gel beschauet, und nachdem er sich beschaut hat, davon weggeht, und vergißt wie er gestaltet war. Wer aber durchschauet in das vollkomme- ne Gesetz der Freyheit, und darinn beharret, und ist nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Thä- ter desselben, wird seelig seyn in seinem Thun. Keine Schriftstelle ist vielleicht bekannter als diese. Sie ist so bekannt, daß man sie kaum mehr anführen darf; So bekannt daß man sich keine Mühe mehr geben mag, sie zu beherzigen. Sie sa[gt] uns nichts neues, und doch sollte sie jedem von uns so neu seyn, wie möglich. Wer von uns, Brüder! lieset das Wort Gottes, in der Absicht, es zu thun, und es zur Richtschnur seines Le- bens zu machen? Wer forscht darinn, wie der Kran- ke, dem es um Rettung seines Lebens zu thun ist, in einem Arzneybuch lies't und forscht? Wie der Wande- rer nach dem Wege forscht dessen er unkundig ist, und den er gehen muß und gehen will? So, Brüder, sollen und wollen wir die Schrift lesen; Täglich einen Schritt weiter -- näher zum Ziele! Täglich laßt uns etwas ablegen und bezwingen, was die göttliche Lehre an uns nicht duldet! Täglich etwas beylegen, woran uns Gott als seines Sohnes Geschwister, als seine Kinder und Ebenbilder erkennen kann.
115. Des
Ungleiches Hören des Wortes.
gel beſchauet, und nachdem er ſich beſchaut hat, davon weggeht, und vergißt wie er geſtaltet war. Wer aber durchſchauet in das vollkomme- ne Geſetz der Freyheit, und darinn beharret, und iſt nicht ein vergeßlicher Hörer, ſondern ein Thä- ter deſſelben, wird ſeelig ſeyn in ſeinem Thun. Keine Schriftſtelle iſt vielleicht bekannter als dieſe. Sie iſt ſo bekannt, daß man ſie kaum mehr anführen darf; So bekannt daß man ſich keine Mühe mehr geben mag, ſie zu beherzigen. Sie ſa[gt] uns nichts neues, und doch ſollte ſie jedem von uns ſo neu ſeyn, wie möglich. Wer von uns, Brüder! lieſet das Wort Gottes, in der Abſicht, es zu thun, und es zur Richtſchnur ſeines Le- bens zu machen? Wer forſcht darinn, wie der Kran- ke, dem es um Rettung ſeines Lebens zu thun iſt, in einem Arzneybuch lieſ’t und forſcht? Wie der Wande- rer nach dem Wege forſcht deſſen er unkundig iſt, und den er gehen muß und gehen will? So, Brüder, ſollen und wollen wir die Schrift leſen; Täglich einen Schritt weiter — näher zum Ziele! Täglich laßt uns etwas ablegen und bezwingen, was die göttliche Lehre an uns nicht duldet! Täglich etwas beylegen, woran uns Gott als ſeines Sohnes Geſchwiſter, als ſeine Kinder und Ebenbilder erkennen kann.
115. Des
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[187[207]/0215]
Ungleiches Hören des Wortes.
gel beſchauet, und nachdem er ſich beſchaut hat,
davon weggeht, und vergißt wie er geſtaltet
war. Wer aber durchſchauet in das vollkomme-
ne Geſetz der Freyheit, und darinn beharret, und
iſt nicht ein vergeßlicher Hörer, ſondern ein Thä-
ter deſſelben, wird ſeelig ſeyn in ſeinem Thun. Keine
Schriftſtelle iſt vielleicht bekannter als dieſe. Sie iſt ſo
bekannt, daß man ſie kaum mehr anführen darf; So
bekannt daß man ſich keine Mühe mehr geben mag, ſie
zu beherzigen. Sie ſagt uns nichts neues, und doch
ſollte ſie jedem von uns ſo neu ſeyn, wie möglich. Wer
von uns, Brüder! lieſet das Wort Gottes, in der
Abſicht, es zu thun, und es zur Richtſchnur ſeines Le-
bens zu machen? Wer forſcht darinn, wie der Kran-
ke, dem es um Rettung ſeines Lebens zu thun iſt, in
einem Arzneybuch lieſ’t und forſcht? Wie der Wande-
rer nach dem Wege forſcht deſſen er unkundig iſt,
und den er gehen muß und gehen will? So, Brüder,
ſollen und wollen wir die Schrift leſen; Täglich einen
Schritt weiter — näher zum Ziele! Täglich laßt uns
etwas ablegen und bezwingen, was die göttliche Lehre
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115. Des
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 187[207]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/215>, abgerufen am 04.12.2024.
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