Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite
Matthäus X.
83.
Haß um Christus willen.
Matth.
X. 22.

Ihr werdet gehasset werden um meines Na-
mens willen von Jedermann.
Der Jünger Chri-
stus
wird, so liebenswürdig er den guten Menschen ist,
dennoch immer gewissen Menschen ein Gegenstand des Has-
ses seyn; Und das um Christus willen. Die Gott-
selig leben wollen
in Christus Jesus, um sei-
netwillen,
als seine Jünger, die werden irgend eine
Art von Verfolgung auszustehen haben; Sich durch kei-
ne Klugheit und Vorsichtigkeit derselben ganz entziehen
können. Bis auf einen gewissen Grad darf und soll
Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns tu-
gendhaft
seyn -- Aber, drüber hinaus, ist, nach seinem
Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und
von Christus soll dabey, denkt oder sagt er, kein Wort
gesprochen werden. Das Wort, um Christus wil-
len, Christo zu lieb
-- würde bey hundert Weltmen-
schen, die es freylich sehr übel nehmen, wenn man sie
Unchristen nennete -- ein übelangebrachtes, fanatisches,
alles Gute verderbendes Wort seyn. Es ist so wahr,
als etwas wahr ist: Je näher einer Christus ist,
desto ferner ist er der Welt; Je ähnlicher Chri-
stus, desto unähnlicher der Welt; Je unähnli-
cher der Welt, desto verachteter desto gehaßter
von der Welt.
-- Doch sey dabey das allen Lesern auf die
Seele gelegt: Wer Christus Jüngern um Christus wil-
len, weil er Christus auf den Lippen und im Herzen hat,

haßt,
Matthäus X.
83.
Haß um Chriſtus willen.
Matth.
X. 22.

Ihr werdet gehaſſet werden um meines Na-
mens willen von Jedermann.
Der Jünger Chri-
ſtus
wird, ſo liebenswürdig er den guten Menſchen iſt,
dennoch immer gewiſſen Menſchen ein Gegenſtand des Haſ-
ſes ſeyn; Und das um Chriſtus willen. Die Gott-
ſelig leben wollen
in Chriſtus Jeſus, um ſei-
netwillen,
als ſeine Jünger, die werden irgend eine
Art von Verfolgung auszuſtehen haben; Sich durch kei-
ne Klugheit und Vorſichtigkeit derſelben ganz entziehen
können. Bis auf einen gewiſſen Grad darf und ſoll
Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns tu-
gendhaft
ſeyn — Aber, drüber hinaus, iſt, nach ſeinem
Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und
von Chriſtus ſoll dabey, denkt oder ſagt er, kein Wort
geſprochen werden. Das Wort, um Chriſtus wil-
len, Chriſto zu lieb
— würde bey hundert Weltmen-
ſchen, die es freylich ſehr übel nehmen, wenn man ſie
Unchriſten nennete — ein übelangebrachtes, fanatiſches,
alles Gute verderbendes Wort ſeyn. Es iſt ſo wahr,
als etwas wahr iſt: Je näher einer Chriſtus iſt,
deſto ferner iſt er der Welt; Je ähnlicher Chri-
ſtus, deſto unähnlicher der Welt; Je unähnli-
cher der Welt, deſto verachteter deſto gehaßter
von der Welt.
— Doch ſey dabey das allen Leſern auf die
Seele gelegt: Wer Chriſtus Jüngern um Chriſtus wil-
len, weil er Chriſtus auf den Lippen und im Herzen hat,

