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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Neun und zwanzigstes Kapitel.

Madame Ilschnerin. Herr Doctor Thieß.



Warum ich dieses Capitel hier einrücke, wird man
verstehen, wenn man es durchgelesen haben wird:
also bitte ich die Leser, nicht gleich beym Anklotzen
der Ueberschrift ein Urtheil zu fällen.

Um die öffentliche Meynung, oder vielmehr
um das öffentliche Geschwätz ist es eine gar seltsame
Sache. Laudatur ab his, culpatur ab illis, sagte
Horatius, und dieses Wort ist auf den Gegenstand
dieses Kapitels sehr anwendbar. Ganz Halle,
und die Gegend weit und breit um Halle kennt die
Frau Ilschnerin, aber die Urtheile derer, welche
sie kennen, sind gar sehr verschieden. Ich mache
hier weder ihren Accusator, noch ihren Apologe-
ten, und erzähle bloß das, was mich in Rücksicht
auf sie angeht, das Uebrige mögen die Leser sich
selbst suppliren.

Vor ohngefähr vier Jahren heyrathete ein ge-
wißer Student *) eine alte Wittwe, welche da-

*) Er läßt sich zwar Commissar nennen: in den Acten aber
heißt er Student, und die Acten dürfen doch in der
Regel
nicht lügen.
Neun und zwanzigſtes Kapitel.

Madame Ilſchnerin. Herr Doctor Thieß.



Warum ich dieſes Capitel hier einruͤcke, wird man
verſtehen, wenn man es durchgeleſen haben wird:
alſo bitte ich die Leſer, nicht gleich beym Anklotzen
der Ueberſchrift ein Urtheil zu faͤllen.

Um die oͤffentliche Meynung, oder vielmehr
um das oͤffentliche Geſchwaͤtz iſt es eine gar ſeltſame
Sache. Laudatur ab his, culpatur ab illis, ſagte
Horatius, und dieſes Wort iſt auf den Gegenſtand
dieſes Kapitels ſehr anwendbar. Ganz Halle,
und die Gegend weit und breit um Halle kennt die
Frau Ilſchnerin, aber die Urtheile derer, welche
ſie kennen, ſind gar ſehr verſchieden. Ich mache
hier weder ihren Accuſator, noch ihren Apologe-
ten, und erzaͤhle bloß das, was mich in Ruͤckſicht
auf ſie angeht, das Uebrige moͤgen die Leſer ſich
ſelbſt ſuppliren.

Vor ohngefaͤhr vier Jahren heyrathete ein ge-
wißer Student *) eine alte Wittwe, welche da-

*) Er laͤßt ſich zwar Commiſſar nennen: in den Acten aber
heißt er Student, und die Acten duͤrfen doch in der
Regel
nicht luͤgen.
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[284/0292] Neun und zwanzigſtes Kapitel. Madame Ilſchnerin. Herr Doctor Thieß. Warum ich dieſes Capitel hier einruͤcke, wird man verſtehen, wenn man es durchgeleſen haben wird: alſo bitte ich die Leſer, nicht gleich beym Anklotzen der Ueberſchrift ein Urtheil zu faͤllen. Um die oͤffentliche Meynung, oder vielmehr um das oͤffentliche Geſchwaͤtz iſt es eine gar ſeltſame Sache. Laudatur ab his, culpatur ab illis, ſagte Horatius, und dieſes Wort iſt auf den Gegenſtand dieſes Kapitels ſehr anwendbar. Ganz Halle, und die Gegend weit und breit um Halle kennt die Frau Ilſchnerin, aber die Urtheile derer, welche ſie kennen, ſind gar ſehr verſchieden. Ich mache hier weder ihren Accuſator, noch ihren Apologe- ten, und erzaͤhle bloß das, was mich in Ruͤckſicht auf ſie angeht, das Uebrige moͤgen die Leſer ſich ſelbſt ſuppliren. Vor ohngefaͤhr vier Jahren heyrathete ein ge- wißer Student *) eine alte Wittwe, welche da- *) Er laͤßt ſich zwar Commiſſar nennen: in den Acten aber heißt er Student, und die Acten duͤrfen doch in der Regel nicht luͤgen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/292>, abgerufen am 24.11.2024.