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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXI.
Stein von den Bauleuten verworfen, ist zum
Eck- und Fundamentstein geworden.
Wenn die
heutigen Feinde des Christenthums die Gnade hätten, zu
sehen, was geschehen ist; So würden sie auch die
Gnade haben, zu erkennen, was geschehen wird.
Thatsache
ist's, die wie ein Donnerschlag den nach-
denkenden Ungläubigen in Bestürzung setzen sollte: Dieß
Wort, vor Jahrhunderten ausgesprochen, ist über alles
Denken und Erwarten wahr geworden. Thatsache ist's
-- der gekreuzigte Nazarener Jesus ist der öffentlichste
allgemeinste Gegenstand der Religion. Unter allen We-
sen, die je als Gottheiten verehrt worden sind, ist kei-
nes so öffentlich, so allgemein, so lange, so sehr
verehrt worden, wie Jesus, und keines von allen ward
je so sehr verachtet, verworfen, zertreten. Von keinem
war es so unwahrscheinlich, daß es so hoch verehrt
werden würde, und von keinem ist es so gewiß.

Mögte das euch, Unchristen unruhig -- euch Chri-
sten ruhig machen! Ja! Ruhig! Christen -- wenn's noch
Jahrhunderte währen sollte, bis sich dieß Wort ganz
erfüllt! Wer konnte, wer durfte, da es ausgesprochen
ward -- wer von den Feinden, wer von den Freunden
Jesu erwarten, daß es so wahr werden würde, als
es itzt 1782 schon wahr ist? Und doch ist's! Ja! Es
ist's! Laßt uns feststehen, und den Spötter spotten, und
den Lacher lachen, und den Verfolger verfolgen, und
den Weisen dieser Welt uns Narren nennen lassen! Der
Stein, von Bauleuten verworfen, ist zu einem
Fundamentstein worden! Vom Herrn ist's ge-

sche-

Matthäus XXI.
Stein von den Bauleuten verworfen, iſt zum
Eck- und Fundamentſtein geworden.
Wenn die
heutigen Feinde des Chriſtenthums die Gnade hätten, zu
ſehen, was geſchehen iſt; So würden ſie auch die
Gnade haben, zu erkennen, was geſchehen wird.
Thatſache
iſt’s, die wie ein Donnerſchlag den nach-
denkenden Ungläubigen in Beſtürzung ſetzen ſollte: Dieß
Wort, vor Jahrhunderten ausgeſprochen, iſt über alles
Denken und Erwarten wahr geworden. Thatſache iſt’s
— der gekreuzigte Nazarener Jeſus iſt der öffentlichſte
allgemeinſte Gegenſtand der Religion. Unter allen We-
ſen, die je als Gottheiten verehrt worden ſind, iſt kei-
nes ſo öffentlich, ſo allgemein, ſo lange, ſo ſehr
verehrt worden, wie Jeſus, und keines von allen ward
je ſo ſehr verachtet, verworfen, zertreten. Von keinem
war es ſo unwahrſcheinlich, daß es ſo hoch verehrt
werden würde, und von keinem iſt es ſo gewiß.

Mögte das euch, Unchriſten unruhig — euch Chri-
ſten ruhig machen! Ja! Ruhig! Chriſten — wenn’s noch
Jahrhunderte währen ſollte, bis ſich dieß Wort ganz
erfüllt! Wer konnte, wer durfte, da es ausgeſprochen
ward — wer von den Feinden, wer von den Freunden
Jeſu erwarten, daß es ſo wahr werden würde, als
es itzt 1782 ſchon wahr iſt? Und doch iſt’s! Ja! Es
iſt’s! Laßt uns feſtſtehen, und den Spötter ſpotten, und
den Lacher lachen, und den Verfolger verfolgen, und
den Weiſen dieſer Welt uns Narren nennen laſſen! Der
Stein, von Bauleuten verworfen, iſt zu einem
Fundamentſtein worden! Vom Herrn iſt’s ge-

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[324[344]/0352] Matthäus XXI. Stein von den Bauleuten verworfen, iſt zum Eck- und Fundamentſtein geworden. Wenn die heutigen Feinde des Chriſtenthums die Gnade hätten, zu ſehen, was geſchehen iſt; So würden ſie auch die Gnade haben, zu erkennen, was geſchehen wird. Thatſache iſt’s, die wie ein Donnerſchlag den nach- denkenden Ungläubigen in Beſtürzung ſetzen ſollte: Dieß Wort, vor Jahrhunderten ausgeſprochen, iſt über alles Denken und Erwarten wahr geworden. Thatſache iſt’s — der gekreuzigte Nazarener Jeſus iſt der öffentlichſte allgemeinſte Gegenſtand der Religion. Unter allen We- ſen, die je als Gottheiten verehrt worden ſind, iſt kei- nes ſo öffentlich, ſo allgemein, ſo lange, ſo ſehr verehrt worden, wie Jeſus, und keines von allen ward je ſo ſehr verachtet, verworfen, zertreten. Von keinem war es ſo unwahrſcheinlich, daß es ſo hoch verehrt werden würde, und von keinem iſt es ſo gewiß. Mögte das euch, Unchriſten unruhig — euch Chri- ſten ruhig machen! Ja! Ruhig! Chriſten — wenn’s noch Jahrhunderte währen ſollte, bis ſich dieß Wort ganz erfüllt! Wer konnte, wer durfte, da es ausgeſprochen ward — wer von den Feinden, wer von den Freunden Jeſu erwarten, daß es ſo wahr werden würde, als es itzt 1782 ſchon wahr iſt? Und doch iſt’s! Ja! Es iſt’s! Laßt uns feſtſtehen, und den Spötter ſpotten, und den Lacher lachen, und den Verfolger verfolgen, und den Weiſen dieſer Welt uns Narren nennen laſſen! Der Stein, von Bauleuten verworfen, iſt zu einem Fundamentſtein worden! Vom Herrn iſt’s ge- ſche-

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 324[344]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/352>, abgerufen am 23.11.2024.