Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
"heit in sichtbarer Gestalt .... ein Untergott, ein Statthalter, ein Herrscher -- die Gottheit
"in seinem Bilde! -- Welch Geschöpf!

"Die Gottheit berathschlaget -- noch schlafen die Kräfte dieser neuen Schöpfung! --
"Diese Gestalt im Bilde wäre so dann innig, unendlich schöner, und lebender, als Fluren,
"Hayn und Gebürg und Elysium! Jnnig schöner und lebender, als Fisch und Vögel, Ge-
"würm und Thier aller Gattungen und Arten! Jn ihn gleichsam der Gedanke, die Schö-
"pfers- und Herrschungsgabe
des Unsichtbaren gesenkt! Wie würde sein Blick! wie That,
"Leben, Gestalt!
Was wäre die ganze Natur gegen diese menschliche Seele! -- Was wäre
"rathschlagend, wie Er! Schaffend, herrschend, das sichtbare Ebenbild der Gottheit --

"Der Rathschlag ist vollendet.

"Gott schuf den Menschen sein Bild!
"Zum Gleichniß Gottes schuf er ihn,
"Er schuf sie, Einen Mann! und Ein Weib!

"Konnte in aller Welt mehr das Menschengeschöpf geehrt, und gleichsam vergöttert
"werden, als durch diese Pause, durch diesen Rathschlag Gottes? Durch Prägung zum Bil-
"de Seiner.

"Gott schuf den Menschen, Sein Bild!
"Er schuf ihn zum Gleichniß Gottes.

"Einfältig, edel und aufschließend für die Natur des Menschen!

"Siehe da seinen Körper! die aufgerichtete, schöne, erhabne Gestalt -- Nur
"Hülle und Bild der Seele! Schleyer und Werkzeug der abgebildeten Gottheit! wie spricht
"sie von diesem menschlichen Antlitz in tausend Sprachen herunter! offenbart sich mit tausend
"Winken, Regungen und Trieben nicht darinn, wie in einem Zauberspiegel, die gegenwär-
"dige, aber verborgne Gottheit? -- So ein unnennbares Himmlisches im menschlichen Auge:
"das Zusammengesetzte aller Zügen und Mienen -- So zeichnet sich die unanschaubare Sonne
"im kleinen trüben Wassertropfen!
Die Gottheit in eine grobe Erdgestalt verschattet! --
"Gottheit wie kräftig und freundlich hast du dich im Menschen offenbart! - - - - -

"Siehe

Einleitung.
heit in ſichtbarer Geſtalt .... ein Untergott, ein Statthalter, ein Herrſcher — die Gottheit
„in ſeinem Bilde! — Welch Geſchoͤpf!

„Die Gottheit berathſchlaget — noch ſchlafen die Kraͤfte dieſer neuen Schoͤpfung! —
„Dieſe Geſtalt im Bilde waͤre ſo dann innig, unendlich ſchoͤner, und lebender, als Fluren,
„Hayn und Gebuͤrg und Elyſium! Jnnig ſchoͤner und lebender, als Fiſch und Voͤgel, Ge-
„wuͤrm und Thier aller Gattungen und Arten! Jn ihn gleichſam der Gedanke, die Schoͤ-
„pfers- und Herrſchungsgabe
des Unſichtbaren geſenkt! Wie wuͤrde ſein Blick! wie That,
„Leben, Geſtalt!
Was waͤre die ganze Natur gegen dieſe menſchliche Seele! — Was waͤre
rathſchlagend, wie Er! Schaffend, herrſchend, das ſichtbare Ebenbild der Gottheit —

„Der Rathſchlag iſt vollendet.

Gott ſchuf den Menſchen ſein Bild!
„Zum Gleichniß Gottes ſchuf er ihn,
„Er ſchuf ſie, Einen Mann! und Ein Weib!

„Konnte in aller Welt mehr das Menſchengeſchoͤpf geehrt, und gleichſam vergoͤttert
„werden, als durch dieſe Pauſe, durch dieſen Rathſchlag Gottes? Durch Praͤgung zum Bil-
„de Seiner.

Gott ſchuf den Menſchen, Sein Bild!
„Er ſchuf ihn zum Gleichniß Gottes.

„Einfaͤltig, edel und aufſchließend fuͤr die Natur des Menſchen!

