bemerkter von Ihm. Je miskannter, misdeuteter Et- was Gutes an einem guten Menschen ist, desto ge- schätzter, gewürdigter von Jhm.
3. Durch nichts werden gute Menschen so leicht schlimm, als wenn ihre unschuldige, Einfaltsvollen, gut- gemeinten Handlungen von Gefühllosen und scharfzün- gigen Menschen verurtheilt werden. Durch nichts wer- den gute Menschen besser, als wenn die geheimsten Ab- sichten, oder Triebfedern ihrer Thaten, die sie selbst nicht deutlich erkannten, von einem guten Menschen in eben dem Augenblicke, da sie schief und boshaft beurtheilt werden, mit entscheidender Weisheit zu Tage geleget werden.
4. Wer einen guten Menschen ehrt, weil er gut ist, ehrt in seiner Person die Tugend selbst -- und al- les, was gut ist, es sey, wo es wolle. Wer Christus, den besten Menschen ehrt, ehrt Religion und Tugend.
5. Christus, der Gesalbte ward gesalbet -- ge- salbt in jedem Sinne, auf alle Weise -- von Gott und Menschen, lebend, sterbend, todt. Alles, was ihm dem Scheine nach, ganz zufälliger Weise wiederfuhr ---- hatte sinnbildliche Beziehung auf seinen Hauptcharakter, Alles sollte daran erinnern, darauf aufmerksam machen.
6. Die guten Thaten der Menschen, die mit Ein- falt und Liebe geschehen, haben größtentheils viel mehr Bedeutung, viel mehr Folgen, und sind einer weit bes- sern Auslegung fähig, als der, welcher sie verrichtet, selbst glauben kann. Wie konnte die gute Maria
daran
Salbung Chriſti.
bemerkter von Ihm. Je miskannter, misdeuteter Et- was Gutes an einem guten Menſchen iſt, deſto ge- ſchätzter, gewürdigter von Jhm.
3. Durch nichts werden gute Menſchen ſo leicht ſchlimm, als wenn ihre unſchuldige, Einfaltsvollen, gut- gemeinten Handlungen von Gefühlloſen und ſcharfzün- gigen Menſchen verurtheilt werden. Durch nichts wer- den gute Menſchen beſſer, als wenn die geheimſten Ab- ſichten, oder Triebfedern ihrer Thaten, die ſie ſelbſt nicht deutlich erkannten, von einem guten Menſchen in eben dem Augenblicke, da ſie ſchief und boshaft beurtheilt werden, mit entſcheidender Weisheit zu Tage geleget werden.
4. Wer einen guten Menſchen ehrt, weil er gut iſt, ehrt in ſeiner Perſon die Tugend ſelbſt — und al- les, was gut iſt, es ſey, wo es wolle. Wer Chriſtus, den beſten Menſchen ehrt, ehrt Religion und Tugend.
5. Chriſtus, der Geſalbte ward geſalbet — ge- ſalbt in jedem Sinne, auf alle Weiſe — von Gott und Menſchen, lebend, ſterbend, todt. Alles, was ihm dem Scheine nach, ganz zufälliger Weiſe wiederfuhr —— hatte ſinnbildliche Beziehung auf ſeinen Hauptcharakter, Alles ſollte daran erinnern, darauf aufmerkſam machen.
6. Die guten Thaten der Menſchen, die mit Ein- falt und Liebe geſchehen, haben größtentheils viel mehr Bedeutung, viel mehr Folgen, und ſind einer weit beſ- ſern Auslegung fähig, als der, welcher ſie verrichtet, ſelbſt glauben kann. Wie konnte die gute Maria
daran
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[443[463]/0471]
Salbung Chriſti.
bemerkter von Ihm. Je miskannter, misdeuteter Et-
was Gutes an einem guten Menſchen iſt, deſto ge-
ſchätzter, gewürdigter von Jhm.
3. Durch nichts werden gute Menſchen ſo leicht
ſchlimm, als wenn ihre unſchuldige, Einfaltsvollen, gut-
gemeinten Handlungen von Gefühlloſen und ſcharfzün-
gigen Menſchen verurtheilt werden. Durch nichts wer-
den gute Menſchen beſſer, als wenn die geheimſten Ab-
ſichten, oder Triebfedern ihrer Thaten, die ſie ſelbſt nicht
deutlich erkannten, von einem guten Menſchen in eben
dem Augenblicke, da ſie ſchief und boshaft beurtheilt
werden, mit entſcheidender Weisheit zu Tage geleget
werden.
4. Wer einen guten Menſchen ehrt, weil er gut
iſt, ehrt in ſeiner Perſon die Tugend ſelbſt — und al-
les, was gut iſt, es ſey, wo es wolle. Wer Chriſtus,
den beſten Menſchen ehrt, ehrt Religion und Tugend.
5. Chriſtus, der Geſalbte ward geſalbet — ge-
ſalbt in jedem Sinne, auf alle Weiſe — von Gott und
Menſchen, lebend, ſterbend, todt. Alles, was ihm dem
Scheine nach, ganz zufälliger Weiſe wiederfuhr ——
hatte ſinnbildliche Beziehung auf ſeinen Hauptcharakter,
Alles ſollte daran erinnern, darauf aufmerkſam machen.
6. Die guten Thaten der Menſchen, die mit Ein-
falt und Liebe geſchehen, haben größtentheils viel mehr
Bedeutung, viel mehr Folgen, und ſind einer weit beſ-
ſern Auslegung fähig, als der, welcher ſie verrichtet,
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 443[463]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/471>, abgerufen am 23.11.2024.
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