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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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Vorrede.
genommen, verlieren werde; verlieren würde, wenn ich auch nichts, als Worte
Gottes schreiben könnte ... "weil man einmal und zehenmal gelacht hat" --
Der Feind der Wahrheit hat in jedem Falle so viel als gewonnen, wenn er zu lachen
machen konnte; -- also --

Erwart' ich bey der Herausgabe dieses zum Theil ungewöhnlichen Wer-
kes mit fester Ruhe eine unzählige Menge der demüthigendsten Urtheile!

Jch erwarte Spöttereyen, Satyren, Hiebe, falsche zerstümmelte Alle-
gationen, Chikanen, Anekdotenkünsteleyen aller Arten -- von berühmten und
unberühmten Namen.

Auch treffliche, wichtige Belehrungen, scharfsinnige Einwendungen, und
auch wichtige Beyträge und Ergänzungen von manchen verständigen, billigen, un-
partheyischen Wahrheitsfreunden -- Beyfall selber von solchen, die bisher wider
mich und meine Meynungen, ehe sie Gelegenheit hatten, dieselben deutlich und
vollständig genug zu hören, und ruhig genug zu prüfen, eingenommen wa-
ren -- aber weit mehr unbrüderliche, feindselige, abgeschmackte Urtheile --
erwart' ich.

Jch mache mich darauf gefaßt. Data für meine Erwartung liegen häufig
vor meinen Augen, tönen mir alle Tage um die Ohren -- unter hundert Lesern
wird nicht Einer meine Gründe unpartheyisch prüfen! -- Lachen und Wehkla-
gen! Seufzen und Spotten! das werden die Gründe seyn, welche die meisten mir
entgegen setzen werden. Der leichteste Weg! von hundert tausenden betreten!
die Heerstraße der Dummheit, und der Geistessclaverey!

Beobachtung aber wird Beobachtung, Erfahrung Erfahrung, und
Wahrheit Wahrheit bleiben, was man immer für elende Kunstgriffe ausdenken
mag, sie erst mit Koth zu bespritzen, ihre Glorie zu verdunkeln, und spottend dann
auszurufen: "Wo ist die Heilige?"

Jch

Vorrede.
genommen, verlieren werde; verlieren wuͤrde, wenn ich auch nichts, als Worte
Gottes ſchreiben koͤnnte ... „weil man einmal und zehenmal gelacht hat“ —
Der Feind der Wahrheit hat in jedem Falle ſo viel als gewonnen, wenn er zu lachen
machen konnte; — alſo —

Erwart' ich bey der Herausgabe dieſes zum Theil ungewoͤhnlichen Wer-
kes mit feſter Ruhe eine unzaͤhlige Menge der demuͤthigendſten Urtheile!

Jch erwarte Spoͤttereyen, Satyren, Hiebe, falſche zerſtuͤmmelte Alle-
gationen, Chikanen, Anekdotenkuͤnſteleyen aller Arten — von beruͤhmten und
unberuͤhmten Namen.

Auch treffliche, wichtige Belehrungen, ſcharfſinnige Einwendungen, und
auch wichtige Beytraͤge und Ergaͤnzungen von manchen verſtaͤndigen, billigen, un-
partheyiſchen Wahrheitsfreunden — Beyfall ſelber von ſolchen, die bisher wider
mich und meine Meynungen, ehe ſie Gelegenheit hatten, dieſelben deutlich und
vollſtaͤndig genug zu hoͤren, und ruhig genug zu pruͤfen, eingenommen wa-
ren — aber weit mehr unbruͤderliche, feindſelige, abgeſchmackte Urtheile —
erwart' ich.

Jch mache mich darauf gefaßt. Data fuͤr meine Erwartung liegen haͤufig
vor meinen Augen, toͤnen mir alle Tage um die Ohren — unter hundert Leſern
wird nicht Einer meine Gruͤnde unpartheyiſch pruͤfen! — Lachen und Wehkla-
gen! Seufzen und Spotten! das werden die Gruͤnde ſeyn, welche die meiſten mir
entgegen ſetzen werden. Der leichteſte Weg! von hundert tauſenden betreten!
die Heerſtraße der Dummheit, und der Geiſtesſclaverey!

Beobachtung aber wird Beobachtung, Erfahrung Erfahrung, und
Wahrheit Wahrheit bleiben, was man immer fuͤr elende Kunſtgriffe ausdenken
mag, ſie erſt mit Koth zu beſpritzen, ihre Glorie zu verdunkeln, und ſpottend dann
auszurufen: „Wo iſt die Heilige?“

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/14>, abgerufen am 21.11.2024.