Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.III. Abschnitt. VIII. Fragment. den -- Laß dir diese Muth machen. Es ist kein Zug deines Gesichtes, der wider dich zeuget -- dernicht auszulöschen, nicht zu veredeln sey! Du solltest, du konntest nicht immer unschuldiges Kind bleiben. Du solltest gehen und laufen lernen durch Anstoß und Fall ... Auch wenn du wund fie- lest; auch wenn du Knochen verrenktest; auch wenn du im Moraste liegen bliebst; es ist eine Hand in der Nähe, die dich aufrichten, stärken und heilen kann. -- Jch lese es mit Freude und stiller An- betung in den Schriften derer, die diese Hand am nähesten kannten ... am innigsten erfuhren, Menschen waren gleichen Anfechtungen unterworfen, wie wir -- bisweilen auch weit weg- irrten vom Kindersinne, sich erhoben im Stolz, versanken in Trägheit, treulos wurden, sogar lä- sterten und lästern machten -- Diese bezeugen mir, was wahr wäre, wenn sie's auch nicht bezeug- ten -- höre, was sie uns an Gottes Statt sagen, und freue dich mit mir: -- Der Vater der Geister alles Fleisches -- er hat deine Nieren in seiner Gewalt. Er hat dich eingewun- den in Mutterleib. Ps. CXXXIX. Siehe ich bin der Herr, der Gott alles Fleisches -- ist mir denn etwas zu schwer? Jerem. XXXII. 27. Er handelt nach seinem Willen an dem Heere des Himmels und an den Einwohnern der Erde, und niemand ist, der sei- ner Hand widerstehen möge. Dan. IV. 32. Hat er nicht des Geistes übrig. Malach. II. 15. Du kannst freylich, ohne ihn, kein einziges deiner Haare weiß oder schwarz machen. Matth. VI. Aber was so unmöglich ist, als daß ein Kameel durch ein Nadelöhr durchgehe, das ist ihm dennoch möglich. Matth. XIX. 26. Siehe ... die Jungen werden müde und matt, und die junge Mannschaft strauchelt und fällt -- aber die, so auf den Herrn hoffen, em- pfangen neue Kraft: daß sie auffahren mit Flügeln wie die Adler: daß sie laufen und nicht erliegen: daß sie wandeln und nicht müde werden. Jes. XL. 30. 31. Alle Natur, beydes der wilden Thiere und Vögel, und der kriechenden und der Meerthiere, wird gezähmt, und ist von der menschlichen Natur gezähmt worden. Jac. III. Sollte der All- mächtige ein wildes Menschengesicht nicht zahm machen können? -- Er kann's, er, der dem Abra- ham aus Steinen Kinder erweckt. Matth. III. Wer hat dem Menschen den Mund ge- schaffen, oder wer hat den Tauben und Stummen, Sehenden oder Blinden gemacht? Bin ichs nicht der Herr? 2 Mos. II. Siehe, er, der aller Herzen gestaltet, und aller Werke weiß, er kann dich waschen, daß du weißer wirst, als der Schnee. Psalm LI. Er leitet
III. Abſchnitt. VIII. Fragment. den — Laß dir dieſe Muth machen. Es iſt kein Zug deines Geſichtes, der wider dich zeuget — dernicht auszuloͤſchen, nicht zu veredeln ſey! Du ſollteſt, du konnteſt nicht immer unſchuldiges Kind bleiben. Du ſollteſt gehen und laufen lernen durch Anſtoß und Fall ... Auch wenn du wund fie- leſt; auch wenn du Knochen verrenkteſt; auch wenn du im Moraſte liegen bliebſt; es iſt eine Hand in der Naͤhe, die dich aufrichten, ſtaͤrken und heilen kann. — Jch leſe es mit Freude und ſtiller An- betung in den Schriften derer, die dieſe Hand am naͤheſten kannten ... am innigſten erfuhren, Menſchen waren gleichen Anfechtungen unterworfen, wie wir — bisweilen auch weit weg- irrten vom Kinderſinne, ſich erhoben im Stolz, verſanken in Traͤgheit, treulos wurden, ſogar laͤ- ſterten und laͤſtern machten — Dieſe bezeugen mir, was wahr waͤre, wenn ſie’s auch nicht bezeug- ten — hoͤre, was ſie uns an Gottes Statt ſagen, und freue dich mit mir: — Der Vater der Geiſter alles Fleiſches — er hat deine Nieren in ſeiner Gewalt. Er hat dich eingewun- den in Mutterleib. Pſ. CXXXIX. Siehe ich bin der Herr, der Gott alles Fleiſches — iſt mir denn etwas zu ſchwer? Jerem. XXXII. 27. Er handelt nach ſeinem Willen an dem Heere des Himmels und an den Einwohnern der Erde, und niemand iſt, der ſei- ner Hand widerſtehen moͤge. Dan. IV. 32. Hat er nicht des Geiſtes uͤbrig. Malach. II. 15. Du kannſt freylich, ohne ihn, kein einziges deiner Haare weiß oder ſchwarz machen. Matth. VI. Aber was ſo unmoͤglich iſt, als daß ein Kameel durch ein Nadeloͤhr durchgehe, das iſt ihm dennoch moͤglich. Matth. XIX. 26. Siehe ... die Jungen werden muͤde und matt, und die junge Mannſchaft ſtrauchelt und faͤllt — aber die, ſo auf den Herrn hoffen, em- pfangen neue Kraft: daß ſie auffahren mit Fluͤgeln wie die Adler: daß ſie laufen und nicht erliegen: daß ſie wandeln und nicht muͤde werden. Jeſ. XL. 30. 