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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

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Matthäus VI.
niessen -- Ihn zum beständigen Augenmerk machen --
Siehe da die wahre Weisheit, Einfalt, Ruhe und Frey-
heit der Menschen.

39.
Matth.
VI. 26.

Sehet an die Vögel unter dem Himmel --
Seyd ihr denn nicht viel besser als sie?
-- Se-
het an die Vögel! Schaut an die Lilien! -- Auf die
Natur sehen heißt uns der Urheber der Natur -- mit
einfältigem gesunden Aug ansehen, was vor uns liegt --
ansehen und vergleichen, mit uns selber vergleichen! Die
Stufen der Dinge aufsteigen -- vom geringsten hinauf
bis zum größten -- Es liegt unendlich vieles, es liegt
alles in diesem Ansehen der Dinge. Unser Herr will
uns die Augen öfnen und aufmerksam machen. Auf-
merksamkeit ist die Mutter der Weisheit. Al-
les,
was wir sehen, ist geringer, als wir -- wir sind
das höchste, das vortreflichste aller uns durch die Sinne
bekannter Wesen -- an Güte und Treflichkeit ist uns gar
nichts zu vergleichen. Das sollen wir erkennen -- unsre
Würde und Vortreflichkeit immermehr einsehen und em-
pfinden. Christus will die menschliche Natur durchaus
nicht erniedrigen, sondern erhöhen. Wer seine Men-
schenwürde nicht fühlt, wird zuwerläßig nie edel
und groß handeln. Wer sie fühlt, nie unedel
und schlecht.
Man kann dem Menschen nie genug sa-
gen: Empfinde die Ehre, den Vorzug der Menschheit!
Alle Sünde ist Vergessenheit seiner Menschen-
würde.
Sieh' an die Vögel. Sieh' an die Pflanzen!
Du! wie viel besser als sie! -- alle Steine zusammen

vom

Matthäus VI.
nieſſen — Ihn zum beſtändigen Augenmerk machen —
Siehe da die wahre Weisheit, Einfalt, Ruhe und Frey-
heit der Menſchen.

39.
Matth.
VI. 26.

Sehet an die Vögel unter dem Himmel —
Seyd ihr denn nicht viel beſſer als ſie?
— Se-
het an die Vögel! Schaut an die Lilien! — Auf die
Natur ſehen heißt uns der Urheber der Natur — mit
einfältigem geſunden Aug anſehen, was vor uns liegt —
anſehen und vergleichen, mit uns ſelber vergleichen! Die
Stufen der Dinge aufſteigen — vom geringſten hinauf
bis zum größten — Es liegt unendlich vieles, es liegt
alles in dieſem Anſehen der Dinge. Unſer Herr will
uns die Augen öfnen und aufmerkſam machen. Auf-
merkſamkeit iſt die Mutter der Weisheit. Al-
les,
was wir ſehen, iſt geringer, als wir — wir ſind
das höchſte, das vortreflichſte aller uns durch die Sinne
bekannter Weſen — an Güte und Treflichkeit iſt uns gar
nichts zu vergleichen. Das ſollen wir erkennen — unſre
Würde und Vortreflichkeit immermehr einſehen und em-
pfinden. Chriſtus will die menſchliche Natur durchaus
nicht erniedrigen, ſondern erhöhen. Wer ſeine Men-
ſchenwürde nicht fühlt, wird zuwerläßig nie edel
und groß handeln. Wer ſie fühlt, nie unedel
und ſchlecht.
Man kann dem Menſchen nie genug ſa-
gen: Empfinde die Ehre, den Vorzug der Menſchheit!
Alle Sünde iſt Vergeſſenheit ſeiner Menſchen-
würde.
Sieh’ an die Vögel. Sieh’ an die Pflanzen!
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[34[54]/0062] Matthäus VI. nieſſen — Ihn zum beſtändigen Augenmerk machen — Siehe da die wahre Weisheit, Einfalt, Ruhe und Frey- heit der Menſchen. 39. Sehet an die Vögel unter dem Himmel — Seyd ihr denn nicht viel beſſer als ſie? — Se- het an die Vögel! Schaut an die Lilien! — Auf die Natur ſehen heißt uns der Urheber der Natur — mit einfältigem geſunden Aug anſehen, was vor uns liegt — anſehen und vergleichen, mit uns ſelber vergleichen! Die Stufen der Dinge aufſteigen — vom geringſten hinauf bis zum größten — Es liegt unendlich vieles, es liegt alles in dieſem Anſehen der Dinge. Unſer Herr will uns die Augen öfnen und aufmerkſam machen. Auf- merkſamkeit iſt die Mutter der Weisheit. Al- les, was wir ſehen, iſt geringer, als wir — wir ſind das höchſte, das vortreflichſte aller uns durch die Sinne bekannter Weſen — an Güte und Treflichkeit iſt uns gar nichts zu vergleichen. Das ſollen wir erkennen — unſre Würde und Vortreflichkeit immermehr einſehen und em- pfinden. Chriſtus will die menſchliche Natur durchaus nicht erniedrigen, ſondern erhöhen. Wer ſeine Men- ſchenwürde nicht fühlt, wird zuwerläßig nie edel und groß handeln. Wer ſie fühlt, nie unedel und ſchlecht. Man kann dem Menſchen nie genug ſa- gen: Empfinde die Ehre, den Vorzug der Menſchheit! Alle Sünde iſt Vergeſſenheit ſeiner Menſchen- würde. Sieh’ an die Vögel. Sieh’ an die Pflanzen! Du! wie viel beſſer als ſie! — alle Steine zuſammen vom

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 34[54]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/62>, abgerufen am 21.11.2024.