Zu der Stunde sprach Jesus zu den Schaa-Matth. XXVI. 55. 56. ren: Ihr seyd ausgegangen, als zu einem Mör- der, mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fahen. Bin Ich doch täglich gesessen bey euch, und habe gelehret im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen. Aber das ist alles ge- schehen, daß erfüllet würden die Schriften der Propheten. Da verliessen Ihn alle Jünger und flohen.
Nun also ist der Befreyer Israels gebunden. Er hat seine wohlthätigen Hände dem scharfen Stricke hin- gegeben. Der Auferwecker vom Tode sieht sich gerade so, wie das Haupt einer Räuberbande behandelt. Der waffenlose König Israels wird von seinem Volke des Nachts gewaltsam überfallen -- und verlassen von al- len Geliebten, von Gott selbst, wie es scheinet, ver- lassen -- als eine Schande der Menschheit fortgeführt. Ja wohl war dieß eine besondere Stunde des Bösen -- Eine Stunde des Schweigens Gottes und des Ge- schreys der Menschen. Ja wohl! War das Macht und Gewalt der Finsterniß, der Lichtscheuen boshaf- ten Kräfte. Diese sollten nun auf einmahl sich erstaun- lich entwickeln, äussern und in Gährung kommen; Er sollte das Opfer davon seyn. Der Fürst dieser Welt, der zwar gar nichts an Ihm zu suchen, kein Recht auf Ihn hatte, sollte nun, nach seinem Wahne, die oberste
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Wort Jeſu an die Schaar.
217. Wort Jeſu an die Schaar.
Zu der Stunde ſprach Jeſus zu den Schaa-Matth. XXVI. 55. 56. ren: Ihr ſeyd ausgegangen, als zu einem Mör- der, mit Schwertern und mit Stangen, mich zu fahen. Bin Ich doch täglich geſeſſen bey euch, und habe gelehret im Tempel, und ihr habt mich nicht gegriffen. Aber das iſt alles ge- ſchehen, daß erfüllet würden die Schriften der Propheten. Da verlieſſen Ihn alle Jünger und flohen.
Nun alſo iſt der Befreyer Iſraels gebunden. Er hat ſeine wohlthätigen Hände dem ſcharfen Stricke hin- gegeben. Der Auferwecker vom Tode ſieht ſich gerade ſo, wie das Haupt einer Räuberbande behandelt. Der waffenloſe König Iſraels wird von ſeinem Volke des Nachts gewaltſam überfallen — und verlaſſen von al- len Geliebten, von Gott ſelbſt, wie es ſcheinet, ver- laſſen — als eine Schande der Menſchheit fortgeführt. Ja wohl war dieß eine beſondere Stunde des Böſen — Eine Stunde des Schweigens Gottes und des Ge- ſchreys der Menſchen. Ja wohl! War das Macht und Gewalt der Finſterniß, der Lichtſcheuen boshaf- ten Kräfte. Dieſe ſollten nun auf einmahl ſich erſtaun- lich entwickeln, äuſſern und in Gährung kommen; Er ſollte das Opfer davon ſeyn. Der Fürſt dieſer Welt, der zwar gar nichts an Ihm zu ſuchen, kein Recht auf Ihn hatte, ſollte nun, nach ſeinem Wahne, die oberſte
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[471[491]/0499]
Wort Jeſu an die Schaar.
217.
Wort Jeſu an die Schaar.
Zu der Stunde ſprach Jeſus zu den Schaa-
ren: Ihr ſeyd ausgegangen, als zu einem Mör-
der, mit Schwertern und mit Stangen, mich
zu fahen. Bin Ich doch täglich geſeſſen bey
euch, und habe gelehret im Tempel, und ihr
habt mich nicht gegriffen. Aber das iſt alles ge-
ſchehen, daß erfüllet würden die Schriften der
Propheten. Da verlieſſen Ihn alle Jünger und
flohen.
Matth.
XXVI.
55. 56.
Nun alſo iſt der Befreyer Iſraels gebunden. Er
hat ſeine wohlthätigen Hände dem ſcharfen Stricke hin-
gegeben. Der Auferwecker vom Tode ſieht ſich gerade
ſo, wie das Haupt einer Räuberbande behandelt. Der
waffenloſe König Iſraels wird von ſeinem Volke des
Nachts gewaltſam überfallen — und verlaſſen von al-
len Geliebten, von Gott ſelbſt, wie es ſcheinet, ver-
laſſen — als eine Schande der Menſchheit fortgeführt.
Ja wohl war dieß eine beſondere Stunde des Böſen
— Eine Stunde des Schweigens Gottes und des Ge-
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und Gewalt der Finſterniß, der Lichtſcheuen boshaf-
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 471[491]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/499>, abgerufen am 23.11.2024.
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