mals noch reich war, und Madam Ilschnerin war die Hayrathsstifterin. Der Herr Student hatte aber grade kein Geld: denn wenn er sich hätte hel- fen können, würde er sich wohl schwerlich ent- schloßen haben, eine alte an der Krücke schleichende Schachtel zu heyrathen: freylich de gustibus non est disputandum, aber in Hinsicht auf alte Schach- teln ist der Geschmack ziemlich allgemein. Noch vor der Hochzeit veruneinigtr sich der Student und seine Frau Braut mit Madam Ilschnerin, und nun war des Räsonnirens kein Ende von beyden Seiten. Nachdem der Student seine Ehe, wenig- stens vor dem Priester, vollzogen hatte, verklagte er die Frau Ilschnerin, und forderte einige Wech- sel, wodurch er ihr viertausend Thaler verschrieben hatte, zurück. In dem Laufe der Klage ergab sichs, daß die Madam Ilschnerin dem Studenten kein baares Geld gegeben hatte, und daß dieser bloß um zu seinem Zweck zu gelangen, den Wechsel ge- schrieben hatte.
Um diese Zeit wurde ich mit Madam Ilschne- rin bekannt, und fand ein sehr gebildetes Frauen- zimmer in ihrer Person. Da ich mit ihrem Gegner mehrere Geschäfte schon gehabt hatte, so unternahm ich es, einen Vergleich zu Stande zu bringen, und der Gegner war nicht abgeneigt, sich Vorschlä- ge gefallen zu laßen, aber Madam Ilschnerin war
mals noch reich war, und Madam Ilſchnerin war die Hayrathsſtifterin. Der Herr Student hatte aber grade kein Geld: denn wenn er ſich haͤtte hel- fen koͤnnen, wuͤrde er ſich wohl ſchwerlich ent- ſchloßen haben, eine alte an der Kruͤcke ſchleichende Schachtel zu heyrathen: freylich de guſtibus non eſt diſputandum, aber in Hinſicht auf alte Schach- teln iſt der Geſchmack ziemlich allgemein. Noch vor der Hochzeit veruneinigtr ſich der Student und ſeine Frau Braut mit Madam Ilſchnerin, und nun war des Raͤſonnirens kein Ende von beyden Seiten. Nachdem der Student ſeine Ehe, wenig- ſtens vor dem Prieſter, vollzogen hatte, verklagte er die Frau Ilſchnerin, und forderte einige Wech- ſel, wodurch er ihr viertauſend Thaler verſchrieben hatte, zuruͤck. In dem Laufe der Klage ergab ſichs, daß die Madam Ilſchnerin dem Studenten kein baares Geld gegeben hatte, und daß dieſer bloß um zu ſeinem Zweck zu gelangen, den Wechſel ge- ſchrieben hatte.
Um dieſe Zeit wurde ich mit Madam Ilſchne- rin bekannt, und fand ein ſehr gebildetes Frauen- zimmer in ihrer Perſon. Da ich mit ihrem Gegner mehrere Geſchaͤfte ſchon gehabt hatte, ſo unternahm ich es, einen Vergleich zu Stande zu bringen, und der Gegner war nicht abgeneigt, ſich Vorſchlaͤ- ge gefallen zu laßen, aber Madam Ilſchnerin war
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mals noch reich war, und Madam Ilſchnerin war
die Hayrathsſtifterin. Der Herr Student hatte
aber grade kein Geld: denn wenn er ſich haͤtte hel-
fen koͤnnen, wuͤrde er ſich wohl ſchwerlich ent-
ſchloßen haben, eine alte an der Kruͤcke ſchleichende
Schachtel zu heyrathen: freylich de guſtibus non
eſt diſputandum, aber in Hinſicht auf alte Schach-
teln iſt der Geſchmack ziemlich allgemein. Noch
vor der Hochzeit veruneinigtr ſich der Student und
ſeine Frau Braut mit Madam Ilſchnerin, und
nun war des Raͤſonnirens kein Ende von beyden
Seiten. Nachdem der Student ſeine Ehe, wenig-
ſtens vor dem Prieſter, vollzogen hatte, verklagte
er die Frau Ilſchnerin, und forderte einige Wech-
ſel, wodurch er ihr viertauſend Thaler verſchrieben
hatte, zuruͤck. In dem Laufe der Klage ergab
ſichs, daß die Madam Ilſchnerin dem Studenten
kein baares Geld gegeben hatte, und daß dieſer bloß
um zu ſeinem Zweck zu gelangen, den Wechſel ge-
ſchrieben hatte.
Um dieſe Zeit wurde ich mit Madam Ilſchne-
rin bekannt, und fand ein ſehr gebildetes Frauen-
zimmer in ihrer Perſon. Da ich mit ihrem Gegner
mehrere Geſchaͤfte ſchon gehabt hatte, ſo unternahm
ich es, einen Vergleich zu Stande zu bringen,
und der Gegner war nicht abgeneigt, ſich Vorſchlaͤ-
ge gefallen zu laßen, aber Madam Ilſchnerin war
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/293>, abgerufen am 24.11.2024.
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