Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.Stein von Bauleuten verworfen. schehen! Und es ist ein Wunder in unsern Augen.Ich mögte nur einmahl dieß Räthsel aufgelöset wissen -- wie ist dieß Wort Jesu so wahr geworden, wenn Jesus nicht ein göttlicher Mann war? Man stehe un- ter das Creutz, und sehe Jesus -- von den Bauleuten so sehr, wie möglich, verworfen; Seh' Ihn in der Mitte zwischen zween Verbrechern -- diese nicht verhöhnt, nur Ihn -- und nun diese zween neben Ihm nicht angebethet, nur Ihn! Man stehe un- ter das Creutz -- und denke bis auf den Moment, da dieß geschrieben oder gelesen wird -- und frage sich: Ob etwas unwahrscheinlicheres zu erdenken sey, als: "dieser &q;angeheftete Jesus da in der Mitte -- der schweigt, &q;und unter der Aufschrift: König der Juden sich &q;nicht regt -- wenn eine -- wenn seine Nation durch &q;den Mund ihrer Priesterschaft -- (furchtbares Bild &q;aller Zeiten!) Ihm zuruft -- Bist du Christus! &q;So steig von Creutz herab, und wir wollen dir &q;glauben" wird nach siebenzehenhundert Jahren zu Zürich &q;und an tausend andern Orten von Europa gerade so &q;wie die Gottheit öffentlich verehrt, angebethet, und als &q;das würdigste Ziel der edelsten Gemüthsbewegungen, &q;des Glaubens, der Hofnung, der Liebe verkün- &q;diget werden -- Alle, die in den Staub hinabfah- &q;ren, werden ihre Knie vor Ihm beugen -- Ihm &q;werden Millionen Sterbende ihre Seelen empfehlen" -- Und siehe! Dieß ist geschehen und geschieht täglich. Es leugnen, heißt die helle Sonne am Himmel leugnen -- und der Spötter spottet fort -- und unterdrückt die bange X 3
Stein von Bauleuten verworfen. ſchehen! Und es iſt ein Wunder in unſern Augen.Ich mögte nur einmahl dieß Räthſel aufgelöſet wiſſen — wie iſt dieß Wort Jeſu ſo wahr geworden, wenn Jeſus nicht ein göttlicher Mann war? Man ſtehe un- ter das Creutz, und ſehe Jeſus — von den Bauleuten ſo ſehr, wie möglich, verworfen; Seh’ Ihn in der Mitte zwiſchen zween Verbrechern — dieſe nicht verhöhnt, nur Ihn — und nun dieſe zween neben Ihm nicht angebethet, nur Ihn! Man ſtehe un- ter das Creutz — und denke bis auf den Moment, da dieß geſchrieben oder geleſen wird — und frage ſich: Ob etwas unwahrſcheinlicheres zu erdenken ſey, als: „dieſer &q;angeheftete Jeſus da in der Mitte — der ſchweigt, &q;und unter der Aufſchrift: König der Juden ſich &q;nicht regt — wenn eine — wenn ſeine Nation durch &q;den Mund ihrer Prieſterſchaft — (furchtbares Bild &q;aller Zeiten!) Ihm zuruft — Biſt du Chriſtus! &q;So ſteig von Creutz herab, und wir wollen dir &q;glauben„ wird nach ſiebenzehenhundert Jahren zu Zürich &q;und an tauſend andern Orten von Europa gerade ſo &q;wie die Gottheit öffentlich verehrt, angebethet, und als &q;das würdigſte Ziel der edelſten Gemüthsbewegungen, &q;des Glaubens, der Hofnung, der Liebe verkün- &q;diget werden — Alle, die in den Staub hinabfah- &q;ren, werden ihre Knie vor Ihm beugen — Ihm &q;werden Millionen Sterbende ihre Seelen empfehlen„ — Und ſiehe! Dieß iſt geſchehen und geſchieht täglich. Es leugnen, heißt die helle Sonne am Himmel leugnen — und der Spötter ſpottet fort — und unterdrückt die bange X 3
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Stein von Bauleuten verworfen.
ſchehen! Und es iſt ein Wunder in unſern Augen.
Ich mögte nur einmahl dieß Räthſel aufgelöſet wiſſen
— wie iſt dieß Wort Jeſu ſo wahr geworden, wenn
Jeſus nicht ein göttlicher Mann war? Man ſtehe un-
ter das Creutz, und ſehe Jeſus — von den Bauleuten
ſo ſehr, wie möglich, verworfen; Seh’ Ihn in der
Mitte zwiſchen zween Verbrechern — dieſe nicht
verhöhnt, nur Ihn — und nun dieſe zween neben
Ihm nicht angebethet, nur Ihn! Man ſtehe un-
ter das Creutz — und denke bis auf den Moment, da
dieß geſchrieben oder geleſen wird — und frage ſich: Ob
etwas unwahrſcheinlicheres zu erdenken ſey, als: „dieſer
&q;angeheftete Jeſus da in der Mitte — der ſchweigt,
&q;und unter der Aufſchrift: König der Juden ſich
&q;nicht regt — wenn eine — wenn ſeine Nation durch
&q;den Mund ihrer Prieſterſchaft — (furchtbares Bild
&q;aller Zeiten!) Ihm zuruft — Biſt du Chriſtus!
&q;So ſteig von Creutz herab, und wir wollen dir
&q;glauben„ wird nach ſiebenzehenhundert Jahren zu Zürich
&q;und an tauſend andern Orten von Europa gerade ſo
&q;wie die Gottheit öffentlich verehrt, angebethet, und als
&q;das würdigſte Ziel der edelſten Gemüthsbewegungen,
&q;des Glaubens, der Hofnung, der Liebe verkün-
&q;diget werden — Alle, die in den Staub hinabfah-
&q;ren, werden ihre Knie vor Ihm beugen — Ihm
&q;werden Millionen Sterbende ihre Seelen empfehlen„ —
Und ſiehe! Dieß iſt geſchehen und geſchieht täglich. Es
leugnen, heißt die helle Sonne am Himmel leugnen —
und der Spötter ſpottet fort — und unterdrückt die
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