„Siehe da ſeinen Koͤrper! die aufgerichtete, ſchoͤne, erhabne Geſtalt — Nur
„Huͤlle und Bild der Seele! Schleyer und Werkzeug der abgebildeten Gottheit! wie ſpricht
„ſie von dieſem menſchlichen Antlitz in tauſend Sprachen herunter! offenbart ſich mit tauſend
„Winken, Regungen und Trieben nicht darinn, wie in einem Zauberſpiegel, die gegenwaͤr-
„dige, aber verborgne Gottheit? — So ein unnennbares Himmliſches im menſchlichen Auge:
„das Zuſammengeſetzte aller Zuͤgen und Mienen — So zeichnet ſich die unanſchaubare Sonne
„im kleinen truͤben Waſſertropfen!
Die Gottheit in eine grobe Erdgeſtalt verſchattet!
„Gottheit wie kraͤftig und freundlich haſt du dich im Menſchen offenbart! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒

„Siehe
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0028" n="4"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</hi></fw><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">heit</hi> in &#x017F;ichtbarer Ge&#x017F;talt .... ein Untergott, ein Statthalter, ein Herr&#x017F;cher &#x2014; die Gottheit<lb/>
&#x201E;in &#x017F;einem Bilde! &#x2014; Welch Ge&#x017F;cho&#x0364;pf!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Gottheit berath&#x017F;chlaget &#x2014; noch &#x017F;chlafen die Kra&#x0364;fte die&#x017F;er neuen Scho&#x0364;pfung! &#x2014;<lb/>
&#x201E;Die&#x017F;e Ge&#x017F;talt im Bilde wa&#x0364;re &#x017F;o dann <hi rendition="#fr">innig,</hi> unendlich &#x017F;cho&#x0364;ner, und lebender, als Fluren,<lb/>
&#x201E;Hayn und Gebu&#x0364;rg und Ely&#x017F;ium! <hi rendition="#fr">Jnnig</hi> &#x017F;cho&#x0364;ner und lebender, als Fi&#x017F;ch und Vo&#x0364;gel, Ge-<lb/>
&#x201E;wu&#x0364;rm und Thier aller Gattungen und Arten! Jn ihn gleich&#x017F;am <hi rendition="#fr">der Gedanke, die Scho&#x0364;-<lb/>
&#x201E;pfers- und Herr&#x017F;chungsgabe</hi> des Un&#x017F;ichtbaren <hi rendition="#fr">ge&#x017F;enkt!</hi> Wie wu&#x0364;rde &#x017F;ein <hi rendition="#fr">Blick!</hi> wie <hi rendition="#fr">That,<lb/>
&#x201E;Leben, Ge&#x017F;talt!</hi> Was wa&#x0364;re die ganze Natur gegen die&#x017F;e men&#x017F;chliche Seele! &#x2014; Was wa&#x0364;re<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#fr">rath&#x017F;chlagend, wie Er! Schaffend, herr&#x017F;chend,</hi> das &#x017F;ichtbare Ebenbild der Gottheit &#x2014;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Rath&#x017F;chlag i&#x017F;t vollendet.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;<hi rendition="#fr">Gott &#x017F;chuf den Men&#x017F;chen &#x017F;ein Bild!</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">&#x201E;Zum Gleichniß Gottes &#x017F;chuf er ihn,</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">&#x201E;Er &#x017F;chuf &#x017F;ie, Einen Mann! und Ein Weib!</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>&#x201E;Konnte in aller Welt mehr das Men&#x017F;chenge&#x017F;cho&#x0364;pf geehrt, und gleich&#x017F;am vergo&#x0364;ttert<lb/>
&#x201E;werden, als durch die&#x017F;e Pau&#x017F;e, durch die&#x017F;en Rath&#x017F;chlag Gottes? Durch Pra&#x0364;gung zum <hi rendition="#fr">Bil-<lb/>
&#x201E;de Seiner.</hi></p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>&#x201E;<hi rendition="#fr">Gott &#x017F;chuf den Men&#x017F;chen, Sein Bild!</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">&#x201E;Er &#x017F;chuf ihn zum Gleichniß Gottes.</hi> </l>
          </lg><lb/>
          <p>&#x201E;Einfa&#x0364;ltig, edel und auf&#x017F;chließend fu&#x0364;r die Natur des Men&#x017F;chen!</p><lb/>