31. Alle Natur, beydes der wilden Thiere und Voͤgel, und der kriechenden und der Meerthiere, wird gezaͤhmt, und iſt von der menſchlichen Natur gezaͤhmt worden. Jac. III. Sollte der All- maͤchtige ein wildes Menſchengeſicht nicht zahm machen koͤnnen? — Er kann’s, er, der dem Abra- ham aus Steinen Kinder erweckt. Matth. III. Wer hat dem Menſchen den Mund ge- ſchaffen, oder wer hat den Tauben und Stummen, Sehenden oder Blinden gemacht? Bin ichs nicht der Herr? 2 Moſ. II. Siehe, er, der aller Herzen geſtaltet, und aller Werke weiß, er kann dich waſchen, daß du weißer wirſt, als der Schnee. Pſalm LI. Er leitet
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0244" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Abſchnitt. <hi rendition="#aq">VIII.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/> den — Laß dir dieſe Muth machen. Es iſt kein Zug deines Geſichtes, der wider dich zeuget — der<lb/> nicht auszuloͤſchen, nicht zu veredeln ſey! Du ſollteſt, du konnteſt nicht immer unſchuldiges Kind<lb/> bleiben. Du ſollteſt gehen und laufen lernen durch Anſtoß und Fall ... Auch wenn du wund fie-<lb/> leſt; auch wenn du Knochen verrenkteſt; auch wenn du im Moraſte liegen bliebſt; es iſt eine Hand<lb/> in der Naͤhe, die dich aufrichten, ſtaͤrken und heilen kann. — Jch leſe es mit Freude und ſtiller An-<lb/> betung in den Schriften derer, die dieſe Hand am naͤheſten kannten ... am innigſten erfuhren,<lb/><hi rendition="#fr">Menſchen waren gleichen Anfechtungen unterworfen, wie wir</hi> — bisweilen auch weit weg-<lb/> irrten vom Kinderſinne, ſich erhoben im Stolz, verſanken in Traͤgheit, treulos wurden, ſogar laͤ-<lb/> ſterten und laͤſtern machten — Dieſe bezeugen mir, was wahr waͤre, wenn ſie’s auch nicht bezeug-<lb/> ten — hoͤre, was ſie uns an Gottes Statt ſagen, und freue dich mit mir: — <hi rendition="#fr">Der Vater der<lb/> Geiſter alles Fleiſches — er hat deine Nieren in ſeiner Gewalt. Er hat dich eingewun-<lb/> den in Mutterleib.</hi> Pſ. <hi rendition="#aq">CXXXIX.</hi> <hi rendition="#fr">Siehe ich bin der Herr, der Gott alles Fleiſches —<lb/> iſt mir denn etwas zu ſchwer?</hi> Jerem. <hi rendition="#aq">XXXII.</hi> 27. <hi rendition="#fr">Er handelt nach ſeinem Willen an<lb/> dem Heere des Himmels und an den Einwohnern der Erde, und niemand iſt, der ſei-<lb/> ner Hand widerſtehen moͤge.</hi> Dan. <hi rendition="#aq">IV.</hi> 32. <hi rendition="#fr">Hat er nicht des Geiſtes uͤbrig.</hi> Malach. <hi rendition="#aq">II.</hi> 15.<lb/><hi rendition="#fr">Du kannſt</hi> freylich, ohne ihn, <hi rendition="#fr">kein einziges deiner Haare weiß oder ſchwarz machen.</hi> Matth.<lb/><hi rendition="#aq">VI.</hi> <hi rendition="#fr">Aber was ſo unmoͤglich iſt, als daß ein Kameel durch ein Nadeloͤhr durchgehe, das<lb/> iſt ihm dennoch moͤglich.</hi> Matth. <hi rendition="#aq">XIX.</hi> 26. <hi rendition="#fr">Siehe ... die Jungen werden muͤde und matt,<lb/> und die junge Mannſchaft ſtrauchelt und faͤllt — aber die, ſo auf den Herrn hoffen, em-<lb/> pfangen neue Kraft: daß ſie auffahren mit Fluͤgeln wie die Adler: daß ſie laufen und<lb/> nicht erliegen: daß ſie wandeln und nicht muͤde werden.</hi> Jeſ. <hi rendition="#aq">XL.</hi> 30. 31. <hi rendition="#fr">Alle Natur,<lb/> beydes der wilden Thiere und Voͤgel, und der kriechenden und der Meerthiere, wird<lb/> gezaͤhmt,</hi> und iſt von <hi rendition="#fr">der menſchlichen Natur gezaͤhmt worden.</hi> Jac. <hi rendition="#aq">III.</hi> Sollte der All-<lb/> maͤchtige ein wildes Menſchengeſicht nicht zahm machen koͤnnen? — Er kann’s, er, <hi rendition="#fr">der dem Abra-<lb/> ham aus Steinen Kinder erweckt.</hi> Matth. <hi rendition="#aq">III.</hi> <hi rendition="#fr">Wer hat dem Menſchen den Mund ge-<lb/> ſchaffen, oder wer hat den Tauben und Stummen, Sehenden oder Blinden gemacht?<lb/> Bin ichs nicht der Herr?</hi> 2 Moſ. <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#fr">Siehe, er, der aller Herzen geſtaltet, und aller<lb/> Werke weiß, er kann dich waſchen, daß du weißer wirſt, als der Schnee.</hi> Pſalm <hi rendition="#aq">LI.</hi> <hi rendition="#fr">Er</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">leitet</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [214/0244]
