Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.Aehnlichkeit der Aeltern und Kinder. Die Söhne scheinen von dem guten Vater vielmehr den moralischen, von der weisen Mut- Die Aehnlichkeit der Kinder mit den Aeltern muß, wenn man ihr recht auf die Spur kom- Dann kann man am leichtesten sehen, wem, seiner Grundbildung nach, das Kind ähnlich Wenn die Kinder ihren Aeltern mit dem Fortschritte der Jahre immer zusehends und un- Vom starkgezeichneten Vater, glaube ich, rührt die Festigkeit und die Art -- ich sage Gewisse Gesichtsformen der Kinder scheinen noch unentschieden zu seyn, und gleichsam noch Man sieht auch bisweilen, daß Kinder eine Zeitlang erst dem Vater erstaunlich ähnlich se- Jch
Aehnlichkeit der Aeltern und Kinder. Die Soͤhne ſcheinen von dem guten Vater vielmehr den moraliſchen, von der weiſen Mut- Die Aehnlichkeit der Kinder mit den Aeltern muß, wenn man ihr recht auf die Spur kom- Dann kann man am leichteſten ſehen, wem, ſeiner Grundbildung nach, das Kind aͤhnlich Wenn die Kinder ihren Aeltern mit dem Fortſchritte der Jahre immer zuſehends und un- Vom ſtarkgezeichneten Vater, glaube ich, ruͤhrt die Feſtigkeit und die Art — ich ſage Gewiſſe Geſichtsformen der Kinder ſcheinen noch unentſchieden zu ſeyn, und gleichſam noch Man ſieht auch bisweilen, daß Kinder eine Zeitlang erſt dem Vater erſtaunlich aͤhnlich ſe- Jch
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Aehnlichkeit der Aeltern und Kinder.
Die Soͤhne ſcheinen von dem guten Vater vielmehr den moraliſchen, von der weiſen Mut-
ter den intellektuellen Charakter zu erben. Die Toͤchter erben mehr den ausgezeichneten Cha-
rakter der Mutter.
Die Aehnlichkeit der Kinder mit den Aeltern muß, wenn man ihr recht auf die Spur kom-
men will, unmittelbar eine oder zwo Stunden nach der Geburt beobachtet werden.
Dann kann man am leichteſten ſehen, wem, ſeiner Grundbildung nach, das Kind aͤhnlich
iſt. Dieſe erſte grundwahre Aehnlichkeit verliert ſich gemeiniglich nachher, und koͤmmt oft erſt nach
vielen Jahren, oft erſt nach dem Tode, wieder zum Vorſchein.
Wenn die Kinder ihren Aeltern mit dem Fortſchritte der Jahre immer zuſehends und un-
zweifelhaft der Geſtalt und Geſichtsform nach aͤhnlich werden, ſo kann man in Anſehung der ſteigen-
den Aehnlichkeit des Charakters ſicher ſeyn. So ſehr oft der Charakter der Kinder dem Charakter
der Aeltern, denen ſie aͤhnlich ſehen, ungleich ſcheinen mag, ſo wird man dennoch finden, daß dieſe
Ungleichheit mehr von den aͤußern Umſtaͤnden und Verſchiedenheiten abhaͤngt, und daß dieſe Ver-
ſchiedenheit erſtaunlich groß ſeyn muß, wenn ſie von der Aehnlichkeit der Form nicht uͤber kurz oder
lang uͤberwogen werden ſoll.
Vom ſtarkgezeichneten Vater, glaube ich, ruͤhrt die Feſtigkeit und die Art — ich ſage
nicht: die Form — die Art der Knochen und Muskeln, von der ſtarkgezeichneten Mutter die
Art der Nerven und die Geſichtsform her — woferne die Jmagination und Liebe der Mutter
nicht ſehr ſtark in das Mannsgeſicht ſich gleichſam hineingewurzelt hat.
Gewiſſe Geſichtsformen der Kinder ſcheinen noch unentſchieden zu ſeyn, und gleichſam noch
wankend in dem Entſchluſſe, ob ſie ſich zur vaͤterlichen oder muͤtterlichen Aehnlichkeit wenden wollen.
Da moͤgen denn freylich aͤußerliche Umſtaͤnde, und beſonders das Uebergewicht der vaͤterlichen oder
muͤtterlichen Liebe, und der mehrere oder mindere Umgang mit Vater oder Mutter, ein großes Ge-
wicht zur Entſcheidung haben.
Man ſieht auch bisweilen, daß Kinder eine Zeitlang erſt dem Vater erſtaunlich aͤhnlich ſe-
hen, und lange hernach dieſe Aehnlichkeit beynahe uͤberall zu verlieren, und ſich in das Bild der
Mutter zu verwandeln ſcheinen.
Jch
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