Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.IV. Abschnitt. V. Fragment. mit kleinen Nasen von hohlem Profil gesehen -- aber dieser ihre Vortrefflichkeit besteht mehr imLeiden und Hören, Lernen, Empfangen, Genießen feiner geistiger Wirkungen, (wenn nämlich ihr übriger Bau fein organisirt ist.) Oben bey der Wurzel vorgebogene Nasen hingegen sind vortreff- licher zum Gebieten, Herrschen, Wirken, Durchsetzen, Zerstören. Geradlinigte Nasen möchte ich Schlußsteine zwischen den beyden andern nennen. Sie wirken und leiden mit Kraft und Stille. Boerhave, Sokrates, Läreße, hatten mehr und minder häßliche Nasen, und waren Jch habe noch nie eine Nase mit einem breiten Rücken gesehen, er mochte nun gebogen oder Mehr und weniger solche Nasen hatten z. E. Raynal, Faustus Socinus, Swift, Cä- Es giebt aber auch Nasen, die keinen breiten Rücken haben, oben bey der Wurzel sehr Die tartarischen Völker haben durchgehends platte eingebogene Nasen -- Die afrikani- Kleine Nasenlöcher beynahe ein sicheres Zeichen ununternehmender Furchtsamkeit. Sicht- Nachste-
IV. Abſchnitt. V. Fragment. mit kleinen Naſen von hohlem Profil geſehen — aber dieſer ihre Vortrefflichkeit beſteht mehr imLeiden und Hoͤren, Lernen, Empfangen, Genießen feiner geiſtiger Wirkungen, (wenn naͤmlich ihr uͤbriger Bau fein organiſirt iſt.) Oben bey der Wurzel vorgebogene Naſen hingegen ſind vortreff- licher zum Gebieten, Herrſchen, Wirken, Durchſetzen, Zerſtoͤren. Geradlinigte Naſen moͤchte ich Schlußſteine zwiſchen den beyden andern nennen. Sie wirken und leiden mit Kraft und Stille. Boerhave, Sokrates, Laͤreße, hatten mehr und minder haͤßliche Naſen, und waren Jch habe noch nie eine Naſe mit einem breiten Ruͤcken geſehen, er mochte nun gebogen oder Mehr und weniger ſolche Naſen hatten z. E. Raynal, Fauſtus Socinus, Swift, Caͤ- Es giebt aber auch Naſen, die keinen breiten Ruͤcken haben, oben bey der Wurzel ſehr Die tartariſchen Voͤlker haben durchgehends platte eingebogene Naſen — Die afrikani- Kleine Naſenloͤcher beynahe ein ſicheres Zeichen ununternehmender Furchtſamkeit. Sicht- Nachſte-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0298" n="258"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Abſchnitt. <hi rendition="#aq">V.</hi> Fragment.</hi></fw><lb/> mit kleinen Naſen von hohlem Profil geſehen — aber dieſer ihre Vortrefflichkeit beſteht mehr im<lb/> Leiden und Hoͤren, Lernen, Empfangen, Genießen feiner geiſtiger Wirkungen, (wenn naͤmlich ihr<lb/> uͤbriger Bau fein organiſirt iſt.) Oben bey der Wurzel vorgebogene Naſen hingegen ſind vortreff-<lb/> licher zum Gebieten, Herrſchen, Wirken, Durchſetzen, Zerſtoͤren. Geradlinigte Naſen moͤchte<lb/> ich Schlußſteine zwiſchen den beyden andern nennen. Sie wirken und leiden mit Kraft und<lb/> Stille.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Boerhave, Sokrates, Laͤreße,</hi> hatten mehr und minder haͤßliche Naſen, und waren<lb/> große Maͤnner — aber ihr Charakter war ſanft und duldend.</p><lb/> <p>Jch habe noch nie eine Naſe mit einem breiten Ruͤcken geſehen, er mochte nun gebogen oder<lb/> gerade ſeyn — als an ganz außerordentlichen Menſchen. Man kann auch zehntauſend lebende Ge-<lb/> ſichter, und tauſend Portraͤte merkwuͤrdiger Menſchen durchgehen, ehe man eine einzige ſolche findet.</p><lb/> <p>Mehr und weniger ſolche Naſen hatten z. E. <hi rendition="#fr">Raynal, Fauſtus Socinus, Swift, Caͤ-<lb/> ſar Borgia, Clepzecker, Anton Pagi, Johann Carl von Enkenberg,</hi> (ein Mann von<lb/> Simſonſcher Staͤrke,) <hi rendition="#fr">Paul Sarpi, Petrus Medizis, Franciſcus Carracci, Caßini,<lb/> Lukas von Leyden, Titian.