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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XII.
Seelen sind harte Worte -- O ihr, die ihr dieß leset,
Nahe, Ferne, Bekannte, Unbekannte! Gemeindsge-
nossen! Prediger! Lehrer! Schriftsteller! -- Ihr mit
mir, Ich mit euch -- Laßt uns unsre Worte wägen!
Die Worte, die wir sprechen, die, so wir schreiben
-- dürfen wir sie vor den Ohren Christus schreiben oder
aussprechen? Warum anders reden oder schreiben, als
wir's verantworten können? Wenn wir unsere Worte
nicht wägen, so werden wir unsre Thaten und Gesinnun-
gen nicht wägen! Wer Worte hinterhalten kann, die
die Leidenschaft gleich Pfeilen abdrucken will, kann jede
Leidenschaft bezähmen. Wer in der Rede nicht feh-
let, der ist ein vollkommener Mann, mächtig,
auch den ganzen Leib im Zaum zu halten
-- Ich
bitte, liebe Leser, schlaget die ganze Stelle nach im Briefe
des heiligen Jakobus im dritten Kapitel, vom ersten
Vers bis zum zwölften. Keine faule Rede geh' aus
unserm Munde, sondern welche gut ist, und zu
nothwendiger Erbauung dienet -- daß es ange-
nehm sey denen, die uns hören.

107.
Jonas und Christus.

Etliche unter den Schriftgelehrten und Pha-
Matth.
XII. 38-40.
risäern sprachen: Meister! Wir wollten gern ein
Zeichen von Dir sehen. Und Er antwortete und
sprach zu ihnen: Das böse und ehebrecherische
Geschlecht suchet ein Zeichen, und es wird ihm
kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen

des

Matthäus XII.
Seelen ſind harte Worte — O ihr, die ihr dieß leſet,
Nahe, Ferne, Bekannte, Unbekannte! Gemeindsge-
noſſen! Prediger! Lehrer! Schriftſteller! — Ihr mit
mir, Ich mit euch — Laßt uns unſre Worte wägen!
Die Worte, die wir ſprechen, die, ſo wir ſchreiben
— dürfen wir ſie vor den Ohren Chriſtus ſchreiben oder
ausſprechen? Warum anders reden oder ſchreiben, als
wir’s verantworten können? Wenn wir unſere Worte
nicht wägen, ſo werden wir unſre Thaten und Geſinnun-
gen nicht wägen! Wer Worte hinterhalten kann, die
die Leidenſchaft gleich Pfeilen abdrucken will, kann jede
Leidenſchaft bezähmen. Wer in der Rede nicht feh-
let, der iſt ein vollkommener Mann, mächtig,
auch den ganzen Leib im Zaum zu halten
— Ich
bitte, liebe Leſer, ſchlaget die ganze Stelle nach im Briefe
des heiligen Jakobus im dritten Kapitel, vom erſten
Vers bis zum zwölften. Keine faule Rede geh’ aus
unſerm Munde, ſondern welche gut iſt, und zu
nothwendiger Erbauung dienet — daß es ange-
nehm ſey denen, die uns hören.

107.
Jonas und Chriſtus.

Etliche unter den Schriftgelehrten und Pha-
Matth.
XII. 38-40.
riſäern ſprachen: Meiſter! Wir wollten gern ein
Zeichen von Dir ſehen. Und Er antwortete und
ſprach zu ihnen: Das böſe und ehebrecheriſche
Geſchlecht ſuchet ein Zeichen, und es wird ihm
kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen

des
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[168[188]/0196] Matthäus XII. Seelen ſind harte Worte — O ihr, die ihr dieß leſet, Nahe, Ferne, Bekannte, Unbekannte! Gemeindsge- noſſen! Prediger! Lehrer! Schriftſteller! — Ihr mit mir, Ich mit euch — Laßt uns unſre Worte wägen! Die Worte, die wir ſprechen, die, ſo wir ſchreiben — dürfen wir ſie vor den Ohren Chriſtus ſchreiben oder ausſprechen? Warum anders reden oder ſchreiben, als wir’s verantworten können? Wenn wir unſere Worte nicht wägen, ſo werden wir unſre Thaten und Geſinnun- gen nicht wägen! Wer Worte hinterhalten kann, die die Leidenſchaft gleich Pfeilen abdrucken will, kann jede Leidenſchaft bezähmen. Wer in der Rede nicht feh- let, der iſt ein vollkommener Mann, mächtig, auch den ganzen Leib im Zaum zu halten — Ich bitte, liebe Leſer, ſchlaget die ganze Stelle nach im Briefe des heiligen Jakobus im dritten Kapitel, vom erſten Vers bis zum zwölften. Keine faule Rede geh’ aus unſerm Munde, ſondern welche gut iſt, und zu nothwendiger Erbauung dienet — daß es ange- nehm ſey denen, die uns hören. 107. Jonas und Chriſtus. Etliche unter den Schriftgelehrten und Pha- riſäern ſprachen: Meiſter! Wir wollten gern ein Zeichen von Dir ſehen. Und Er antwortete und ſprach zu ihnen: Das böſe und ehebrecheriſche Geſchlecht ſuchet ein Zeichen, und es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen des Matth. XII. 38-40.

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 168[188]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/196>, abgerufen am 28.11.2024.