hin in den Weinberg; Und was recht seyn wird, soll euch werden. Da es nun Abend ward, sprach der Herr des Weinberges zu seinem Schaffner: Rufe den Arbeitern, und gieb ihnen den Lohn, und hebe an den Letzten bis zu den Ersten. Da kamen, die um die eilfte Stunde gedinget waren, und empfiengen ein jeglicher seinen Groschen. Da aber die Ersten kamen, meyneten sie, sie wür- den mehr empfahen; Und sie empfiengen auch ein jeglicher seinen Groschen. Und da sie den empfiengen, murreten sie wider den Hausvater und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stun- de gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und Hitze getragen ha- ben. Er antwortete aber und sprach zu einem unter ihnen: Mein Freund, ich thue dir nicht unrecht. Bist du nicht mit mir eins worden um einen Groschen? Nimm was dein ist und gehe hin. Ich will aber diesen Letzten geben gleich wie dir. Oder hab' ich nicht Macht zu thun, was ich will mit den Meinen? Siehest du darum scheel daß ich so gütig bin. Also werden die Er- sten die Letzten seyn, und die Letzten die Ersten. Denn viel sind berufen, aber wenig sind aus- erwählt.
Die Lehren, die in dieser Parabel liegen, sind fol- gende:
1. Gott beruft mit freyer Willkühr die Menschen zur Arbeit in seinen Weinberg -- das heißt zu Aemtern
in
T 3
Gerechte und willkührliche Belohnung.
hin in den Weinberg; Und was recht ſeyn wird, ſoll euch werden. Da es nun Abend ward, ſprach der Herr des Weinberges zu ſeinem Schaffner: Rufe den Arbeitern, und gieb ihnen den Lohn, und hebe an den Letzten bis zu den Erſten. Da kamen, die um die eilfte Stunde gedinget waren, und empfiengen ein jeglicher ſeinen Groſchen. Da aber die Erſten kamen, meyneten ſie, ſie wür- den mehr empfahen; Und ſie empfiengen auch ein jeglicher ſeinen Groſchen. Und da ſie den empfiengen, murreten ſie wider den Hausvater und ſprachen: Dieſe Letzten haben nur eine Stun- de gearbeitet, und du haſt ſie uns gleich gemacht, die wir des Tages Laſt und Hitze getragen ha- ben. Er antwortete aber und ſprach zu einem unter ihnen: Mein Freund, ich thue dir nicht unrecht. Biſt du nicht mit mir eins worden um einen Groſchen? Nimm was dein iſt und gehe hin. Ich will aber dieſen Letzten geben gleich wie dir. Oder hab’ ich nicht Macht zu thun, was ich will mit den Meinen? Sieheſt du darum ſcheel daß ich ſo gütig bin. Alſo werden die Er- ſten die Letzten ſeyn, und die Letzten die Erſten. Denn viel ſind berufen, aber wenig ſind aus- erwählt.
Die Lehren, die in dieſer Parabel liegen, ſind fol- gende:
1. Gott beruft mit freyer Willkühr die Menſchen zur Arbeit in ſeinen Weinberg — das heißt zu Aemtern
in
T 3
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[293[313]/0321]
Gerechte und willkührliche Belohnung.
hin in den Weinberg; Und was recht ſeyn wird,
ſoll euch werden. Da es nun Abend ward, ſprach
der Herr des Weinberges zu ſeinem Schaffner:
Rufe den Arbeitern, und gieb ihnen den Lohn,
und hebe an den Letzten bis zu den Erſten. Da
kamen, die um die eilfte Stunde gedinget waren,
und empfiengen ein jeglicher ſeinen Groſchen.
Da aber die Erſten kamen, meyneten ſie, ſie wür-
den mehr empfahen; Und ſie empfiengen auch
ein jeglicher ſeinen Groſchen. Und da ſie den
empfiengen, murreten ſie wider den Hausvater
und ſprachen: Dieſe Letzten haben nur eine Stun-
de gearbeitet, und du haſt ſie uns gleich gemacht,
die wir des Tages Laſt und Hitze getragen ha-
ben. Er antwortete aber und ſprach zu einem
unter ihnen: Mein Freund, ich thue dir nicht
unrecht. Biſt du nicht mit mir eins worden um
einen Groſchen? Nimm was dein iſt und gehe
hin. Ich will aber dieſen Letzten geben gleich
wie dir. Oder hab’ ich nicht Macht zu thun, was
ich will mit den Meinen? Sieheſt du darum
ſcheel daß ich ſo gütig bin. Alſo werden die Er-
ſten die Letzten ſeyn, und die Letzten die Erſten.
Denn viel ſind berufen, aber wenig ſind aus-
erwählt.
Die Lehren, die in dieſer Parabel liegen, ſind fol-
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1. Gott beruft mit freyer Willkühr die Menſchen
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 293[313]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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