Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.Vorrede. Jch will alles erwarten, und in allem auf den sehen, auf den so wenige Unzählige male hab ich mich geirrt; unzählige male vermuthlich werd ich Aber -- Gründe sag' ich -- alles andre, wie's auch Namen haben mag, Man sag' über meine physiognomischen Versuche, was man will; man Aber man verwechsle das Objekt nicht mit dem Subjekte! den Physiogno- Jch kann schlecht und schwach über die Physiognomik schreiben, und Sie Wer diese Fragmente alle gelesen hat, und dann an diesem letztern noch "Aber daß ich von dieser Sache schreibe? Ein Geistlicher und Physiogno- Jtzt a 2
Vorrede. Jch will alles erwarten, und in allem auf den ſehen, auf den ſo wenige Unzaͤhlige male hab ich mich geirrt; unzaͤhlige male vermuthlich werd ich Aber — Gruͤnde ſag' ich — alles andre, wie's auch Namen haben mag, Man ſag' uͤber meine phyſiognomiſchen Verſuche, was man will; man Aber man verwechsle das Objekt nicht mit dem Subjekte! den Phyſiogno- Jch kann ſchlecht und ſchwach uͤber die Phyſiognomik ſchreiben, und Sie Wer dieſe Fragmente alle geleſen hat, und dann an dieſem letztern noch „Aber daß ich von dieſer Sache ſchreibe? Ein Geiſtlicher und Phyſiogno- Jtzt a 2
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Vorrede.
Jch will alles erwarten, und in allem auf den ſehen, auf den ſo wenige
bey ihren Arbeiten und bey ihrem Urtheilen ihr Augenmerk richten — den Va-
ter der Wahrheit. —
Unzaͤhlige male hab ich mich geirrt; unzaͤhlige male vermuthlich werd ich
auch auf dieſer, zumal ſo wenig betretenen, Bahn, ſtraucheln; niemals aber hart-
naͤckig bey einer Meynung bleiben, wenn man mir, bruͤderlich oder unbruͤderlich —
uͤberwiegende Gegengruͤnde vorlegt.
Aber — Gruͤnde ſag' ich — alles andre, wie's auch Namen haben mag,
iſt Staub in die Augen, fuͤr Thoren oder Knechte!
Man ſag' uͤber meine phyſiognomiſchen Verſuche, was man will; man
kann ſchwerlich ſo viel Schlimmes davon ſagen, als ich ſelber davon denke. Es iſt
nicht auszuſprechen, wie viel in allen Betrachtungen mir fehlt, um in irgend einem
ertraͤglichen Sinn ein Wiederherſteller dieſer menſchlichſten und goͤttlichſten Wiſ-
ſenſchaft zu werden.
Aber man verwechsle das Objekt nicht mit dem Subjekte! den Phyſiogno-
miſten nicht mit der Phyſiognomik!
Jch kann ſchlecht und ſchwach uͤber die Phyſiognomik ſchreiben, und Sie
kann dennoch eine wahre, in der Natur gegruͤndete Wiſſenſchaft ſeyn.
Wer dieſe Fragmente alle geleſen hat, und dann an dieſem letztern noch
zweifelt — der wird an allem in der Welt, was er nicht ſelbſt ausgedacht hat —
zweifeln, oder zu zweifeln vorgeben.
„Aber daß ich von dieſer Sache ſchreibe? Ein Geiſtlicher und Phyſiogno-
„mik!“ „welch ein Kontraſt!“ — Jn den Worten, oder in der That? — Lie-
ber Leſer! wenn du dieß Werk geleſen haſt — (ich appellire auf nichts, als dein
ruhiges, unpartheyiſches Leſen!) — ſo antworte du fuͤr mich.
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