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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Macht und Erbarmen Jesus.
oder will dir nicht helfen!" -- Er, der allen half,
keinen, nicht Einen abwies -- und welcher von allen
hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdienst vor Ihm? --
Waren nicht alle und jede Menschen von Erde? Sün-
der? -- Er, der allen half, hilft auch dir, wenn
dir's gegeben ist, mit derselben Glaubenseinfalt zu Ihm
zu nahen, wie's jenen gegeben war -- Oder Er hat kei-
nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt sein
Name auf unsern Lippen, wenn seine Kraft uns nicht
genießbar ist; Oder Er keine Kraft für uns hat? Was
frommet mir eine herrliche Sonne? die alle erleuchtet
nur mich nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und
mich unerwärmt läßt? -- O des Schwärmerglaubens!
Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts
von dem will, der Allwissend, Allmächtig und Allgütig
genennet wird! Schwach seyn und an Deine Allmacht
glauben -- Dürftig seyn und an Dein reinstes, immer
gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner
Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine entscheiden-
de Anwendung auf sich und seine Bedürfnisse machen --
-- Kann das Glauben heissen? Krank seyn, elend seyn,
und an einen Arzt glauben, -- und wohl gar Verach-
tung gegen die äussern, sie bemitleiden und bejammern
die nicht an Ihn glauben -- und dennoch dieses Arztes
nicht wollen -- und sich mit dem Wort einwiegen: Es
ist vielleicht sein Wille nicht! Und dieß Wort jedem sa-
gen, der krank und elend ist -- und auch von der Kunst
und Güte dieses Arztes gehört hat, und zum Glauben
an Ihn erweckt worden ist -- "Es ist vielleicht Ver-

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Macht und Erbarmen Jeſus.
oder will dir nicht helfen!„ — Er, der allen half,
keinen, nicht Einen abwies — und welcher von allen
hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdienſt vor Ihm? —
Waren nicht alle und jede Menſchen von Erde? Sün-
der? — Er, der allen half, hilft auch dir, wenn
dir’s gegeben iſt, mit derſelben Glaubenseinfalt zu Ihm
zu nahen, wie’s jenen gegeben war — Oder Er hat kei-
nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt ſein
Name auf unſern Lippen, wenn ſeine Kraft uns nicht
genießbar iſt; Oder Er keine Kraft für uns hat? Was
frommet mir eine herrliche Sonne? die alle erleuchtet
nur mich nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und
mich unerwärmt läßt? — O des Schwärmerglaubens!
Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts
von dem will, der Allwiſſend, Allmächtig und Allgütig
genennet wird! Schwach ſeyn und an Deine Allmacht
glauben — Dürftig ſeyn und an Dein reinſtes, immer
gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner
Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine entſcheiden-
de Anwendung auf ſich und ſeine Bedürfniſſe machen —
— Kann das Glauben heiſſen? Krank ſeyn, elend ſeyn,
und an einen Arzt glauben, — und wohl gar Verach-
tung gegen die äuſſern, ſie bemitleiden und bejammern
die nicht an Ihn glauben — und dennoch dieſes Arztes
nicht wollen — und ſich mit dem Wort einwiegen: Es
iſt vielleicht ſein Wille nicht! Und dieß Wort jedem ſa-
gen, der krank und elend iſt — und auch von der Kunſt
und Güte dieſes Arztes gehört hat, und zum Glauben
an Ihn erweckt worden iſt — „Es iſt vielleicht Ver-

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[81[101]/0109] Macht und Erbarmen Jeſus. oder will dir nicht helfen!„ — Er, der allen half, keinen, nicht Einen abwies — und welcher von allen hatte Recht auf Ihn? Hatte Verdienſt vor Ihm? — Waren nicht alle und jede Menſchen von Erde? Sün- der? — Er, der allen half, hilft auch dir, wenn dir’s gegeben iſt, mit derſelben Glaubenseinfalt zu Ihm zu nahen, wie’s jenen gegeben war — Oder Er hat kei- nem geholfen, und kann keinem helfen. Was nützt ſein Name auf unſern Lippen, wenn ſeine Kraft uns nicht genießbar iſt; Oder Er keine Kraft für uns hat? Was frommet mir eine herrliche Sonne? die alle erleuchtet nur mich nicht? Vor Jahrhunderten erwärmt hat, und mich unerwärmt läßt? — O des Schwärmerglaubens! Des Schwachglaubens! Des Unglaubens! Der nichts von dem will, der Allwiſſend, Allmächtig und Allgütig genennet wird! Schwach ſeyn und an Deine Allmacht glauben — Dürftig ſeyn und an Dein reinſtes, immer gleiches Wohlwollen glauben, aber weder von Deiner Macht, noch von Deinem Wohlwollen eine entſcheiden- de Anwendung auf ſich und ſeine Bedürfniſſe machen — — Kann das Glauben heiſſen? Krank ſeyn, elend ſeyn, und an einen Arzt glauben, — und wohl gar Verach- tung gegen die äuſſern, ſie bemitleiden und bejammern die nicht an Ihn glauben — und dennoch dieſes Arztes nicht wollen — und ſich mit dem Wort einwiegen: Es iſt vielleicht ſein Wille nicht! Und dieß Wort jedem ſa- gen, der krank und elend iſt — und auch von der Kunſt und Güte dieſes Arztes gehört hat, und zum Glauben an Ihn erweckt worden iſt — „Es iſt vielleicht Ver- meſ- F

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 81[101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/109>, abgerufen am 21.11.2024.