Gestalten erscheinen -- Er wollte auch in diesem Sinne die Schwachheiten aller Schwachen und die Sünden aller Sünder tragen. Petrus sollte ihm im Namen vieler Tausend ein Beyspiel des Falles und der Schwach- heit der redlichsten und wärmsten Herzen seyn -- Im Namen vieler Tausend ein Gegenstand der Geduldübung, der schonenden Geistesstärke, der zu hülfeilenden, stär- kenden, aufrichtenden Erbarmung.
Wie viel werth ist in dieser und mancher andern Absicht dieß Stück der evangelischen Geschichte. Wer hier nicht Wahrheit, hier nicht Redlichkeit und liebens- würdige Einfalt des Geschichtschreibers fühlt -- hier von Erdichtung, Lüge und Betrug sprechen kann -- Wo wird der in aller Welt Wahrheit finden? Man setze dieser Geschichte eine ihres gleichen an die Seite .. Ei- ne Wahrheitreichere, Lehrreichere, warnendere -- die Höhen und Tiefen des menschlichen Herzens mehr auf- schliessende.
Der redlichste Mensch handelt wie der Treuloseste; Der Erhabenste, wie der Niederträchtige; Der Stärkste, wie der Schwächste; Der Gewarnteste, wie der Unwis- sendste. Was alle Tage in tausend Herzen leise geschie- het -- geschiehet hier öffentlich und laut -- Petrus ist das Opfer für viele Tausende -- Ein warnendes Bey- spiel für Millionen: Wer sich dünken läßt, er stehe, der sehe zu, daß er nicht falle.
Wie viel tausendmal tausend Verläugnungen er- duldete Jesus in dem Momente, da Petrus aussprach die kaum glaublichen -- und doch noch vielweniger un-
glaub-
Petrus Verleugnung.
Geſtalten erſcheinen — Er wollte auch in dieſem Sinne die Schwachheiten aller Schwachen und die Sünden aller Sünder tragen. Petrus ſollte ihm im Namen vieler Tauſend ein Beyſpiel des Falles und der Schwach- heit der redlichſten und wärmſten Herzen ſeyn — Im Namen vieler Tauſend ein Gegenſtand der Geduldübung, der ſchonenden Geiſtesſtärke, der zu hülfeilenden, ſtär- kenden, aufrichtenden Erbarmung.
Wie viel werth iſt in dieſer und mancher andern Abſicht dieß Stück der evangeliſchen Geſchichte. Wer hier nicht Wahrheit, hier nicht Redlichkeit und liebens- würdige Einfalt des Geſchichtſchreibers fühlt — hier von Erdichtung, Lüge und Betrug ſprechen kann — Wo wird der in aller Welt Wahrheit finden? Man ſetze dieſer Geſchichte eine ihres gleichen an die Seite .. Ei- ne Wahrheitreichere, Lehrreichere, warnendere — die Höhen und Tiefen des menſchlichen Herzens mehr auf- ſchlieſſende.
Der redlichſte Menſch handelt wie der Treuloſeſte; Der Erhabenſte, wie der Niederträchtige; Der Stärkſte, wie der Schwächſte; Der Gewarnteſte, wie der Unwiſ- ſendſte. Was alle Tage in tauſend Herzen leiſe geſchie- het — geſchiehet hier öffentlich und laut — Petrus iſt das Opfer für viele Tauſende — Ein warnendes Bey- ſpiel für Millionen: Wer ſich dünken läßt, er ſtehe, der ſehe zu, daß er nicht falle.
