wie unglaublich schwehr ist dieses Bekenntniß! Wer dann nicht wankend wird, wer dann treu und standhaft bleibt, wer sich dann durchkämpft und durchduldet -- der ist der ächte Christ -- der von Engeln bewunderte Genoß des Reiches und der Trübsal Jesu. O laßt uns nicht stoltz seyn, sondern uns fürchten! Nicht auf unsre Ohnmacht, sondern auf die Kraft des Allmächtigen trauen! Noch wissen wir nicht, was das heißt, um Christus willen Trübsal leiden, um seines Namens wil- len verfolget werden. Ach, sage nicht: Und wenn ich Matth. XXVI. 34. 35.auch mit Ihm sterben müßte, so will ich Ihn doch nicht verläugnen!
Eine der schrecklichsten Folgen überhandnehmender Irreligiosität, und des Unglaubens und Christushas- ses ist die Erkaltung der Liebe -- die Erstickung der natürlichsten, innigsten, edelsten Empfindungen des menschlichen Herzens, die Zerreissung der süssesten, und heiligsten Bande der menschlichen Gesellschaft. Eltern, Kinder, Geschwister, Blutsfreunde kennen einander nicht mehr, wüthen gegen einander wie Fremdlinge -- treten alle Anmuth und Erbärmde mit ehernen Füs- sen und werden einander Henker und Mörder. Wer Christum hasset, dem ist das Heiligste profan, das Lieb- ste ein Ziel des Hasses und der Rache, der hat das Schwerdt gegen Vater und Mutter, gegen Sohn und Tochter ausgezogen.
183.
Matthäus XXIV.
wie unglaublich ſchwehr iſt dieſes Bekenntniß! Wer dann nicht wankend wird, wer dann treu und ſtandhaft bleibt, wer ſich dann durchkämpft und durchduldet — der iſt der ächte Chriſt — der von Engeln bewunderte Genoß des Reiches und der Trübſal Jeſu. O laßt uns nicht ſtoltz ſeyn, ſondern uns fürchten! Nicht auf unſre Ohnmacht, ſondern auf die Kraft des Allmächtigen trauen! Noch wiſſen wir nicht, was das heißt, um Chriſtus willen Trübſal leiden, um ſeines Namens wil- len verfolget werden. Ach, ſage nicht: Und wenn ich Matth. XXVI. 34. 35.auch mit Ihm ſterben müßte, ſo will ich Ihn doch nicht verläugnen!
Eine der ſchrecklichſten Folgen überhandnehmender Irreligioſität, und des Unglaubens und Chriſtushaſ- ſes iſt die Erkaltung der Liebe — die Erſtickung der natürlichſten, innigſten, edelſten Empfindungen des menſchlichen Herzens, die Zerreiſſung der ſüſſeſten, und heiligſten Bande der menſchlichen Geſellſchaft. Eltern, Kinder, Geſchwiſter, Blutsfreunde kennen einander nicht mehr, wüthen gegen einander wie Fremdlinge — treten alle Anmuth und Erbärmde mit ehernen Füſ- ſen und werden einander Henker und Mörder. Wer Chriſtum haſſet, dem iſt das Heiligſte profan, das Lieb- ſte ein Ziel des Haſſes und der Rache, der hat das Schwerdt gegen Vater und Mutter, gegen Sohn und Tochter ausgezogen.
183.
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[388[408]/0416]
Matthäus XXIV.
wie unglaublich ſchwehr iſt dieſes Bekenntniß! Wer
dann nicht wankend wird, wer dann treu und ſtandhaft
bleibt, wer ſich dann durchkämpft und durchduldet —
der iſt der ächte Chriſt — der von Engeln bewunderte
Genoß des Reiches und der Trübſal Jeſu. O laßt uns
nicht ſtoltz ſeyn, ſondern uns fürchten! Nicht auf unſre
Ohnmacht, ſondern auf die Kraft des Allmächtigen
trauen! Noch wiſſen wir nicht, was das heißt, um
Chriſtus willen Trübſal leiden, um ſeines Namens wil-
len verfolget werden. Ach, ſage nicht: Und wenn ich
auch mit Ihm ſterben müßte, ſo will ich Ihn doch
nicht verläugnen!
Matth.
XXVI. 34.
35.
Eine der ſchrecklichſten Folgen überhandnehmender
Irreligioſität, und des Unglaubens und Chriſtushaſ-
ſes iſt die Erkaltung der Liebe — die Erſtickung
der natürlichſten, innigſten, edelſten Empfindungen des
menſchlichen Herzens, die Zerreiſſung der ſüſſeſten, und
heiligſten Bande der menſchlichen Geſellſchaft. Eltern,
Kinder, Geſchwiſter, Blutsfreunde kennen einander
nicht mehr, wüthen gegen einander wie Fremdlinge —
treten alle Anmuth und Erbärmde mit ehernen Füſ-
ſen und werden einander Henker und Mörder. Wer
Chriſtum haſſet, dem iſt das Heiligſte profan, das Lieb-
ſte ein Ziel des Haſſes und der Rache, der hat das
Schwerdt gegen Vater und Mutter, gegen Sohn und
Tochter ausgezogen.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 388[408]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/416>, abgerufen am 23.11.2024.
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