messenheit, wenn du dich, wie jene Hunderte und Tau- sende an Ihn wendest"-- und mit dem Wort sich und andern von Ihm entfernt halten -- Ihn immer unbe- nutzt Arzt seyn lassen und doch unaufhörlich bezeugen, daß man an Ihn glaube, und andere unaufhörlich zum Glauben an Ihn erwecken -- -- Es giebt keinen Wi- derspruch in der Welt mehr, wenn das keiner ist! Und ist ein allgemeinerer, mit der christlichen sogenannten Rechtgläubigkeit mehr zusammen geflochtner Wider- spruch, als dieser? So vereinigt sich -- jämmerlicher Ge- danke! -- So geheißner Glaube mit wirklichem Unglau- ben -- die mit tausend Beschwerden beladene Menschheit von dem Einzigen Arzt und Retter der Menschheit in ei- ner schrecklichen Entfernung zu halten. -- O lies, lies doch, Freund der Wahrheit, mit neuer Kindereinfalt dein Evangelium -- Lies doch alle Monate Einmal die Stel- len von dem helfenden Erbarmen dessen, der deinem Glau- ben, deinem uneingeschränktesten Zutrauen so nahe gelegt, durch alles, was man von Ihm erzählt, so dringend empfohlen wird, und frage dich jedesmahl mit freyem unbefangenem Gemüthe: "Was mag, was muß der Zweck dieser häufigen Nachrichten, dieses Kernes der Evangelischen Geschichte seyn? Für mich -- was wol- len sie? Warum erzählen sie mir das? Was soll mir ein Jesus, der allen andern helfen kann und will -- nur mir und meinen Zeitgenossen, meinen mit und neben mir Dürftigen, und leidenden Brüdern und Schwestern nicht?" -- Laß der gesunden Vernunft, laß deinem Herzen freyen Lauf! Schau nicht zur Rechten, nicht zur Linken! Schau gerade vor dich hin -- Was will das
Evan-
Matthäus VII.
meſſenheit, wenn du dich, wie jene Hunderte und Tau- ſende an Ihn wendeſt„— und mit dem Wort ſich und andern von Ihm entfernt halten — Ihn immer unbe- nutzt Arzt ſeyn laſſen und doch unaufhörlich bezeugen, daß man an Ihn glaube, und andere unaufhörlich zum Glauben an Ihn erwecken — — Es giebt keinen Wi- derſpruch in der Welt mehr, wenn das keiner iſt! Und iſt ein allgemeinerer, mit der chriſtlichen ſogenannten Rechtgläubigkeit mehr zuſammen geflochtner Wider- ſpruch, als dieſer? So vereinigt ſich — jämmerlicher Ge- danke! — So geheißner Glaube mit wirklichem Unglau- ben — die mit tauſend Beſchwerden beladene Menſchheit von dem Einzigen Arzt und Retter der Menſchheit in ei- ner ſchrecklichen Entfernung zu halten. — O lies, lies doch, Freund der Wahrheit, mit neuer Kindereinfalt dein Evangelium — Lies doch alle Monate Einmal die Stel- len von dem helfenden Erbarmen deſſen, der deinem Glau- ben, deinem uneingeſchränkteſten Zutrauen ſo nahe gelegt, durch alles, was man von Ihm erzählt, ſo dringend empfohlen wird, und frage dich jedesmahl mit freyem unbefangenem Gemüthe: „Was mag, was muß der Zweck dieſer häufigen Nachrichten, dieſes Kernes der Evangeliſchen Geſchichte ſeyn? Für mich — was wol- len ſie? Warum erzählen ſie mir das? Was ſoll mir ein Jeſus, der allen andern helfen kann und will — nur mir und meinen Zeitgenoſſen, meinen mit und neben mir Dürftigen, und leidenden Brüdern und Schweſtern nicht?„ — Laß der geſunden Vernunft, laß deinem Herzen freyen Lauf! Schau nicht zur Rechten, nicht zur Linken! Schau gerade vor dich hin — Was will das
Evan-
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[82[102]/0110]
Matthäus VII.
meſſenheit, wenn du dich, wie jene Hunderte und Tau-
ſende an Ihn wendeſt„— und mit dem Wort ſich und
andern von Ihm entfernt halten — Ihn immer unbe-
nutzt Arzt ſeyn laſſen und doch unaufhörlich bezeugen,
daß man an Ihn glaube, und andere unaufhörlich zum
Glauben an Ihn erwecken — — Es giebt keinen Wi-
derſpruch in der Welt mehr, wenn das keiner iſt! Und
iſt ein allgemeinerer, mit der chriſtlichen ſogenannten
Rechtgläubigkeit mehr zuſammen geflochtner Wider-
ſpruch, als dieſer? So vereinigt ſich — jämmerlicher Ge-
danke! — So geheißner Glaube mit wirklichem Unglau-
ben — die mit tauſend Beſchwerden beladene Menſchheit
von dem Einzigen Arzt und Retter der Menſchheit in ei-
ner ſchrecklichen Entfernung zu halten. — O lies, lies
doch, Freund der Wahrheit, mit neuer Kindereinfalt dein
Evangelium — Lies doch alle Monate Einmal die Stel-
len von dem helfenden Erbarmen deſſen, der deinem Glau-
ben, deinem uneingeſchränkteſten Zutrauen ſo nahe gelegt,
durch alles, was man von Ihm erzählt, ſo dringend
empfohlen wird, und frage dich jedesmahl mit freyem
unbefangenem Gemüthe: „Was mag, was muß der
Zweck dieſer häufigen Nachrichten, dieſes Kernes der
Evangeliſchen Geſchichte ſeyn? Für mich — was wol-
len ſie? Warum erzählen ſie mir das? Was ſoll mir ein
Jeſus, der allen andern helfen kann und will — nur
mir und meinen Zeitgenoſſen, meinen mit und neben mir
Dürftigen, und leidenden Brüdern und Schweſtern
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 82[102]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/110>, abgerufen am 16.02.2025.
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