Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.Niemand mag zween Herren dienen. macht -- in Gott allein alles sucht, was er bedarf, derdarf nie fürchten, daß seine sinnlichen Bedürfnisse, die durch das Suchen und Finden Gottes an sich schon un- endlich geringer geworden, nicht befriedigt werden. Der Eine Herr, den er sich wählte, ist für alle seine Be- dürfnisse reich genug -- Nicht so der andere Mam- mon, Welt, sichtbare Dinge, körperliche Gestalten, die sich jeden Augenblick ändern, indem sie kommen wieder entfliehen, sich nie fest halten lassen -- Verwesung sind, aus Verwesung kommen und in Verwesung gehen -- können, wenn sie in höchstmöglichem Maasse genossen wer- den, nie, nur alle sinnliche Bedürfnisse der menschlichen Natur befriedigen, nie vor Krankheit und Schmerz und tausend weltlichen Verdrießlichkeiten schützen und ver- wahren -- wie viel weniger die höhern Bedürfnisse der geistigen Natur stillen! Wer hergegen mit Einfalt, ei- nem einfachen Sinne dem Herrn dienet; Gott zu seinem einzigen Ziele, zum Zweck aller Zwecke macht -- der be- friedigt nicht nur seine tiefste Bedürfnisse, sondern auch seine äusserliche -- und wo auch diese nicht unmittel- bar gestillt werden, so werden sie so geschwächt, so un- merklich, daß sie beynahe nicht mehr vorhanden und wirklich befriedigt zu seyn scheinen. Vereinfachung also aller unserer Bedürfnisse -- -- Streben also nach Ei- nem -- Hinschauen auf Einen Herrn -- diesen Einen für reich und gütig genug halten, uns alles zu schenken, was wir bedürfen, oder je bedürfen können -- alle unsere, auch leiblichen Geschäfte, Ihm thun -- mit Hinsicht auf Ihn -- Ihm alles sagen, alles von Ihm verlan- gen, Ihm für alles danken, alles aus seiner Hand ge- nies- C
Niemand mag zween Herren dienen. macht — in Gott allein alles ſucht, was er bedarf, derdarf nie fürchten, daß ſeine ſinnlichen Bedürfniſſe, die durch das Suchen und Finden Gottes an ſich ſchon un- endlich geringer geworden, nicht befriedigt werden. Der Eine Herr, den er ſich wählte, iſt für alle ſeine Be- dürfniſſe reich genug — Nicht ſo der andere Mam- mon, Welt, ſichtbare Dinge, körperliche Geſtalten, die ſich jeden Augenblick ändern, indem ſie kommen wieder entfliehen, ſich nie feſt halten laſſen — Verweſung ſind, aus Verweſung kommen und in Verweſung gehen — können, wenn ſie in höchſtmöglichem Maaſſe genoſſen wer- den, nie, nur alle ſinnliche Bedürfniſſe der menſchlichen Natur befriedigen, nie vor Krankheit und Schmerz und tauſend weltlichen Verdrießlichkeiten ſchützen und ver- wahren — wie viel weniger die höhern Bedürfniſſe der geiſtigen Natur ſtillen! Wer hergegen mit Einfalt, ei- nem einfachen Sinne dem Herrn dienet; Gott zu ſeinem einzigen Ziele, zum Zweck aller Zwecke macht — der be- friedigt nicht nur ſeine tiefſte Bedürfniſſe, ſondern auch ſeine äuſſerliche — und wo auch dieſe nicht unmittel- bar geſtillt werden, ſo werden ſie ſo geſchwächt, ſo un- merklich, daß ſie beynahe nicht mehr vorhanden und wirklich befriedigt zu ſeyn ſcheinen. Vereinfachung alſo aller unſerer Bedürfniſſe — — Streben alſo nach Ei- nem — Hinſchauen auf Einen Herrn — dieſen Einen für reich und gütig genug halten, uns alles zu ſchenken, was wir bedürfen, oder je bedürfen können — alle unſere, auch leiblichen Geſchäfte, Ihm thun — mit Hinſicht auf Ihn — Ihm alles ſagen, alles von Ihm verlan- gen, Ihm für alles danken, alles aus ſeiner Hand ge- nieſ- C
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Niemand mag zween Herren dienen.
macht — in Gott allein alles ſucht, was er bedarf, der
darf nie fürchten, daß ſeine ſinnlichen Bedürfniſſe, die
durch das Suchen und Finden Gottes an ſich ſchon un-
endlich geringer geworden, nicht befriedigt werden. Der
Eine Herr, den er ſich wählte, iſt für alle ſeine Be-
dürfniſſe reich genug — Nicht ſo der andere Mam-
mon, Welt, ſichtbare Dinge, körperliche Geſtalten, die
ſich jeden Augenblick ändern, indem ſie kommen wieder
entfliehen, ſich nie feſt halten laſſen — Verweſung ſind,
aus Verweſung kommen und in Verweſung gehen —
können, wenn ſie in höchſtmöglichem Maaſſe genoſſen wer-
den, nie, nur alle ſinnliche Bedürfniſſe der menſchlichen
Natur befriedigen, nie vor Krankheit und Schmerz und
tauſend weltlichen Verdrießlichkeiten ſchützen und ver-
wahren — wie viel weniger die höhern Bedürfniſſe der
geiſtigen Natur ſtillen! Wer hergegen mit Einfalt, ei-
nem einfachen Sinne dem Herrn dienet; Gott zu ſeinem
einzigen Ziele, zum Zweck aller Zwecke macht — der be-
friedigt nicht nur ſeine tiefſte Bedürfniſſe, ſondern auch
ſeine äuſſerliche — und wo auch dieſe nicht unmittel-
bar geſtillt werden, ſo werden ſie ſo geſchwächt, ſo un-
merklich, daß ſie beynahe nicht mehr vorhanden und
wirklich befriedigt zu ſeyn ſcheinen. Vereinfachung alſo
aller unſerer Bedürfniſſe — — Streben alſo nach Ei-
nem — Hinſchauen auf Einen Herrn — dieſen Einen
für reich und gütig genug halten, uns alles zu ſchenken,
was wir bedürfen, oder je bedürfen können — alle unſere,
auch leiblichen Geſchäfte, Ihm thun — mit Hinſicht
auf Ihn — Ihm alles ſagen, alles von Ihm verlan-
gen, Ihm für alles danken, alles aus ſeiner Hand ge-
nieſ-
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