          <p>&#x201E;Siehe da &#x017F;einen <hi rendition="#fr">Ko&#x0364;rper!</hi> die <hi rendition="#fr">aufgerichtete, &#x017F;cho&#x0364;ne, erhabne Ge&#x017F;talt</hi> &#x2014; Nur<lb/>
&#x201E;Hu&#x0364;lle und <hi rendition="#fr">Bild der Seele!</hi> Schleyer und Werkzeug der <hi rendition="#fr">abgebildeten Gottheit!</hi> wie &#x017F;pricht<lb/>
&#x201E;&#x017F;ie von die&#x017F;em <hi rendition="#fr">men&#x017F;chlichen Antlitz</hi> in tau&#x017F;end Sprachen herunter! offenbart &#x017F;ich mit tau&#x017F;end<lb/>
&#x201E;Winken, Regungen und Trieben nicht darinn, wie in einem <hi rendition="#fr">Zauber&#x017F;piegel,</hi> die gegenwa&#x0364;r-<lb/>
&#x201E;dige, aber <hi rendition="#fr">verborgne Gottheit?</hi> &#x2014; So ein unnennbares Himmli&#x017F;ches im men&#x017F;chlichen Auge:<lb/>
&#x201E;das Zu&#x017F;ammenge&#x017F;etzte aller Zu&#x0364;gen und Mienen &#x2014; So zeichnet &#x017F;ich die <hi rendition="#fr">unan&#x017F;chaubare Sonne<lb/>
&#x201E;im kleinen tru&#x0364;ben Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen!</hi> Die <hi rendition="#fr">Gottheit</hi> in eine grobe Erdge&#x017F;talt <hi rendition="#fr">ver&#x017F;chattet!</hi> &#x2014;<lb/>
&#x201E;Gottheit wie kra&#x0364;ftig und freundlich ha&#x017F;t du dich im Men&#x017F;chen offenbart! &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Siehe</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0028] Einleitung. „heit in ſichtbarer Geſtalt .... ein Untergott, ein Statthalter, ein Herrſcher — die Gottheit „in ſeinem Bilde! — Welch Geſchoͤpf! „Die Gottheit berathſchlaget — noch ſchlafen die Kraͤfte dieſer neuen Schoͤpfung! — „Dieſe Geſtalt im Bilde waͤre ſo dann innig, unendlich ſchoͤner, und lebender, als Fluren, „Hayn und Gebuͤrg und Elyſium! Jnnig ſchoͤner und lebender, als Fiſch und Voͤgel, Ge- „wuͤrm und Thier aller Gattungen und Arten! Jn ihn gleichſam der Gedanke, die Schoͤ- „pfers- und Herrſchungsgabe des Unſichtbaren geſenkt! Wie wuͤrde ſein Blick! wie That, „Leben, Geſtalt! Was waͤre die ganze Natur gegen dieſe menſchliche Seele! — Was waͤre „rathſchlagend, wie Er! Schaffend, herrſchend, das ſichtbare Ebenbild der Gottheit — „Der Rathſchlag iſt vollendet. „Gott ſchuf den Menſchen ſein Bild! „Zum Gleichniß Gottes ſchuf er ihn, „Er ſchuf ſie, Einen Mann! und Ein Weib! „Konnte in aller Welt mehr das Menſchengeſchoͤpf geehrt, und gleichſam vergoͤttert „werden, als durch dieſe Pauſe, durch dieſen Rathſchlag Gottes? Durch Praͤgung zum Bil- „de Seiner. „Gott ſchuf den Menſchen, Sein Bild! „Er ſchuf ihn zum Gleichniß Gottes. „Einfaͤltig, edel und aufſchließend fuͤr die Natur des Menſchen! „Siehe da ſeinen Koͤrper! die aufgerichtete, ſchoͤne, erhabne Geſtalt — Nur „Huͤlle und Bild der Seele! Schleyer und Werkzeug der abgebildeten Gottheit! wie ſpricht „ſie von dieſem menſchlichen Antlitz in tauſend Sprachen herunter! offenbart ſich mit tauſend „Winken, Regungen und Trieben nicht darinn, wie in einem Zauberſpiegel, die gegenwaͤr- „dige, aber verborgne Gottheit? — So ein unnennbares Himmliſches im menſchlichen Auge: „das Zuſammengeſetzte aller Zuͤgen und Mienen — So zeichnet ſich die unanſchaubare Sonne „im kleinen truͤben Waſſertropfen! Die Gottheit in eine grobe Erdgeſtalt verſchattet! — „Gottheit wie kraͤftig und freundlich haſt du dich im Menſchen offenbart! ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ „Siehe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/28
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/28>, abgerufen am 21.11.2024.