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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus XXVI.

Was Er andern thun heißt, thut Er selber. Er
ist Beyspiel in allem. Er bethet -- weil Er weiß:
Bethen giebt entweder Macht das Leiden zu
entsernen, oder Kraft dasselbe zu tragen.
Wer
nicht bethet, vermag keines von beyden. Bethen, sein
Herz zu Gott erheben -- Sich im Geiste den als ge-
genwärtig, als nahe denken, durch den man alles ver-
mag -- bethen, sein Herz leeren, niederlegen seine
Lasten vor dem Unsichtbaren, Allmächtigen -- das von
Ihm erwarten, was man weder von sich noch von der
ganzen Natur erwarten kann -- das war unsers Herrn
Stärke, dadurch setzte Er sich in Stand, unter der Last,
die sich mit jedem Augenblick schwehrer auf Ihn wälzte
nicht zu erliegen. -- Einsam bethen -- Sich losreis-
sen von seinen Jüngern will Er -- um desto unzerstreu-
ter, desto inniger mit Gott zu reden -- und vielleicht
auch, um sie durch den nahen Anblick seines Jammers
nicht zu sehr leiden zu machen.

215.
Seelenangst Jesu.
Matth.
XXVI.
37-44.

Und Er nahm zu sich Petrum und die zween
Söhne Zebedäi, und fieng an zu trauren und zu
zagen. Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele
ist betrübt bis an den Tod; Bleibet hie und wa-
chet mit Mir. Und gieng hin ein wenig, fiel
nieder auf sein Angesicht, und bethete, und sprach:
Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch
von Mir; doch nicht wie ich will, sondern wie

Du
Matthäus XXVI.

Was Er andern thun heißt, thut Er ſelber. Er
iſt Beyſpiel in allem. Er bethet — weil Er weiß:
Bethen giebt entweder Macht das Leiden zu
entſernen, oder Kraft daſſelbe zu tragen.
Wer
nicht bethet, vermag keines von beyden. Bethen, ſein
Herz zu Gott erheben — Sich im Geiſte den als ge-
genwärtig, als nahe denken, durch den man alles ver-
mag — bethen, ſein Herz leeren, niederlegen ſeine
Laſten vor dem Unſichtbaren, Allmächtigen — das von
Ihm erwarten, was man weder von ſich noch von der
ganzen Natur erwarten kann — das war unſers Herrn
Stärke, dadurch ſetzte Er ſich in Stand, unter der Laſt,
die ſich mit jedem Augenblick ſchwehrer auf Ihn wälzte
nicht zu erliegen. — Einſam bethen — Sich losreiſ-
ſen von ſeinen Jüngern will Er — um deſto unzerſtreu-
ter, deſto inniger mit Gott zu reden — und vielleicht
auch, um ſie durch den nahen Anblick ſeines Jammers
nicht zu ſehr leiden zu machen.

215.
Seelenangſt Jeſu.
Matth.
XXVI.
37-44.

Und Er nahm zu ſich Petrum und die zween
Söhne Zebedäi, und fieng an zu trauren und zu
zagen. Da ſprach Jeſus zu ihnen: Meine Seele
iſt betrübt bis an den Tod; Bleibet hie und wa-
chet mit Mir. Und gieng hin ein wenig, fiel
nieder auf ſein Angeſicht, und bethete, und ſprach:
Mein Vater, iſt’s möglich, ſo gehe dieſer Kelch
von Mir; doch nicht wie ich will, ſondern wie

Du
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[460[480]/0488] Matthäus XXVI. Was Er andern thun heißt, thut Er ſelber. Er iſt Beyſpiel in allem. Er bethet — weil Er weiß: Bethen giebt entweder Macht das Leiden zu entſernen, oder Kraft daſſelbe zu tragen. Wer nicht bethet, vermag keines von beyden. Bethen, ſein Herz zu Gott erheben — Sich im Geiſte den als ge- genwärtig, als nahe denken, durch den man alles ver- mag — bethen, ſein Herz leeren, niederlegen ſeine Laſten vor dem Unſichtbaren, Allmächtigen — das von Ihm erwarten, was man weder von ſich noch von der ganzen Natur erwarten kann — das war unſers Herrn Stärke, dadurch ſetzte Er ſich in Stand, unter der Laſt, die ſich mit jedem Augenblick ſchwehrer auf Ihn wälzte nicht zu erliegen. — Einſam bethen — Sich losreiſ- ſen von ſeinen Jüngern will Er — um deſto unzerſtreu- ter, deſto inniger mit Gott zu reden — und vielleicht auch, um ſie durch den nahen Anblick ſeines Jammers nicht zu ſehr leiden zu machen. 215. Seelenangſt Jeſu. Und Er nahm zu ſich Petrum und die zween Söhne Zebedäi, und fieng an zu trauren und zu zagen. Da ſprach Jeſus zu ihnen: Meine Seele iſt betrübt bis an den Tod; Bleibet hie und wa- chet mit Mir. Und gieng hin ein wenig, fiel nieder auf ſein Angeſicht, und bethete, und ſprach: Mein Vater, iſt’s möglich, ſo gehe dieſer Kelch von Mir; doch nicht wie ich will, ſondern wie Du

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 460[480]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/488>, abgerufen am 23.11.2024.