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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Vorstellung, und hatte einige Mal das Vergnü-
gen zu hören, daß sie nach Wunsch gewirkt hatte.
Im eigentlichen Sinn war ich jedoch kein Win-
keladvokat, weil ich nicht jedem aufwartete, der
mich drum ansprach, mich auch in eigentliche
Rechtshändel nicht einließ, und mich in nichts
mischte, worin jemand anders arbeitete.

Ohngefähr im August 1800 erscholl auf ein-
mal das Gerücht in der ganzen Stadt, der Assessor
Rommann oder Kornmann habe eine schwangere
Frau auf dem Rathhaus in der Gerichtsstube der-
maßen gestoßen und getreten, daß sie abortirt ha-
be, und auf der Stelle gestorben sey. Ich hörte
die schöne Geschichte auf dem Rathskeller, glaub-
te aber eben deswegen wenig davon, weil sie gar
zu gräßlich erzählt wurde. Das Gerücht macht
gleich alles größer, besonders in Halle.

Fama malum quo non velocius ullum
Mobilitate viget, viresque adquirit eundo:
Tam ficti pravique tenax quam nuntia veri
Fama loquax, quae veris addere *) falsa
Gaudet et ex minimo sua per mendacia crescit. **)

Indessen mußte doch etwas an der Sache mit
der Insultirung der schwangern Frau seyn, da je-

*) Virg. Aen. L. IV.
**) Ovid. Met. Lib. IX.

Vorſtellung, und hatte einige Mal das Vergnuͤ-
gen zu hoͤren, daß ſie nach Wunſch gewirkt hatte.
Im eigentlichen Sinn war ich jedoch kein Win-
keladvokat, weil ich nicht jedem aufwartete, der
mich drum anſprach, mich auch in eigentliche
Rechtshaͤndel nicht einließ, und mich in nichts
miſchte, worin jemand anders arbeitete.

Ohngefaͤhr im Auguſt 1800 erſcholl auf ein-
mal das Geruͤcht in der ganzen Stadt, der Aſſeſſor
Rommann oder Kornmann habe eine ſchwangere
Frau auf dem Rathhaus in der Gerichtsſtube der-
maßen geſtoßen und getreten, daß ſie abortirt ha-
be, und auf der Stelle geſtorben ſey. Ich hoͤrte
die ſchoͤne Geſchichte auf dem Rathskeller, glaub-
te aber eben deswegen wenig davon, weil ſie gar
zu graͤßlich erzaͤhlt wurde. Das Geruͤcht macht
gleich alles groͤßer, beſonders in Halle.

Fama malum quo non velocius ullum
Mobilitate viget, viresque adquirit eundo:
Tam ficti pravique tenax quam nuntia veri
Fama loquax, quae veris addere *) falſa
Gaudet et ex minimo ſua per mendacia creſcit. **)

Indeſſen mußte doch etwas an der Sache mit
der Inſultirung der ſchwangern Frau ſeyn, da je-

*) Virg. Aen. L. IV.
**) Ovid. Met. Lib. IX.
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[264/0272] Vorſtellung, und hatte einige Mal das Vergnuͤ- gen zu hoͤren, daß ſie nach Wunſch gewirkt hatte. Im eigentlichen Sinn war ich jedoch kein Win- keladvokat, weil ich nicht jedem aufwartete, der mich drum anſprach, mich auch in eigentliche Rechtshaͤndel nicht einließ, und mich in nichts miſchte, worin jemand anders arbeitete. Ohngefaͤhr im Auguſt 1800 erſcholl auf ein- mal das Geruͤcht in der ganzen Stadt, der Aſſeſſor Rommann oder Kornmann habe eine ſchwangere Frau auf dem Rathhaus in der Gerichtsſtube der- maßen geſtoßen und getreten, daß ſie abortirt ha- be, und auf der Stelle geſtorben ſey. Ich hoͤrte die ſchoͤne Geſchichte auf dem Rathskeller, glaub- te aber eben deswegen wenig davon, weil ſie gar zu graͤßlich erzaͤhlt wurde. Das Geruͤcht macht gleich alles groͤßer, beſonders in Halle. Fama malum quo non velocius ullum Mobilitate viget, viresque adquirit eundo: Tam ficti pravique tenax quam nuntia veri Fama loquax, quae veris addere *) falſa Gaudet et ex minimo ſua per mendacia creſcit. **) Indeſſen mußte doch etwas an der Sache mit der Inſultirung der ſchwangern Frau ſeyn, da je- *) Virg. Aen. L. IV. **) Ovid. Met. Lib. IX.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/272>, abgerufen am 28.11.2024.