war, ſo war mir jedes-<lb/>
mal die Zeit lang, bis es Abend wurde, und ich<lb/>
hin konnte.</p><lb/><p>Meinen Leſern liegt gewiß nichts daran, die<lb/>
Perſonen kennen zu lernen, welche dieſen Klub<lb/>
ausmachten; ich will ſie daher mit einer Karakter-<lb/>
zeichnung verſchonen. Mir waren aber Einige<lb/>ſehr zum Zeitvertreib, und der unverdaute, allezeit<lb/>
uͤbel angebrachte Witz des Wirthes <hirendition="#g">Muͤller</hi>, die<lb/>
Poſſen des Aufwaͤrters <hirendition="#g">Petri</hi>, der ſchale Duͤnkel<lb/>
des Schuſters <hirendition="#g">Michaelis</hi>, der, weil er auf ei-<lb/>
ner Stube unter dem Rathhauſe ſizen darf, Herr<lb/>
Aſſeſſor heißen will, die Pralereyen eines Spielers<lb/>
von Profeſſion, Namens <hirendition="#g">Oberndorf</hi>, dem zur<lb/>
regelmaͤßigen Uebung dieſer Kunſt weiter nichts<lb/>
fehlt, als Geld, das hernhutiſche Geſchwaͤtz eines<lb/>
gewiſſen Strumpfwirkers und andre dergleichen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[323/0327]
Geſellſchaft da zu ſuchen, wo man ſie ohne Muͤhe
haben kann.
Auf dem Rathskeller zu Halle iſt unten im
Keller ein Zimmer, worinn ſich lauter bejahrte
Maͤnner verſammeln, und dort ihre Converſation
bey einem Glaſe Breyhan halten. In dieſer Ge-
ſellſchaft, ſo fade ſie auch iſt, habe ich alle Win-
terabende dieſes Jahres zugebracht, ſo recht nach
dem nil profutura tempora perdimus und da ich
einmal an dieſelbe gewoͤhnt war, ſo war mir jedes-
mal die Zeit lang, bis es Abend wurde, und ich
hin konnte.
Meinen Leſern liegt gewiß nichts daran, die
Perſonen kennen zu lernen, welche dieſen Klub
ausmachten; ich will ſie daher mit einer Karakter-
zeichnung verſchonen. Mir waren aber Einige
ſehr zum Zeitvertreib, und der unverdaute, allezeit
uͤbel angebrachte Witz des Wirthes Muͤller, die
Poſſen des Aufwaͤrters Petri, der ſchale Duͤnkel
des Schuſters Michaelis, der, weil er auf ei-
ner Stube unter dem Rathhauſe ſizen darf, Herr
Aſſeſſor heißen will, die Pralereyen eines Spielers
von Profeſſion, Namens Oberndorf, dem zur
regelmaͤßigen Uebung dieſer Kunſt weiter nichts
fehlt, als Geld, das hernhutiſche Geſchwaͤtz eines
gewiſſen Strumpfwirkers und andre dergleichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/327>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.