Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.Falsche Zeugen. sche Kundschaft wider Jesum. Falsche Kundschaft wi-der einen Unschuldigen suchen... Welche Schande für die Menschheit, daß das der Menschheit möglich ist... Freude haben an Lüge; Vergnügen an der Falschheit -- ist's zuviel wann wir dieß Satanisch heissen? Mord- sucht und Freud' an Lüge, zwey furchtbare, beynahe un- zertrennliche Laster. Wen das eine berühren kann, den faßt das andere bey der Hand. Erst fanden die nieder- trächtigen Sucher nicht, was sie so gern gefunden hät- ten. Sie hatten darauf gerechnet, unter dem Gesindel, das sich des Nachts zur Gefangennehmung Jesu gebrau- chen ließ, gewiß Leute genug zu finden, die um ein gu- tes Wort, und eine geringe Belohnung sich leicht dazu verstehen würden, wider Jesum alles mögliche Nach- theilige, Falsche oder Halbwahre öffentlich auszusagen. Wer sich zur Lüge oder Verläumdung dingen läßt, oder einen andern zur Berläumdung der Unschuld bestechen oder bereden kann, steht auf der tiefsten Stufe der Ge- wissenlosigkeit. Selbst die listigen und mordsüchtigen Priester hatten Mühe, unter dem verworfensten Pöbel einige gleichredende falsche Zeugen wider Jesum aufzu- finden. Wie niedrig, wie unerträglich sich selbst muß- ten sie sich besonders in den Augenblicken vorkommen, da sie diese suchten, und nicht sogleich fanden. Wie mußte ihnen das Gewissen die Frage zurufen: Was suchet ihr? "Soll der Richter erst die Unschuld wie ei- &q;nen Mörder, in der Nacht überfallen lassen, und &q;wenn sie gebunden vor ihm steht -- falsche Zeugen &q;wider sie suchen?" Zuletzt
Falſche Zeugen. ſche Kundſchaft wider Jeſum. Falſche Kundſchaft wi-der einen Unſchuldigen ſuchen... Welche Schande für die Menſchheit, daß das der Menſchheit möglich iſt... Freude haben an Lüge; Vergnügen an der Falſchheit — iſt’s zuviel wann wir dieß Sataniſch heiſſen? Mord- ſucht und Freud’ an Lüge, zwey furchtbare, beynahe un- zertrennliche Laſter. Wen das eine berühren kann, den faßt das andere bey der Hand. Erſt fanden die nieder- trächtigen Sucher nicht, was ſie ſo gern gefunden hät- ten. Sie hatten darauf gerechnet, unter dem Geſindel, das ſich des Nachts zur Gefangennehmung Jeſu gebrau- chen ließ, gewiß Leute genug zu finden, die um ein gu- tes Wort, und eine geringe Belohnung ſich leicht dazu verſtehen würden, wider Jeſum alles mögliche Nach- theilige, Falſche oder Halbwahre öffentlich auszuſagen. Wer ſich zur Lüge oder Verläumdung dingen läßt, oder einen andern zur Berläumdung der Unſchuld beſtechen oder bereden kann, ſteht auf der tiefſten Stufe der Ge- wiſſenloſigkeit. Selbſt die liſtigen und mordſüchtigen Prieſter hatten Mühe, unter dem verworfenſten Pöbel einige gleichredende falſche Zeugen wider Jeſum aufzu- finden. Wie niedrig, wie unerträglich ſich ſelbſt muß- ten ſie ſich beſonders in den Augenblicken vorkommen, da ſie dieſe ſuchten, und nicht ſogleich fanden. Wie mußte ihnen das Gewiſſen die Frage zurufen: Was ſuchet ihr? „Soll der Richter erſt die Unſchuld wie ei- &q;nen Mörder, in der Nacht überfallen laſſen, und &q;wenn ſie gebunden vor ihm ſteht — falſche Zeugen &q;wider ſie ſuchen?„ Zuletzt
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Falſche Zeugen.
ſche Kundſchaft wider Jeſum. Falſche Kundſchaft wi-
der einen Unſchuldigen ſuchen... Welche Schande für
die Menſchheit, daß das der Menſchheit möglich iſt...
Freude haben an Lüge; Vergnügen an der Falſchheit —
iſt’s zuviel wann wir dieß Sataniſch heiſſen? Mord-
ſucht und Freud’ an Lüge, zwey furchtbare, beynahe un-
zertrennliche Laſter. Wen das eine berühren kann, den
faßt das andere bey der Hand. Erſt fanden die nieder-
trächtigen Sucher nicht, was ſie ſo gern gefunden hät-
ten. Sie hatten darauf gerechnet, unter dem Geſindel,
das ſich des Nachts zur Gefangennehmung Jeſu gebrau-
chen ließ, gewiß Leute genug zu finden, die um ein gu-
tes Wort, und eine geringe Belohnung ſich leicht dazu
verſtehen würden, wider Jeſum alles mögliche Nach-
theilige, Falſche oder Halbwahre öffentlich auszuſagen.
Wer ſich zur Lüge oder Verläumdung dingen läßt, oder
einen andern zur Berläumdung der Unſchuld beſtechen
oder bereden kann, ſteht auf der tiefſten Stufe der Ge-
wiſſenloſigkeit. Selbſt die liſtigen und mordſüchtigen
Prieſter hatten Mühe, unter dem verworfenſten Pöbel
einige gleichredende falſche Zeugen wider Jeſum aufzu-
finden. Wie niedrig, wie unerträglich ſich ſelbſt muß-
ten ſie ſich beſonders in den Augenblicken vorkommen,
da ſie dieſe ſuchten, und nicht ſogleich fanden. Wie
mußte ihnen das Gewiſſen die Frage zurufen: Was
ſuchet ihr? „Soll der Richter erſt die Unſchuld wie ei-
&q;nen Mörder, in der Nacht überfallen laſſen, und
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