III. Abſchnitt. VIII. Fragment.
den — Laß dir dieſe Muth machen. Es iſt kein Zug deines Geſichtes, der wider dich zeuget — der
nicht auszuloͤſchen, nicht zu veredeln ſey! Du ſollteſt, du konnteſt nicht immer unſchuldiges Kind
bleiben. Du ſollteſt gehen und laufen lernen durch Anſtoß und Fall ... Auch wenn du wund fie-
leſt; auch wenn du Knochen verrenkteſt; auch wenn du im Moraſte liegen bliebſt; es iſt eine Hand
in der Naͤhe, die dich aufrichten, ſtaͤrken und heilen kann. — Jch leſe es mit Freude und ſtiller An-
betung in den Schriften derer, die dieſe Hand am naͤheſten kannten ... am innigſten erfuhren,
Menſchen waren gleichen Anfechtungen unterworfen, wie wir — bisweilen auch weit weg-
irrten vom Kinderſinne, ſich erhoben im Stolz, verſanken in Traͤgheit, treulos wurden, ſogar laͤ-
ſterten und laͤſtern machten — Dieſe bezeugen mir, was wahr waͤre, wenn ſie’s auch nicht bezeug-
ten — hoͤre, was ſie uns an Gottes Statt ſagen, und freue dich mit mir: — Der Vater der
Geiſter alles Fleiſches — er hat deine Nieren in ſeiner Gewalt. Er hat dich eingewun-
den in Mutterleib. Pſ. CXXXIX. Siehe ich bin der Herr, der Gott alles Fleiſches —
iſt mir denn etwas zu ſchwer? Jerem. XXXII. 27. Er handelt nach ſeinem Willen an
dem Heere des Himmels und an den Einwohnern der Erde, und niemand iſt, der ſei-
ner Hand widerſtehen moͤge. Dan. IV. 32. Hat er nicht des Geiſtes uͤbrig. Malach. II. 15.
Du kannſt freylich, ohne ihn, kein einziges deiner Haare weiß oder ſchwarz machen. Matth.
VI. Aber was ſo unmoͤglich iſt, als daß ein Kameel durch ein Nadeloͤhr durchgehe, das
iſt ihm dennoch moͤglich. Matth. XIX. 26. Siehe ... die Jungen werden muͤde und matt,
und die junge Mannſchaft ſtrauchelt und faͤllt — aber die, ſo auf den Herrn hoffen, em-
pfangen neue Kraft: daß ſie auffahren mit Fluͤgeln wie die Adler: daß ſie laufen und
nicht erliegen: daß ſie wandeln und nicht muͤde werden. Jeſ. XL. 30. 31. Alle Natur,
beydes der wilden Thiere und Voͤgel, und der kriechenden und der Meerthiere, wird
gezaͤhmt, und iſt von der menſchlichen Natur gezaͤhmt worden. Jac. III. Sollte der All-
maͤchtige ein wildes Menſchengeſicht nicht zahm machen koͤnnen? — Er kann’s, er, der dem Abra-
ham aus Steinen Kinder erweckt. Matth. III. Wer hat dem Menſchen den Mund ge-
ſchaffen, oder wer hat den Tauben und Stummen, Sehenden oder Blinden gemacht?
Bin ichs nicht der Herr? 2 Moſ. II. Siehe, er, der aller Herzen geſtaltet, und aller
Werke weiß, er kann dich waſchen, daß du weißer wirſt, als der Schnee. Pſalm LI. Er
leitet
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |