Das andre Vorurtheil der Studenten in Hin- sicht auf die morgenländische Sprachen erklärt die- selben für überflüßig und unnütz. Ich brauche, heißt es, das alte Testament ja nicht zu verste- hen; genug wenn ich das neue verstehen lerne. Aber die Herren bedenken nicht, daß sie ohne Kennt- niß des Hebraismus, und folglich auch der Arabi- schen Sprache, ohne welche die Hebräische unmög- lich erlernt werden kann, das neue Testament noch viel weniger verstehen können, als ohne Wissen- schaft der Griechischen Sprache. Da hören sie zwar zwey Jahre hinter einander die sogenannte Exegese des neuen Testaments, und wenn sie fertig und recht fleißig gewesen sind, können sie zwar nachbeten, aber nicht gründlich erklären.
Dieses Vorurtheil verstärken die Consistorien auf eine höchst unanständige Weise, indem sie Leute durchlassen, wie man sagt, und als Candidaten approbiren, welche kaum hebräisch lesen können. Dieß ist Unrecht, und vermehrt die Trägheit der Studierenden, welcher doch nach dem Willen des Königes nicht vorgearbeitet werden soll. Da den- ken dann die jungen Herren, sie brauchten ja das jüdische Zeug -- so nennen sie die alte ehrwürdige hebräische Sprache, -- vor dem Consistorium nicht, weßhalben sie dann dieselbe nun noch lernen soll- ten? Es wäre sehr zu wünschen, daß die Exami-
Das andre Vorurtheil der Studenten in Hin- ſicht auf die morgenlaͤndiſche Sprachen erklaͤrt die- ſelben fuͤr uͤberfluͤßig und unnuͤtz. Ich brauche, heißt es, das alte Teſtament ja nicht zu verſte- hen; genug wenn ich das neue verſtehen lerne. Aber die Herren bedenken nicht, daß ſie ohne Kennt- niß des Hebraismus, und folglich auch der Arabi- ſchen Sprache, ohne welche die Hebraͤiſche unmoͤg- lich erlernt werden kann, das neue Teſtament noch viel weniger verſtehen koͤnnen, als ohne Wiſſen- ſchaft der Griechiſchen Sprache. Da hoͤren ſie zwar zwey Jahre hinter einander die ſogenannte Exegeſe des neuen Teſtaments, und wenn ſie fertig und recht fleißig geweſen ſind, koͤnnen ſie zwar nachbeten, aber nicht gruͤndlich erklaͤren.
Dieſes Vorurtheil verſtaͤrken die Conſiſtorien auf eine hoͤchſt unanſtaͤndige Weiſe, indem ſie Leute durchlaſſen, wie man ſagt, und als Candidaten approbiren, welche kaum hebraͤiſch leſen koͤnnen. Dieß iſt Unrecht, und vermehrt die Traͤgheit der Studierenden, welcher doch nach dem Willen des Koͤniges nicht vorgearbeitet werden ſoll. Da den- ken dann die jungen Herren, ſie brauchten ja das juͤdiſche Zeug — ſo nennen ſie die alte ehrwuͤrdige hebraͤiſche Sprache, — vor dem Conſiſtorium nicht, weßhalben ſie dann dieſelbe nun noch lernen ſoll- ten? Es waͤre ſehr zu wuͤnſchen, daß die Exami-
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Das andre Vorurtheil der Studenten in Hin-
ſicht auf die morgenlaͤndiſche Sprachen erklaͤrt die-
ſelben fuͤr uͤberfluͤßig und unnuͤtz. Ich brauche,
heißt es, das alte Teſtament ja nicht zu verſte-
hen; genug wenn ich das neue verſtehen lerne.
Aber die Herren bedenken nicht, daß ſie ohne Kennt-
niß des Hebraismus, und folglich auch der Arabi-
ſchen Sprache, ohne welche die Hebraͤiſche unmoͤg-
lich erlernt werden kann, das neue Teſtament noch
viel weniger verſtehen koͤnnen, als ohne Wiſſen-
ſchaft der Griechiſchen Sprache. Da hoͤren ſie
zwar zwey Jahre hinter einander die ſogenannte
Exegeſe des neuen Teſtaments, und wenn ſie fertig
und recht fleißig geweſen ſind, koͤnnen ſie zwar
nachbeten, aber nicht gruͤndlich erklaͤren.
Dieſes Vorurtheil verſtaͤrken die Conſiſtorien
auf eine hoͤchſt unanſtaͤndige Weiſe, indem ſie Leute
durchlaſſen, wie man ſagt, und als Candidaten
approbiren, welche kaum hebraͤiſch leſen koͤnnen.
Dieß iſt Unrecht, und vermehrt die Traͤgheit der
Studierenden, welcher doch nach dem Willen des
Koͤniges nicht vorgearbeitet werden ſoll. Da den-
ken dann die jungen Herren, ſie brauchten ja das
juͤdiſche Zeug — ſo nennen ſie die alte ehrwuͤrdige
hebraͤiſche Sprache, — vor dem Conſiſtorium nicht,
weßhalben ſie dann dieſelbe nun noch lernen ſoll-
ten? Es waͤre ſehr zu wuͤnſchen, daß die Exami-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/308>, abgerufen am 24.11.2024.
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