Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Markus XI.
euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler.
Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, so wird
auch euer Vater, der im Himmel ist, euere Feh-
ler nicht vergeben.

Wie weise vereinigt Jesus hier Gebeth, Glau-
be
und Liebe! Wie sorgfältig will Er das mit einan-
der verbunden wissen, was seiner Natur nach unzertrenn-
bar, in der menschlichen Seele nur Eins seyn sollte.
Nie erhebt Christus Eine Kraft der Seele, Eine Tu-
gend, Eine der Menschheit würdige Gesinnung auf Un-
kosten der Andern. Er will nicht Glauben allein, nicht
Liebe allein, sondern in einem und eben demselben Her-
zen die reinsie, versöhnlichste Liebe, den festesten alle
Natur bezwingenden Glauben. Er ist von nichts ent-
fernter, wie davon: Ueber unumschränkte Kraft des
Gebeths und des Glaubens, als über Unsinn und Schwär-
merey zu spotten, wie es der profane Geist unsers Zeit-
alters sich zur Religion macht. O des unchristlichen
Geistes!

Markus XII.
20.
Nicht fern vom Reiche Gottes.

Und der Schriftgelehrte sprach zu Ihm:
Mark. XII.
32-34.
Du hast wahrlich recht geredet: Denn es ist Ein
Gott, und keiner ausser Ihm. Und denselbigen
lieben von ganzen Herzen, von ganzem Gemü-
the, von ganzer Seele und von allen Kräften,

und

Markus XI.
euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler.
Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, ſo wird
auch euer Vater, der im Himmel iſt, euere Feh-
ler nicht vergeben.

Wie weiſe vereinigt Jeſus hier Gebeth, Glau-
be
und Liebe! Wie ſorgfältig will Er das mit einan-
der verbunden wiſſen, was ſeiner Natur nach unzertrenn-
bar, in der menſchlichen Seele nur Eins ſeyn ſollte.
Nie erhebt Chriſtus Eine Kraft der Seele, Eine Tu-
gend, Eine der Menſchheit würdige Geſinnung auf Un-
koſten der Andern. Er will nicht Glauben allein, nicht
Liebe allein, ſondern in einem und eben demſelben Her-
zen die reinſie, verſöhnlichſte Liebe, den feſteſten alle
Natur bezwingenden Glauben. Er iſt von nichts ent-
fernter, wie davon: Ueber unumſchränkte Kraft des
Gebeths und des Glaubens, als über Unſinn und Schwär-
merey zu ſpotten, wie es der profane Geiſt unſers Zeit-
alters ſich zur Religion macht. O des unchriſtlichen
Geiſtes!

Markus XII.
20.
Nicht fern vom Reiche Gottes.

Und der Schriftgelehrte ſprach zu Ihm:
Mark. XII.
32-34.
Du haſt wahrlich recht geredet: Denn es iſt Ein
Gott, und keiner auſſer Ihm. Und denſelbigen
lieben von ganzen Herzen, von ganzem Gemü-
the, von ganzer Seele und von allen Kräften,

und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0606" n="578[598]"/>
              <fw place="top" type="header">Markus <hi rendition="#aq">XI.</hi></fw><lb/> <hi rendition="#fr">euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler.<lb/>
Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, &#x017F;o wird<lb/>
auch euer Vater, der im Himmel i&#x017F;t, euere Feh-<lb/>
ler nicht vergeben.</hi> </p><lb/>
            <p>Wie wei&#x017F;e vereinigt Je&#x017F;us hier <hi rendition="#fr">Gebeth, Glau-<lb/>
be</hi> und <hi rendition="#fr">Liebe!</hi> Wie &#x017F;orgfältig will Er das mit einan-<lb/>
der verbunden wi&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;einer Natur nach unzertrenn-<lb/>
bar, in der men&#x017F;chlichen Seele nur Eins &#x017F;eyn &#x017F;ollte.<lb/>
Nie erhebt Chri&#x017F;tus Eine Kraft der Seele, Eine Tu-<lb/>
gend, Eine der Men&#x017F;chheit würdige Ge&#x017F;innung auf Un-<lb/>
ko&#x017F;ten der Andern. Er will nicht Glauben allein, nicht<lb/>
Liebe allein, &#x017F;ondern in einem und eben dem&#x017F;elben Her-<lb/>
zen die rein&#x017F;ie, ver&#x017F;öhnlich&#x017F;te Liebe, den fe&#x017F;te&#x017F;ten alle<lb/>
Natur bezwingenden Glauben. Er i&#x017F;t von nichts ent-<lb/>
fernter, wie davon: Ueber unum&#x017F;chränkte Kraft des<lb/>
Gebeths und des Glaubens, als über Un&#x017F;inn und Schwär-<lb/>
merey zu &#x017F;potten, wie es der profane Gei&#x017F;t un&#x017F;ers Zeit-<lb/>
alters &#x017F;ich zur Religion macht. O des unchri&#x017F;tlichen<lb/>
Gei&#x017F;tes!</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#g">Markus</hi> <hi rendition="#aq">XII.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>20.<lb/>
Nicht fern vom Reiche Gottes.</head><lb/>
            <p> <hi rendition="#fr">Und der Schriftgelehrte &#x017F;prach zu Ihm:</hi><lb/>
              <note place="left">Mark. <hi rendition="#aq">XII.</hi><lb/>
32-34.</note> <hi rendition="#fr">Du ha&#x017F;t wahrlich recht geredet: Denn es i&#x017F;t Ein<lb/>
Gott, und keiner au&#x017F;&#x017F;er Ihm. Und den&#x017F;elbigen<lb/>
lieben von ganzen Herzen, von ganzem Gemü-<lb/>
the, von ganzer Seele und von allen Kräften,</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">und</hi> </fw><lb/>
            </p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[578[598]/0606] Markus XI. euer Vater im Himmel euch vergebe eure Fehler. Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, ſo wird auch euer Vater, der im Himmel iſt, euere Feh- ler nicht vergeben. Wie weiſe vereinigt Jeſus hier Gebeth, Glau- be und Liebe! Wie ſorgfältig will Er das mit einan- der verbunden wiſſen, was ſeiner Natur nach unzertrenn- bar, in der menſchlichen Seele nur Eins ſeyn ſollte. Nie erhebt Chriſtus Eine Kraft der Seele, Eine Tu- gend, Eine der Menſchheit würdige Geſinnung auf Un- koſten der Andern. Er will nicht Glauben allein, nicht Liebe allein, ſondern in einem und eben demſelben Her- zen die reinſie, verſöhnlichſte Liebe, den feſteſten alle Natur bezwingenden Glauben. Er iſt von nichts ent- fernter, wie davon: Ueber unumſchränkte Kraft des Gebeths und des Glaubens, als über Unſinn und Schwär- merey zu ſpotten, wie es der profane Geiſt unſers Zeit- alters ſich zur Religion macht. O des unchriſtlichen Geiſtes! Markus XII. 20. Nicht fern vom Reiche Gottes. Und der Schriftgelehrte ſprach zu Ihm: Du haſt wahrlich recht geredet: Denn es iſt Ein Gott, und keiner auſſer Ihm. Und denſelbigen lieben von ganzen Herzen, von ganzem Gemü- the, von ganzer Seele und von allen Kräften, und Mark. XII. 32-34.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/606
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 578[598]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/606>, abgerufen am 28.07.2024.