haßt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0154" n="126[146]"/>
          <fw place="top" type="header">Matthäus <hi rendition="#aq">X.</hi></fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>83.<lb/>
Haß um Chri&#x017F;tus willen.</head><lb/>
            <note place="left">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">X.</hi> 22.</note>
            <p><hi rendition="#fr">Ihr werdet geha&#x017F;&#x017F;et werden um meines Na-<lb/>
mens willen von Jedermann.</hi> Der Jünger <hi rendition="#fr">Chri-<lb/>
&#x017F;tus</hi> wird, &#x017F;o liebenswürdig er den guten Men&#x017F;chen i&#x017F;t,<lb/>
dennoch immer gewi&#x017F;&#x017F;en Men&#x017F;chen ein Gegen&#x017F;tand des Ha&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;eyn; Und das <hi rendition="#fr">um Chri&#x017F;tus</hi> willen. <hi rendition="#fr">Die Gott-<lb/>
&#x017F;elig leben wollen</hi> in <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Chri&#x017F;tus Je&#x017F;us</hi>,</hi> um <hi rendition="#fr">&#x017F;ei-<lb/>
netwillen,</hi> als <hi rendition="#fr">&#x017F;eine</hi> Jünger, die werden irgend eine<lb/>
Art von Verfolgung auszu&#x017F;tehen haben; Sich durch kei-<lb/>
ne Klugheit und Vor&#x017F;ichtigkeit der&#x017F;elben ganz entziehen<lb/>
können. Bis auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en Grad darf und &#x017F;oll<lb/>
Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns <hi rendition="#fr">tu-<lb/>
gendhaft</hi> &#x017F;eyn &#x2014; Aber, drüber hinaus, i&#x017F;t, nach &#x017F;einem<lb/>
Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und<lb/>
von <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> &#x017F;oll dabey, denkt oder &#x017F;agt er, kein Wort<lb/>
ge&#x017F;prochen werden. Das Wort, <hi rendition="#fr">um Chri&#x017F;tus wil-<lb/>
len, Chri&#x017F;to zu lieb</hi> &#x2014; würde bey hundert Weltmen-<lb/>
&#x017F;chen, die es freylich &#x017F;ehr übel nehmen, wenn man &#x017F;ie<lb/>
Unchri&#x017F;ten nennete &#x2014; ein übelangebrachtes, fanati&#x017F;ches,<lb/>
alles Gute verderbendes Wort &#x017F;eyn. Es i&#x017F;t &#x017F;o wahr,<lb/>
als etwas wahr i&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Je näher einer Chri&#x017F;tus i&#x017F;t,<lb/>
de&#x017F;to ferner i&#x017F;t er der Welt; Je ähnlicher Chri-<lb/>
&#x017F;tus, de&#x017F;to unähnlicher der Welt; Je unähnli-<lb/>
cher der Welt, de&#x017F;to verachteter de&#x017F;to gehaßter<lb/>
von der Welt.</hi> &#x2014; Doch &#x017F;ey dabey das allen Le&#x017F;ern auf die<lb/>
Seele gelegt: Wer <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> Jüngern um Chri&#x017F;tus wil-<lb/>
len, weil er Chri&#x017F;tus auf den Lippen und im Herzen hat,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">haßt,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126[146]/0154] Matthäus X. 83. Haß um Chriſtus willen. Ihr werdet gehaſſet werden um meines Na- mens willen von Jedermann. Der Jünger Chri- ſtus wird, ſo liebenswürdig er den guten Menſchen iſt, dennoch immer gewiſſen Menſchen ein Gegenſtand des Haſ- ſes ſeyn; Und das um Chriſtus willen. Die Gott- ſelig leben wollen in Chriſtus Jeſus, um ſei- netwillen, als ſeine Jünger, die werden irgend eine Art von Verfolgung auszuſtehen haben; Sich durch kei- ne Klugheit und Vorſichtigkeit derſelben ganz entziehen können. Bis auf einen gewiſſen Grad darf und ſoll Jedermann, auch vor den Augen des Weltmanns tu- gendhaft ſeyn — Aber, drüber hinaus, iſt, nach ſeinem Urtheile, wider alle Vernunft und gute Sitten. Und von Chriſtus ſoll dabey, denkt oder ſagt er, kein Wort geſprochen werden. Das Wort, um Chriſtus wil- len, Chriſto zu lieb — würde bey hundert Weltmen- ſchen, die es freylich ſehr übel nehmen, wenn man ſie Unchriſten nennete — ein übelangebrachtes, fanatiſches, alles Gute verderbendes Wort ſeyn. Es iſt ſo wahr, als etwas wahr iſt: Je näher einer Chriſtus iſt, deſto ferner iſt er der Welt; Je ähnlicher Chri- ſtus, deſto unähnlicher der Welt; Je unähnli- cher der Welt, deſto verachteter deſto gehaßter von der Welt. — Doch ſey dabey das allen Leſern auf die Seele gelegt: Wer Chriſtus Jüngern um Chriſtus wil- len, weil er Chriſtus auf den Lippen und im Herzen hat, haßt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/154
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 126[146]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/154>, abgerufen am 24.11.2024.