Ein Lehrer ohne Mitleiden mit den Unwissenden, Schwachen, Verirrten ist kein würdiger Lehrer. Je theil- nehmender und mitleidiger mit dem sittlichen Verfalle seiner Gemeine -- desto würdiger Schüler Jesus. Es gehört zu den unerkannten, aber gewiß schrecklichen Seelenleiden Jesus -- das Volk Gottes, die Lieblinge Jehovahs so hirtenlos, so zerstreut und verschmachtend zu erbli- cken. Doch war's Ihm auch wieder Ermunterung--so viele von dem Pharisäischen Stolze verachtete -- aber in Got- tes Augen theure Seelen, wie glimmende Kohlen unter der Asche zu erblicken, die der Geist der Wahrheit und Liebe anzufachen mächtig genug sey! So viel Unkraut -- dennoch so viel guter Saamen! Gottes Acker, die Israelitische Kirche schrecklich verwüstet und überwach- sen -- dennoch ist eine große Erndte zu hoffen. Aber! Es erfordert viele harte Arbeit! Vielen Schweiß! Ver- einigte Kräfte! Und ach! Der Arbeiter sind noch so we- nig -- Bittet den Herrn der Erndte -- den gros- sen Vater alles Guten, alles Einsammlungswürdigen -- der Freude hat an jeder fruchtbaren Aehre -- daß Er muthige, frohe, weise Arbeiter aussende in seine Erndte -- einzusammeln in sein Reich, was unter dem Wuste des Unkrauts noch Gutes, fruchtbar zu machen- des versteckt seyn mag. Allenthalben, meine Freunde -- ist viel Gutes! Der Arbeit viel! Viel -- der Arbei- ter immer weniger, als der Arbeit! Wer Hände hat, arbeite -- und falte diese Hände zu Gott, daß Er ihm Mitarbeiter erwecke. Der Müßigen sind viel -- der treuen und fleißigen Arbeiter, ach! Wie wenig!
Mat-
Matthäus IX.
Ein Lehrer ohne Mitleiden mit den Unwiſſenden, Schwachen, Verirrten iſt kein würdiger Lehrer. Je theil- nehmender und mitleidiger mit dem ſittlichen Verfalle ſeiner Gemeine — deſto würdiger Schüler Jeſus. Es gehört zu den unerkannten, aber gewiß ſchrecklichen Seelenleiden Jeſus — das Volk Gottes, die Lieblinge Jehovahs ſo hirtenlos, ſo zerſtreut und verſchmachtend zu erbli- cken. Doch war’s Ihm auch wieder Ermunterung—ſo viele von dem Phariſäiſchen Stolze verachtete — aber in Got- tes Augen theure Seelen, wie glimmende Kohlen unter der Aſche zu erblicken, die der Geiſt der Wahrheit und Liebe anzufachen mächtig genug ſey! So viel Unkraut — dennoch ſo viel guter Saamen! Gottes Acker, die Iſraelitiſche Kirche ſchrecklich verwüſtet und überwach- ſen — dennoch iſt eine große Erndte zu hoffen. Aber! Es erfordert viele harte Arbeit! Vielen Schweiß! Ver- einigte Kräfte! Und ach! Der Arbeiter ſind noch ſo we- nig — Bittet den Herrn der Erndte — den groſ- ſen Vater alles Guten, alles Einſammlungswürdigen — der Freude hat an jeder fruchtbaren Aehre — daß Er muthige, frohe, weiſe Arbeiter ausſende in ſeine Erndte — einzuſammeln in ſein Reich, was unter dem Wuſte des Unkrauts noch Gutes, fruchtbar zu machen- des verſteckt ſeyn mag. Allenthalben, meine Freunde — iſt viel Gutes! Der Arbeit viel! Viel — der Arbei- ter immer weniger, als der Arbeit! Wer Hände hat, arbeite — und falte dieſe Hände zu Gott, daß Er ihm Mitarbeiter erwecke. Der Müßigen ſind viel — der treuen und fleißigen Arbeiter, ach! Wie wenig!
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[118[138]/0146]
Matthäus IX.
Ein Lehrer ohne Mitleiden mit den Unwiſſenden,
Schwachen, Verirrten iſt kein würdiger Lehrer. Je theil-
nehmender und mitleidiger mit dem ſittlichen Verfalle ſeiner
Gemeine — deſto würdiger Schüler Jeſus. Es gehört zu
den unerkannten, aber gewiß ſchrecklichen Seelenleiden
Jeſus — das Volk Gottes, die Lieblinge Jehovahs
ſo hirtenlos, ſo zerſtreut und verſchmachtend zu erbli-
cken. Doch war’s Ihm auch wieder Ermunterung—ſo viele
von dem Phariſäiſchen Stolze verachtete — aber in Got-
tes Augen theure Seelen, wie glimmende Kohlen unter
der Aſche zu erblicken, die der Geiſt der Wahrheit und
Liebe anzufachen mächtig genug ſey! So viel Unkraut
— dennoch ſo viel guter Saamen! Gottes Acker, die
Iſraelitiſche Kirche ſchrecklich verwüſtet und überwach-
ſen — dennoch iſt eine große Erndte zu hoffen. Aber!
Es erfordert viele harte Arbeit! Vielen Schweiß! Ver-
einigte Kräfte! Und ach! Der Arbeiter ſind noch ſo we-
nig — Bittet den Herrn der Erndte — den groſ-
ſen Vater alles Guten, alles Einſammlungswürdigen
— der Freude hat an jeder fruchtbaren Aehre — daß
Er muthige, frohe, weiſe Arbeiter ausſende in ſeine
Erndte — einzuſammeln in ſein Reich, was unter dem
Wuſte des Unkrauts noch Gutes, fruchtbar zu machen-
des verſteckt ſeyn mag. Allenthalben, meine Freunde
— iſt viel Gutes! Der Arbeit viel! Viel — der Arbei-
ter immer weniger, als der Arbeit! Wer Hände hat,
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 118[138]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/146>, abgerufen am 21.11.2024.
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