</hi></p><lb/> <p>Es giebt aber auch Naſen, die keinen breiten Ruͤcken haben, oben bey der Wurzel ſehr<lb/> ſchmal ſind — von außerordentlicher Kraft. Aber ihre Kraft iſt mehr elaſtiſch, mehr momentan —<lb/> als fortdruͤckend.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#fr">tartariſchen</hi> Voͤlker haben durchgehends platte eingebogene Naſen — Die <hi rendition="#fr">afrikani-<lb/> ſchen Schwarzen</hi> Stumpfnaſen, die <hi rendition="#fr">Juden</hi> groͤßtentheils Habichtsnaſen — Die <hi rendition="#fr">Englaͤnder</hi><lb/> haben ſelten ſpitze Naſen, mehrentheils knorpelicht. Die <hi rendition="#fr">Hollaͤnder</hi> haben, aus Portraͤten zu<lb/> ſchließen, ſelten ſchoͤne und ſehr bedeutende Naſen. — Große und bedeutende Naſen haben die <hi rendition="#fr">Jta-<lb/> liaͤner;</hi> die großen <hi rendition="#fr">Franzoſen</hi> haben, meines Ermeſſens, den Charakter ihrer Groͤße am meiſten<lb/> in den Naſen. Man ſehe z. E. die Portraͤtſammlungen von <hi rendition="#fr">Perault</hi> und <hi rendition="#fr">Morin.</hi></p><lb/> <p>Kleine Naſenloͤcher beynahe ein ſicheres Zeichen ununternehmender Furchtſamkeit. Sicht-<lb/> bar athmende, offne Naſenfluͤgel ein ſicheres Zeichen feiner Empfindung, die leicht in Sinnlichkeit<lb/> und Wolluſt ausarten kann.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Nachſte-</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [258/0298]
IV. Abſchnitt. V. Fragment.
mit kleinen Naſen von hohlem Profil geſehen — aber dieſer ihre Vortrefflichkeit beſteht mehr im
Leiden und Hoͤren, Lernen, Empfangen, Genießen feiner geiſtiger Wirkungen, (wenn naͤmlich ihr
uͤbriger Bau fein organiſirt iſt.) Oben bey der Wurzel vorgebogene Naſen hingegen ſind vortreff-
licher zum Gebieten, Herrſchen, Wirken, Durchſetzen, Zerſtoͤren. Geradlinigte Naſen moͤchte
ich Schlußſteine zwiſchen den beyden andern nennen. Sie wirken und leiden mit Kraft und
Stille.
Boerhave, Sokrates, Laͤreße, hatten mehr und minder haͤßliche Naſen, und waren
große Maͤnner — aber ihr Charakter war ſanft und duldend.
Jch habe noch nie eine Naſe mit einem breiten Ruͤcken geſehen, er mochte nun gebogen oder
gerade ſeyn — als an ganz außerordentlichen Menſchen. Man kann auch zehntauſend lebende Ge-
ſichter, und tauſend Portraͤte merkwuͤrdiger Menſchen durchgehen, ehe man eine einzige ſolche findet.
Mehr und weniger ſolche Naſen hatten z. E. Raynal, Fauſtus Socinus, Swift, Caͤ-
ſar Borgia, Clepzecker, Anton Pagi, Johann Carl von Enkenberg, (ein Mann von
Simſonſcher Staͤrke,) Paul Sarpi, Petrus Medizis, Franciſcus Carracci, Caßini,
Lukas von Leyden, Titian.
Es giebt aber auch Naſen, die keinen breiten Ruͤcken haben, oben bey der Wurzel ſehr
ſchmal ſind — von außerordentlicher Kraft. Aber ihre Kraft iſt mehr elaſtiſch, mehr momentan —
als fortdruͤckend.
Die tartariſchen Voͤlker haben durchgehends platte eingebogene Naſen — Die afrikani-
ſchen Schwarzen Stumpfnaſen, die Juden groͤßtentheils Habichtsnaſen — Die Englaͤnder
haben ſelten ſpitze Naſen, mehrentheils knorpelicht. Die Hollaͤnder haben, aus Portraͤten zu
ſchließen, ſelten ſchoͤne und ſehr bedeutende Naſen. — Große und bedeutende Naſen haben die Jta-
liaͤner; die großen Franzoſen haben, meines Ermeſſens, den Charakter ihrer Groͤße am meiſten
in den Naſen. Man ſehe z. E. die Portraͤtſammlungen von Perault und Morin.
Kleine Naſenloͤcher beynahe ein ſicheres Zeichen ununternehmender Furchtſamkeit. Sicht-
bar athmende, offne Naſenfluͤgel ein ſicheres Zeichen feiner Empfindung, die leicht in Sinnlichkeit
und Wolluſt ausarten kann.
Nachſte-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |