Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 3. Leipzig u. a., 1777.III. Fragment. Creditif der Souveränete, über alles, was ihm nahe kömmt -- sucht den 13, dessen Treue undEifer er bewundert, nicht durch Widerspruch zu reizen -- giebt dem 14. Bewunderung, Liebe -- Zutrauen .. dem 15. den linken, dem 16. den rechten Arm, um mit beyden und zwischen bey- den zu schweben -- liebt und ehrt den 17, kann aber nicht mit ihm zusammenfließen -- ergötzt sich in der unerkannten Lichthelle und Gesundheit des 18, kennt den 19. nicht von Person, hält ihn aber für eine solche Kraft- und Gedankenquelle, die ihn in ihrem mächtigen Strudel verschlin- gen könnte -- entblößt dem 20, (der in der Natur das Kleinliche um den Mund nicht hat, wie in der Silhouette) die allertiefsten Wurzeln seiner Jndividualität -- und bietet ihm von der höch- sten Spitze eines Gipfels die Hand auf die entgegenstehende höchste Spitze eines andern hinüber. Man verzeihe! ich habe wenig gesagt! Man verzeihe! ich habe viel gesagt -- aus Liebe zu meinen Lesern -- und zu Herzen, die Herzen suchen. Jch bin völlig überzeugt, daß der dieß Blatt stu- dieren wird, und besonders das Verhältniß von 9, den ich am besten kenne, so wie alle seine Ver- hältnisse mit den übrigen, sein physiognomisches Verhältniß sag' ich zu allen übrigen Physiogno- mien -- daß der lernen wird, Grade von Linien und Umrissen zu finden, die das Verhältniß der Freundschaftlichkeit bestimmen. Laßt uns noch vollenden. 10. liebt alle, und wird von allen, von 7. und 9. am meisten geliebt. 11. von 12. am meisten -- von allen, die ihn kennen, hochgeachtet; -- 12. einer der allergeliebtesten und -- gefürchtetsten Menschen -- der ganz gewinnt, oder ganz zurückstößt. 13. liebt alle, die er kennt auf diesem Blatte. 14. scheucht mit seinem tiefen Auge alle zweydeutige Schiefe weg -- und faßt die Sache bey der Wurzel an -- liebt unaussprechlich -- und wird nicht so geliebt. 15. jauchzende und schmachtende Liebe wechselt in ihm ab. 16 -- trunken und schwebend in Liebe. 17. liebt, wie 14, unaussprechlich -- und kann nicht so geliebt werden. 18. liebt treu und kalt, und wird so geliebt. 19. verschlingt 12. mit ewig fester Bruderliebe und blickt mit seinem Adlerblick liebend auf jedes Senfkorn der Liebe. 20 -- thut alles um Liebe. Es lohnte sich wahrlich der Mühe, daß jemand -- und wer könnt's, als der letzte, und wie ich glaube, der Größte von allen? -- über die Metaphysik und Physik, oder mit einem Worte die
III. Fragment. Creditif der Souveraͤnete, uͤber alles, was ihm nahe koͤmmt — ſucht den 13, deſſen Treue undEifer er bewundert, nicht durch Widerſpruch zu reizen — giebt dem 14. Bewunderung, Liebe — Zutrauen .. dem 15. den linken, dem 16. den rechten Arm, um mit beyden und zwiſchen bey- den zu ſchweben — liebt und ehrt den 17, kann aber nicht mit ihm zuſammenfließen — ergoͤtzt ſich in der unerkannten Lichthelle und Geſundheit des 18, kennt den 19. nicht von Perſon, haͤlt ihn aber fuͤr eine ſolche Kraft- und Gedankenquelle, die ihn in ihrem maͤchtigen Strudel verſchlin- gen koͤnnte — entbloͤßt dem 20, (der in der Natur das Kleinliche um den Mund nicht hat, wie in der Silhouette) die allertiefſten Wurzeln ſeiner Jndividualitaͤt — und bietet ihm von der hoͤch- ſten Spitze eines Gipfels die Hand auf die entgegenſtehende hoͤchſte Spitze eines andern hinuͤber. Man verzeihe! ich habe wenig geſagt! Man verzeihe! ich habe viel geſagt — aus Liebe zu meinen Leſern — und zu Herzen, die Herzen ſuchen. Jch bin voͤllig uͤberzeugt, daß der dieß Blatt ſtu- dieren wird, und beſonders das Verhaͤltniß von 9, den ich am beſten kenne, ſo wie alle ſeine Ver- haͤltniſſe mit den uͤbrigen, ſein phyſiognomiſches Verhaͤltniß ſag’ ich zu allen uͤbrigen Phyſiogno- mien — daß der lernen wird, Grade von Linien und Umriſſen zu finden, die das Verhaͤltniß der Freundſchaftlichkeit beſtimmen. Laßt uns noch vollenden. 10. liebt alle, und wird von allen, von 7. und 9. am meiſten geliebt. 