und lieben seinen Nächsten als sich selbst, das ist mehr denn Brandopfer, und alle Opfer. Da Je- ses aber sahe, daß er vernünftiglich antworte- te, sprach Er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reiche Gottes. Und es durfte Ihn niemand weiter fragen.
Vernunft ist Erkenntniß der Wahrheit. Ver- nunft verachten heißt Wahrheit verachten. Jesus eh- rete die Vernunft und die Wahrheit; Das Mosaische Gesetz und die Natur. Der war in seinen Augen nahe an seinem Reich, der die Einheit, eines durch Men- schenliebe mehr als durch alles andere zu verehrenden Gottes erkannte. Er sahe dieses Erkenntniß als die beßte Vorbereitung zu dem Besitze des göttlichen Rei- ches an. Einem solchen Menschen war nichts mehr nö- thig, als die unmittelbare Erkenntniß Christi. Wie Cornelius war er durch Gottseeligkeit und Liebe in die beßte Verfassung gesetzt, ein Christ zu werden. Aber er bedurfte zu seiner Vollkommenheit noch das Christen- thum, oder die Erkenntniß der Gottheit und Menschheit in der Person Christi.
21. Arme Wittwe.
Und Jesus satzte sich gegen den Gotteska- sten, und schauete, wie das Volk Geld einleg-Mark. XII. 41-44. te in den Gotteskasten, und viel Reiche leg- len viel ein. Und es kam eine arme Wittwe, und
legte
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Arme Wittwe.
und lieben ſeinen Nächſten als ſich ſelbſt, das iſt mehr denn Brandopfer, und alle Opfer. Da Je- ſes aber ſahe, daß er vernünftiglich antworte- te, ſprach Er zu ihm: Du biſt nicht fern vom Reiche Gottes. Und es durfte Ihn niemand weiter fragen.
Vernunft iſt Erkenntniß der Wahrheit. Ver- nunft verachten heißt Wahrheit verachten. Jeſus eh- rete die Vernunft und die Wahrheit; Das Moſaiſche Geſetz und die Natur. Der war in ſeinen Augen nahe an ſeinem Reich, der die Einheit, eines durch Men- ſchenliebe mehr als durch alles andere zu verehrenden Gottes erkannte. Er ſahe dieſes Erkenntniß als die beßte Vorbereitung zu dem Beſitze des göttlichen Rei- ches an. Einem ſolchen Menſchen war nichts mehr nö- thig, als die unmittelbare Erkenntniß Chriſti. Wie Cornelius war er durch Gottſeeligkeit und Liebe in die beßte Verfaſſung geſetzt, ein Chriſt zu werden. Aber er bedurfte zu ſeiner Vollkommenheit noch das Chriſten- thum, oder die Erkenntniß der Gottheit und Menſchheit in der Perſon Chriſti.
21. Arme Wittwe.
Und Jeſus ſatzte ſich gegen den Gotteska- ſten, und ſchauete, wie das Volk Geld einleg-Mark. XII. 41-44. te in den Gotteskaſten, und viel Reiche leg- len viel ein. Und es kam eine arme Wittwe, und
legte
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[579[599]/0607]
Arme Wittwe.
und lieben ſeinen Nächſten als ſich ſelbſt, das iſt
mehr denn Brandopfer, und alle Opfer. Da Je-
ſes aber ſahe, daß er vernünftiglich antworte-
te, ſprach Er zu ihm: Du biſt nicht fern vom
Reiche Gottes. Und es durfte Ihn niemand
weiter fragen.
Vernunft iſt Erkenntniß der Wahrheit. Ver-
nunft verachten heißt Wahrheit verachten. Jeſus eh-
rete die Vernunft und die Wahrheit; Das Moſaiſche
Geſetz und die Natur. Der war in ſeinen Augen nahe
an ſeinem Reich, der die Einheit, eines durch Men-
ſchenliebe mehr als durch alles andere zu verehrenden
Gottes erkannte. Er ſahe dieſes Erkenntniß als die
beßte Vorbereitung zu dem Beſitze des göttlichen Rei-
ches an. Einem ſolchen Menſchen war nichts mehr nö-
thig, als die unmittelbare Erkenntniß Chriſti. Wie
Cornelius war er durch Gottſeeligkeit und Liebe in die
beßte Verfaſſung geſetzt, ein Chriſt zu werden. Aber
er bedurfte zu ſeiner Vollkommenheit noch das Chriſten-
thum, oder die Erkenntniß der Gottheit und Menſchheit
in der Perſon Chriſti.
21.
Arme Wittwe.
Und Jeſus ſatzte ſich gegen den Gotteska-
ſten, und ſchauete, wie das Volk Geld einleg-
te in den Gotteskaſten, und viel Reiche leg-
len viel ein. Und es kam eine arme Wittwe, und
legte
Mark. XII.
41-44.
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 579[599]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/607>, abgerufen am 23.11.2024.
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