sen der Natur und der Schrift -- und ohn welche gar gar nichts richtig verstanden werden kann. -- Der Mensch ist Ebenbild der Gottheit.
Diese Regel entscheidet schnell und sicher in Millio- nen Fällen, über die man Stundenlang für und wider räsonnirte, ohne an Bord zu kommen.
Sie ist Stimme Gottes in uns -- Licht, Wort, Wahrheit Gottes, die uns nie irren läßt; uns immer mit dem Glanz und der Schnelle des Blitzes das Beßte zeigt, was gethan werden kann.
Sie ist so allgemein, so all umfassend, so anwend- bar auf alles, daß der nie in Verlegenheit kommen kann, was zu thun oder zu lassen sey, der dieser Regel mit Ein- falt nnd Gewissenhaftigkeit zu folgen entschlossen ist. Täg- liche, stündliche, augenblickliche Uebung sich in die Stelle, in den Gesichtspunkt, in die Stärke oder Schwäche; Größe oder Kleinheit, Empfindlichkeit oder Unempfind- lichkeit, kurz, so gut wie möglich in die Seele des an- dern hineinzudenken -- ist allein wahre Weisheit und Tu- gend. In dem sie dem Menschen das süsseste Vergnügen gewährt, giebt sie ihm zu gleicher Zeit eine beynahe über- menschliche Kraft. Man verzeihe, wenn ich immer und immer wieder auf dasselbe zurückkomme, und kein Ende finden kann, von der allbekanntesten und unbekanntesten Sache zu reden -- von einer Sache, die jedermann zu kennen meynt, und die, sobald sie einmal erscheint, -- der Erscheinung eines auferstandenen Todten -- Einem Engel, einer dastehenden Gottheit ähnlich zu seyn scheint.
Ich
D 4
Alles, was ihr wollet ꝛc.
ſen der Natur und der Schrift — und ohn welche gar gar nichts richtig verſtanden werden kann. — Der Menſch iſt Ebenbild der Gottheit.
Dieſe Regel entſcheidet ſchnell und ſicher in Millio- nen Fällen, über die man Stundenlang für und wider räſonnirte, ohne an Bord zu kommen.
Sie iſt Stimme Gottes in uns — Licht, Wort, Wahrheit Gottes, die uns nie irren läßt; uns immer mit dem Glanz und der Schnelle des Blitzes das Beßte zeigt, was gethan werden kann.
Sie iſt ſo allgemein, ſo all umfaſſend, ſo anwend- bar auf alles, daß der nie in Verlegenheit kommen kann, was zu thun oder zu laſſen ſey, der dieſer Regel mit Ein- falt nnd Gewiſſenhaftigkeit zu folgen entſchloſſen iſt. Täg- liche, ſtündliche, augenblickliche Uebung ſich in die Stelle, in den Geſichtspunkt, in die Stärke oder Schwäche; Größe oder Kleinheit, Empfindlichkeit oder Unempfind- lichkeit, kurz, ſo gut wie möglich in die Seele des an- dern hineinzudenken — iſt allein wahre Weisheit und Tu- gend. In dem ſie dem Menſchen das ſüſſeſte Vergnügen gewährt, giebt ſie ihm zu gleicher Zeit eine beynahe über- menſchliche Kraft. Man verzeihe, wenn ich immer und immer wieder auf daſſelbe zurückkomme, und kein Ende finden kann, von der allbekannteſten und unbekannteſten Sache zu reden — von einer Sache, die jedermann zu kennen meynt, und die, ſobald ſie einmal erſcheint, — der Erſcheinung eines auferſtandenen Todten — Einem Engel, einer daſtehenden Gottheit ähnlich zu ſeyn ſcheint.
Ich
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[55[75]/0083]
Alles, was ihr wollet ꝛc.
ſen der Natur und der Schrift — und ohn welche gar
gar nichts richtig verſtanden werden kann. — Der
Menſch iſt Ebenbild der Gottheit.
Dieſe Regel entſcheidet ſchnell und ſicher in Millio-
nen Fällen, über die man Stundenlang für und wider
räſonnirte, ohne an Bord zu kommen.
Sie iſt Stimme Gottes in uns — Licht, Wort,
Wahrheit Gottes, die uns nie irren läßt; uns immer
mit dem Glanz und der Schnelle des Blitzes das Beßte
zeigt, was gethan werden kann.
Sie iſt ſo allgemein, ſo all umfaſſend, ſo anwend-
bar auf alles, daß der nie in Verlegenheit kommen kann,
was zu thun oder zu laſſen ſey, der dieſer Regel mit Ein-
falt nnd Gewiſſenhaftigkeit zu folgen entſchloſſen iſt. Täg-
liche, ſtündliche, augenblickliche Uebung ſich in die Stelle,
in den Geſichtspunkt, in die Stärke oder Schwäche;
Größe oder Kleinheit, Empfindlichkeit oder Unempfind-
lichkeit, kurz, ſo gut wie möglich in die Seele des an-
dern hineinzudenken — iſt allein wahre Weisheit und Tu-
gend. In dem ſie dem Menſchen das ſüſſeſte Vergnügen
gewährt, giebt ſie ihm zu gleicher Zeit eine beynahe über-
menſchliche Kraft. Man verzeihe, wenn ich immer und
immer wieder auf daſſelbe zurückkomme, und kein Ende
finden kann, von der allbekannteſten und unbekannteſten
Sache zu reden — von einer Sache, die jedermann zu
kennen meynt, und die, ſobald ſie einmal erſcheint, —
der Erſcheinung eines auferſtandenen Todten — Einem
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Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 55[75]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/83>, abgerufen am 21.11.2024.
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