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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Aergerniß der Schwachen. Ehrfurcht etc.
ihr Feuer nicht verlöscht. Und so dich dein Aug'
ärgert; So reiß es aus und wirf es von dir;
Es ist dir besser daß du Einäugig in das Leben
eingehest, denn daß du zwey Augen habest, und
in das höllische Feuer geworfen werdest. Se-
het zu daß ihr keinen dieser Kleinen verachtet.
Denn Ich sage euch: Ihre Engel im Himmel se-
hen allezeit das Angesicht meines Vaters, der in
den Himmeln ist. Denn des Menschen Sohn ist
gekommen das Verlohrne seelig zu machen.
Was
Jesus Christus retten will, das richte du nicht zu Grunde;
Was Er annimmt, das verwirf du nicht! Was Er hoch-
achtet, das achte du nicht gering! Wem Er nachgehet, das
vernachläßige du nicht! Das was in den Augen der
Welt und Weltweisheit gering und unbedeutend scheint,
ein schwacher gutmüthiger Mensch, ein schuld- und hülf-
loses Kind -- ist theuer und wichtig in seinen Augen.
Einem guten, schwachen Menschen etwas in den Weg
legen, einen Stein des Anstosses; Ihm Glauben und
Tugend erschwehren -- oder ihn ärgern, ist in den Au-
gen Christus eine ungeheure Sünde -- Ein Verbre-
chen, wovor Er nicht genug warnen kann. Wir haben
oben schon viel vom Aergerniß -- oder der Verführung
zur Sünde, geredet. Das was Jesus Christus
Sünde
heißt, muß etwas Entsetzliches seyn, weil
Er so grosse Opfer fodert -- weil Er so ernstlich auf
die Ueberwindung und Bemeisterung der Sünde dringt.
Unüberwindlich verlohren ist, nach seinem Ausspruche
der, der sich keine Gewalt anthun mag -- und durch

seine
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Aergerniß der Schwachen. Ehrfurcht ꝛc.
ihr Feuer nicht verlöſcht. Und ſo dich dein Aug’
ärgert; So reiß es aus und wirf es von dir;
Es iſt dir beſſer daß du Einäugig in das Leben
eingeheſt, denn daß du zwey Augen habeſt, und
in das hölliſche Feuer geworfen werdeſt. Se-
het zu daß ihr keinen dieſer Kleinen verachtet.
Denn Ich ſage euch: Ihre Engel im Himmel ſe-
hen allezeit das Angeſicht meines Vaters, der in
den Himmeln iſt. Denn des Menſchen Sohn iſt
gekommen das Verlohrne ſeelig zu machen.
Was
Jeſus Chriſtus retten will, das richte du nicht zu Grunde;
Was Er annimmt, das verwirf du nicht! Was Er hoch-
achtet, das achte du nicht gering! Wem Er nachgehet, das
vernachläßige du nicht! Das was in den Augen der
Welt und Weltweisheit gering und unbedeutend ſcheint,
ein ſchwacher gutmüthiger Menſch, ein ſchuld- und hülf-
loſes Kind — iſt theuer und wichtig in ſeinen Augen.
Einem guten, ſchwachen Menſchen etwas in den Weg
legen, einen Stein des Anſtoſſes; Ihm Glauben und
Tugend erſchwehren — oder ihn ärgern, iſt in den Au-
gen Chriſtus eine ungeheure Sünde — Ein Verbre-
chen, wovor Er nicht genug warnen kann. Wir haben
oben ſchon viel vom Aergerniß — oder der Verführung
zur Sünde, geredet. Das was Jeſus Chriſtus
Sünde
heißt, muß etwas Entſetzliches ſeyn, weil
Er ſo groſſe Opfer fodert — weil Er ſo ernſtlich auf
die Ueberwindung und Bemeiſterung der Sünde dringt.
Unüberwindlich verlohren iſt, nach ſeinem Ausſpruche
der, der ſich keine Gewalt anthun mag — und durch

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[259[279]/0287] Aergerniß der Schwachen. Ehrfurcht ꝛc. ihr Feuer nicht verlöſcht. Und ſo dich dein Aug’ ärgert; So reiß es aus und wirf es von dir; Es iſt dir beſſer daß du Einäugig in das Leben eingeheſt, denn daß du zwey Augen habeſt, und in das hölliſche Feuer geworfen werdeſt. Se- het zu daß ihr keinen dieſer Kleinen verachtet. Denn Ich ſage euch: Ihre Engel im Himmel ſe- hen allezeit das Angeſicht meines Vaters, der in den Himmeln iſt. Denn des Menſchen Sohn iſt gekommen das Verlohrne ſeelig zu machen. Was Jeſus Chriſtus retten will, das richte du nicht zu Grunde; Was Er annimmt, das verwirf du nicht! Was Er hoch- achtet, das achte du nicht gering! Wem Er nachgehet, das vernachläßige du nicht! Das was in den Augen der Welt und Weltweisheit gering und unbedeutend ſcheint, ein ſchwacher gutmüthiger Menſch, ein ſchuld- und hülf- loſes Kind — iſt theuer und wichtig in ſeinen Augen. Einem guten, ſchwachen Menſchen etwas in den Weg legen, einen Stein des Anſtoſſes; Ihm Glauben und Tugend erſchwehren — oder ihn ärgern, iſt in den Au- gen Chriſtus eine ungeheure Sünde — Ein Verbre- chen, wovor Er nicht genug warnen kann. Wir haben oben ſchon viel vom Aergerniß — oder der Verführung zur Sünde, geredet. Das was Jeſus Chriſtus Sünde heißt, muß etwas Entſetzliches ſeyn, weil Er ſo groſſe Opfer fodert — weil Er ſo ernſtlich auf die Ueberwindung und Bemeiſterung der Sünde dringt. Unüberwindlich verlohren iſt, nach ſeinem Ausſpruche der, der ſich keine Gewalt anthun mag — und durch ſeine R 2

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 259[279]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/287>, abgerufen am 26.11.2024.