11. von 12. am meiſten — von allen, die ihn kennen, hochgeachtet; — 12. einer der allergeliebteſten und — gefuͤrchtetſten Menſchen — der ganz gewinnt, oder ganz zuruͤckſtoͤßt. 13. liebt alle, die er kennt auf dieſem Blatte. 14. ſcheucht mit ſeinem tiefen Auge alle zweydeutige Schiefe weg — und faßt die Sache bey der Wurzel an — liebt unausſprechlich — und wird nicht ſo geliebt. 15. jauchzende und ſchmachtende Liebe wechſelt in ihm ab. 16 — trunken und ſchwebend in Liebe. 17. liebt, wie 14, unausſprechlich — und kann nicht ſo geliebt werden. 18. liebt treu und kalt, und wird ſo geliebt. 19. verſchlingt 12. mit ewig feſter Bruderliebe und blickt mit ſeinem Adlerblick liebend auf jedes Senfkorn der Liebe. 20 — thut alles um Liebe. Es lohnte ſich wahrlich der Muͤhe, daß jemand — und wer koͤnnt’s, als der letzte, und wie ich glaube, der Groͤßte von allen? — uͤber die Metaphyſik und Phyſik, oder mit einem Worte die
<TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <list> <item><pb facs="#f0056" n="38"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">III.</hi> Fragment.</hi></hi></fw><lb/> Creditif der Souveraͤnete, uͤber alles, was ihm nahe koͤmmt — ſucht den 13, deſſen Treue und<lb/> Eifer er bewundert, nicht durch Widerſpruch zu reizen — giebt dem 14. Bewunderung, Liebe —<lb/> Zutrauen .. dem 15. den linken, dem 16. den rechten Arm, um mit beyden und zwiſchen bey-<lb/> den zu ſchweben — liebt und ehrt den 17, kann aber nicht mit ihm zuſammenfließen — ergoͤtzt<lb/> ſich in der unerkannten Lichthelle und Geſundheit des 18, kennt den 19. nicht von Perſon, haͤlt<lb/> ihn aber fuͤr eine ſolche Kraft- und Gedankenquelle, die ihn in ihrem maͤchtigen Strudel verſchlin-<lb/> gen koͤnnte — entbloͤßt dem 20, (der in der Natur das Kleinliche um den Mund nicht hat, wie<lb/> in der Silhouette) die allertiefſten Wurzeln ſeiner Jndividualitaͤt — und bietet ihm von der hoͤch-<lb/> ſten Spitze eines Gipfels die Hand auf die entgegenſtehende hoͤchſte Spitze eines andern hinuͤber.<lb/> Man verzeihe! ich habe wenig geſagt! Man verzeihe! ich habe viel geſagt — aus Liebe zu meinen<lb/> Leſern — und zu Herzen, die Herzen ſuchen. Jch bin voͤllig uͤberzeugt, daß der dieß Blatt ſtu-<lb/> dieren wird, und beſonders das Verhaͤltniß von 9, den ich am beſten kenne, ſo wie alle ſeine Ver-<lb/> haͤltniſſe mit den uͤbrigen, ſein phyſiognomiſches Verhaͤltniß ſag’ ich zu allen uͤbrigen Phyſiogno-<lb/> mien — daß der lernen wird, <hi rendition="#fr">Grade</hi> von Linien und Umriſſen zu finden, die das Verhaͤltniß der<lb/> Freundſchaftlichkeit beſtimmen.</item><lb/> <item>Laßt uns noch vollenden. 10. liebt alle, und wird von allen, von 7. und 9. am meiſten<lb/> geliebt. 11. von 12. am meiſten — von allen, die ihn kennen, <hi rendition="#fr">hochgeachtet;</hi> — 12. einer der<lb/> allergeliebteſten und — gefuͤrchtetſten Menſchen — der ganz gewinnt, oder ganz zuruͤckſtoͤßt. 13.<lb/> liebt alle, die er kennt auf dieſem Blatte.</item><lb/> <item>14. ſcheucht mit ſeinem tiefen Auge alle zweydeutige Schiefe weg — und faßt die Sache<lb/> bey der Wurzel an — liebt unausſprechlich — und wird nicht ſo geliebt. 15. jauchzende und<lb/> ſchmachtende Liebe wechſelt in ihm ab. 16 — trunken und ſchwebend in Liebe. 17. liebt, wie 14,<lb/> unausſprechlich — und kann nicht ſo geliebt werden. 18. liebt treu und kalt, und wird ſo geliebt.</item><lb/> <item>19. verſchlingt 12. mit ewig feſter Bruderliebe und blickt mit ſeinem Adlerblick liebend auf<lb/> jedes Senfkorn der Liebe.</item><lb/> <item>20 — <hi rendition="#fr">thut alles um Liebe.</hi></item><lb/> <item>Es lohnte ſich wahrlich der Muͤhe, daß jemand — und wer koͤnnt’s, als der letzte, und wie<lb/> ich glaube, der Groͤßte von allen? — uͤber die Metaphyſik und Phyſik, oder mit einem Worte<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></item> </list> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0056]