Wie viel tauſendmal tauſend Verläugnungen er- duldete Jeſus in dem Momente, da Petrus ausſprach die kaum glaublichen — und doch noch vielweniger un-
glaub-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0521"n="493[513]"/><fwplace="top"type="header">Petrus Verleugnung.</fw><lb/>
Geſtalten erſcheinen — Er wollte auch in dieſem Sinne<lb/>
die Schwachheiten aller Schwachen und die Sünden<lb/>
aller Sünder tragen. <hirendition="#fr">Petrus</hi>ſollte ihm im Namen<lb/>
vieler Tauſend ein Beyſpiel des Falles und der Schwach-<lb/>
heit der redlichſten und wärmſten Herzen ſeyn — Im<lb/>
Namen vieler Tauſend ein Gegenſtand der Geduldübung,<lb/>
der ſchonenden Geiſtesſtärke, der zu hülfeilenden, ſtär-<lb/>
kenden, aufrichtenden Erbarmung.</p><lb/><p>Wie viel werth iſt in dieſer und mancher andern<lb/>
Abſicht dieß Stück der evangeliſchen Geſchichte. Wer<lb/>
hier nicht Wahrheit, hier nicht Redlichkeit und liebens-<lb/>
würdige Einfalt des Geſchichtſchreibers fühlt — hier<lb/>
von Erdichtung, Lüge und Betrug ſprechen kann —<lb/>
Wo wird der in aller Welt Wahrheit finden? Man ſetze<lb/>
dieſer Geſchichte eine ihres gleichen an die Seite .. Ei-<lb/>
ne Wahrheitreichere, Lehrreichere, warnendere — die<lb/>
Höhen und Tiefen des menſchlichen Herzens mehr auf-<lb/>ſchlieſſende.</p><lb/><p>Der redlichſte Menſch handelt wie der Treuloſeſte;<lb/>
Der Erhabenſte, wie der Niederträchtige; Der Stärkſte,<lb/>
wie der Schwächſte; Der Gewarnteſte, wie der Unwiſ-<lb/>ſendſte. Was alle Tage in tauſend Herzen leiſe geſchie-<lb/>
het — geſchiehet hier öffentlich und laut —<hirendition="#fr">Petrus</hi> iſt<lb/>
das Opfer für viele Tauſende — Ein warnendes Bey-<lb/>ſpiel für Millionen: <hirendition="#fr">Wer ſich dünken läßt, er ſtehe,<lb/>
der ſehe zu, daß er nicht falle.</hi></p><lb/><p>Wie viel tauſendmal tauſend Verläugnungen er-<lb/>
duldete Jeſus in dem Momente, da <hirendition="#fr">Petrus</hi> ausſprach<lb/>
die kaum glaublichen — und doch noch vielweniger un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">glaub-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[493[513]/0521]
Petrus Verleugnung.
Geſtalten erſcheinen — Er wollte auch in dieſem Sinne
die Schwachheiten aller Schwachen und die Sünden
aller Sünder tragen. Petrus ſollte ihm im Namen
vieler Tauſend ein Beyſpiel des Falles und der Schwach-
heit der redlichſten und wärmſten Herzen ſeyn — Im
Namen vieler Tauſend ein Gegenſtand der Geduldübung,
der ſchonenden Geiſtesſtärke, der zu hülfeilenden, ſtär-
kenden, aufrichtenden Erbarmung.
Wie viel werth iſt in dieſer und mancher andern
Abſicht dieß Stück der evangeliſchen Geſchichte. Wer
hier nicht Wahrheit, hier nicht Redlichkeit und liebens-
würdige Einfalt des Geſchichtſchreibers fühlt — hier
von Erdichtung, Lüge und Betrug ſprechen kann —
Wo wird der in aller Welt Wahrheit finden? Man ſetze
dieſer Geſchichte eine ihres gleichen an die Seite .. Ei-
ne Wahrheitreichere, Lehrreichere, warnendere — die
Höhen und Tiefen des menſchlichen Herzens mehr auf-
ſchlieſſende.
Der redlichſte Menſch handelt wie der Treuloſeſte;
Der Erhabenſte, wie der Niederträchtige; Der Stärkſte,
wie der Schwächſte; Der Gewarnteſte, wie der Unwiſ-
ſendſte. Was alle Tage in tauſend Herzen leiſe geſchie-
het — geſchiehet hier öffentlich und laut — Petrus iſt
das Opfer für viele Tauſende — Ein warnendes Bey-
ſpiel für Millionen: Wer ſich dünken läßt, er ſtehe,
der ſehe zu, daß er nicht falle.
Wie viel tauſendmal tauſend Verläugnungen er-
duldete Jeſus in dem Momente, da Petrus ausſprach
die kaum glaublichen — und doch noch vielweniger un-
glaub-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 493[513]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/521>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.