Die Hohenpriester aber und Aeltesten, und der ganze Rath, sucheten falsch Zeugniß wider Jesum, auf daß sie Ihn tödeten; Und funden keins. Und wiewohl viel falsche Zeugen herzu- traten, funden sie doch keins. Zuletzt traten herzu zween falsche Zeugen, und sprachen: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes abbre- chen, und in dreyen Tagen denselben bauen. Oder nach Markus: Ich will diesen Tempel, der mit Händen gemacht ist, zerstöhren, und in dreyen Tagen einen andern bauen, der nicht mit Hän- den gemacht ist.
Ein ungerechteres und gesetzloseres Betragen läßt sich wohl schwehrlich von einem ganzen Collegium von Richtern gedenken. Sie gehen mit Mordsucht schwan- ger. Von Mordsucht ist ihre ganze Seele voll -- Ihre Mordsucht aber verhehlen sie sich, und wollen solche vor Gott und Menschen verhehlen. Kein Mensch kann das Laster, als solches liebgewinnen, und in Schutz neh- men. Man muß ihm immer den Mantel der Unschuld oder der Gerechtigkeit umhängen. Die Jüdische Prie- sterschaft will morden, -- und sucht der Mordsucht ein anständiges Gewand, in welchem sie, schön wie die Gerechtigkeit, einhergehen soll. Aber schon dieß Suchen war die Ungerechtigkeit selbst. Es war ihnen um nichts weniger, als um Wahrheit zu thun. Sie suchten fal-
sche
Matthäus XXVI.
221. Falſche Zeugen.
Matth. XXVI. 59-63.
Die Hohenprieſter aber und Aelteſten, und der ganze Rath, ſucheten falſch Zeugniß wider Jeſum, auf daß ſie Ihn tödeten; Und funden keins. Und wiewohl viel falſche Zeugen herzu- traten, funden ſie doch keins. Zuletzt traten herzu zween falſche Zeugen, und ſprachen: Er hat geſagt: Ich kann den Tempel Gottes abbre- chen, und in dreyen Tagen denſelben bauen. Oder nach Markus: Ich will dieſen Tempel, der mit Händen gemacht iſt, zerſtöhren, und in dreyen Tagen einen andern bauen, der nicht mit Hän- den gemacht iſt.
Ein ungerechteres und geſetzloſeres Betragen läßt ſich wohl ſchwehrlich von einem ganzen Collegium von Richtern gedenken. Sie gehen mit Mordſucht ſchwan- ger. Von Mordſucht iſt ihre ganze Seele voll — Ihre Mordſucht aber verhehlen ſie ſich, und wollen ſolche vor Gott und Menſchen verhehlen. Kein Menſch kann das Laſter, als ſolches liebgewinnen, und in Schutz neh- men. Man muß ihm immer den Mantel der Unſchuld oder der Gerechtigkeit umhängen. Die Jüdiſche Prie- ſterſchaft will morden, — und ſucht der Mordſucht ein anſtändiges Gewand, in welchem ſie, ſchön wie die Gerechtigkeit, einhergehen ſoll. Aber ſchon dieß Suchen war die Ungerechtigkeit ſelbſt. Es war ihnen um nichts weniger, als um Wahrheit zu thun. Sie ſuchten fal-
ſche
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[478[498]/0506]
Matthäus XXVI.
221.
Falſche Zeugen.
Die Hohenprieſter aber und Aelteſten, und
der ganze Rath, ſucheten falſch Zeugniß wider
Jeſum, auf daß ſie Ihn tödeten; Und funden
keins. Und wiewohl viel falſche Zeugen herzu-
traten, funden ſie doch keins. Zuletzt traten
herzu zween falſche Zeugen, und ſprachen: Er
hat geſagt: Ich kann den Tempel Gottes abbre-
chen, und in dreyen Tagen denſelben bauen. Oder
nach Markus: Ich will dieſen Tempel, der mit
Händen gemacht iſt, zerſtöhren, und in dreyen
Tagen einen andern bauen, der nicht mit Hän-
den gemacht iſt.
Ein ungerechteres und geſetzloſeres Betragen läßt
ſich wohl ſchwehrlich von einem ganzen Collegium von
Richtern gedenken. Sie gehen mit Mordſucht ſchwan-
ger. Von Mordſucht iſt ihre ganze Seele voll — Ihre
Mordſucht aber verhehlen ſie ſich, und wollen ſolche vor
Gott und Menſchen verhehlen. Kein Menſch kann das
Laſter, als ſolches liebgewinnen, und in Schutz neh-
men. Man muß ihm immer den Mantel der Unſchuld
oder der Gerechtigkeit umhängen. Die Jüdiſche Prie-
ſterſchaft will morden, — und ſucht der Mordſucht
ein anſtändiges Gewand, in welchem ſie, ſchön wie die
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 478[498]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/506>, abgerufen am 24.11.2024.
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