III. Fragment.
Creditif der Souveraͤnete, uͤber alles, was ihm nahe koͤmmt — ſucht den 13, deſſen Treue und
Eifer er bewundert, nicht durch Widerſpruch zu reizen — giebt dem 14. Bewunderung, Liebe —
Zutrauen .. dem 15. den linken, dem 16. den rechten Arm, um mit beyden und zwiſchen bey-
den zu ſchweben — liebt und ehrt den 17, kann aber nicht mit ihm zuſammenfließen — ergoͤtzt
ſich in der unerkannten Lichthelle und Geſundheit des 18, kennt den 19. nicht von Perſon, haͤlt
ihn aber fuͤr eine ſolche Kraft- und Gedankenquelle, die ihn in ihrem maͤchtigen Strudel verſchlin-
gen koͤnnte — entbloͤßt dem 20, (der in der Natur das Kleinliche um den Mund nicht hat, wie
in der Silhouette) die allertiefſten Wurzeln ſeiner Jndividualitaͤt — und bietet ihm von der hoͤch-
ſten Spitze eines Gipfels die Hand auf die entgegenſtehende hoͤchſte Spitze eines andern hinuͤber.
Man verzeihe! ich habe wenig geſagt! Man verzeihe! ich habe viel geſagt — aus Liebe zu meinen
Leſern — und zu Herzen, die Herzen ſuchen. Jch bin voͤllig uͤberzeugt, daß der dieß Blatt ſtu-
dieren wird, und beſonders das Verhaͤltniß von 9, den ich am beſten kenne, ſo wie alle ſeine Ver-
haͤltniſſe mit den uͤbrigen, ſein phyſiognomiſches Verhaͤltniß ſag’ ich zu allen uͤbrigen Phyſiogno-
mien — daß der lernen wird, Grade von Linien und Umriſſen zu finden, die das Verhaͤltniß der
Freundſchaftlichkeit beſtimmen.
Laßt uns noch vollenden. 10. liebt alle, und wird von allen, von 7. und 9. am meiſten
geliebt. 11. von 12. am meiſten — von allen, die ihn kennen, hochgeachtet; — 12. einer der
allergeliebteſten und — gefuͤrchtetſten Menſchen — der ganz gewinnt, oder ganz zuruͤckſtoͤßt. 13.
liebt alle, die er kennt auf dieſem Blatte.
14. ſcheucht mit ſeinem tiefen Auge alle zweydeutige Schiefe weg — und faßt die Sache
bey der Wurzel an — liebt unausſprechlich — und wird nicht ſo geliebt. 15. jauchzende und
ſchmachtende Liebe wechſelt in ihm ab. 16 — trunken und ſchwebend in Liebe. 17. liebt, wie 14,
unausſprechlich — und kann nicht ſo geliebt werden. 18. liebt treu und kalt, und wird ſo geliebt.
19. verſchlingt 12. mit ewig feſter Bruderliebe und blickt mit ſeinem Adlerblick liebend auf
jedes Senfkorn der Liebe.
20 — thut alles um Liebe.
Es lohnte ſich wahrlich der Muͤhe, daß jemand — und wer koͤnnt’s, als der letzte, und wie
ich glaube, der Groͤßte von allen? — uͤber die Metaphyſik und Phyſik, oder mit einem Worte
die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |