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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778.

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VI. Abschnitt. I. Fragment.

je mehr sie sich dem Zirkelbogen, oder noch mehr dem Oval nähert -- dem cholerischen Feuer ent-
weicht; -- sich hingegen ihm nähert, je gerader und schiefer und gebrochener sie ist.

[Abbildung]

1. ist das Phlegma non plus ultra.

2. ist sanguinisch. 3. 4. 5. 6. ungleiche Grade des Hochcholerischen.

7. 8. 9. einige Linien des melancholischen; nämlich charakteristisch verstärkt.

Zweytes

Bey

[Spaltenumbruch] "herrschende, lautere Lichttemperament wäre also das
"vollkommenste von allen; Christus das höchste Bey-
"spiel. Die ihm gleichförmigsten Lichter, Augen der
"Welt, Sonnen der Ewigkeit.
"Das Lichtnaturell wäre also die leichteste Reiz-
"barkeit zu sanfter allerhellender Ausbreitung.
"Bey hitzigen cholerischen Menschen herrschet Reiz-
"barkeit zu allverzehrender Ausbreitung; durch-
"dringende Triebkraft und Schärfe in alle Höhe und
"Weite, wovon der Ausdruck wie feuriger Dunst sich
"mächtig verbreitet.
"Bey natürlich leichtsinnigen und leichtbeweglichen
"sogenannten sanguinischen oder merkurialischen herr-
"schet die flüchtigste Veränderungssucht, allwärts leicht
"und schnell ausdringende Belustigungskraft, wie Luft
"über alles -- Reizbarkeit zu leicht allbewegender
"Ausbreitung.
"Bey kaltsinnigen, von Natur trocken gleichgültigen,
"stillen Lächlern, jovialischen Menschen, die Kraft und
"Neigung alles gerade ruhig anzuschauen, genau zu beob-
"achten, abzuwägen, auf den Grund zu gehen; andre
[Spaltenumbruch] "zu vergnügen auf sichern Grund, ohne eignen Scha-
"den; aus allem, was ihnen nicht Grund ist oder scheint,
"Scherz zu machen, Thorheit oder Voreiligkeit abzu-
"würzen und abzuscheiden; durchdringende Salzkraft
"des Geistes, wovon äußerer Salzgeist wie ein Elemen-
"tarausdruck ist -- Reizbarkeit zu scharfer allent-
"scheidender Ausbreitung.
"Bey vorzüglich weichlich liebesvollen, ganz süß-
"lichen, zärtlich sanft lieblichen, leicht schmelzenden über
"alles, venerischen Seelen, die leicht anhängige, schlü-
"pfrig verwickelnde, allbiegsam einschleichende, überall
"gern bindende und durchdringende Vereinigungskraft,
"wie Oeligkeit, Fettigkeit oder Zähigkeit der Materie --
"Reizbarkeit zu lieblich allverbindender Ausbrei-
"tung.
"Bey phlegmatischen, trägen sanften, lunari-
"schen Wesen die Selbstberuhigungskraft über alles
"Besänftigungs- und Erweichungskraft; für andere
"leicht gutmüthig eingehend, sanft in alles und von al-
"lem zur Ruhe gehend, wie im Materialbilde das Was-
"ser. Reizbarkeit zu flüßig allberuhigender Aus-
"breitung.

VI. Abſchnitt. I. Fragment.

je mehr ſie ſich dem Zirkelbogen, oder noch mehr dem Oval naͤhert — dem choleriſchen Feuer ent-
weicht; — ſich hingegen ihm naͤhert, je gerader und ſchiefer und gebrochener ſie iſt.

[Abbildung]

1. iſt das Phlegma non plus ultra.

2. iſt ſanguiniſch. 3. 4. 5. 6. ungleiche Grade des Hochcholeriſchen.

7. 8. 9. einige Linien des melancholiſchen; naͤmlich charakteriſtiſch verſtaͤrkt.

Zweytes

Bey

[Spaltenumbruch] „herrſchende, lautere Lichttemperament waͤre alſo das
„vollkommenſte von allen; Chriſtus das hoͤchſte Bey-
„ſpiel. Die ihm gleichfoͤrmigſten Lichter, Augen der
„Welt, Sonnen der Ewigkeit.
„Das Lichtnaturell waͤre alſo die leichteſte Reiz-
„barkeit zu ſanfter allerhellender Ausbreitung.
„Bey hitzigen choleriſchen Menſchen herrſchet Reiz-
„barkeit zu allverzehrender Ausbreitung; durch-
„dringende Triebkraft und Schaͤrfe in alle Hoͤhe und
„Weite, wovon der Ausdruck wie feuriger Dunſt ſich
„maͤchtig verbreitet.
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„ſogenannten ſanguiniſchen oder merkurialiſchen herr-
„ſchet die fluͤchtigſte Veraͤnderungsſucht, allwaͤrts leicht
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„uͤber alles — Reizbarkeit zu leicht allbewegender
„Ausbreitung.
„Bey kaltſinnigen, von Natur trocken gleichguͤltigen,
„ſtillen Laͤchlern, jovialiſchen Menſchen, die Kraft und
„Neigung alles gerade ruhig anzuſchauen, genau zu beob-
„achten, abzuwaͤgen, auf den Grund zu gehen; andre
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„Scherz zu machen, Thorheit oder Voreiligkeit abzu-
„wuͤrzen und abzuſcheiden; durchdringende Salzkraft
„des Geiſtes, wovon aͤußerer Salzgeiſt wie ein Elemen-
„tarausdruck iſt — Reizbarkeit zu ſcharfer allent-
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„pfrig verwickelnde, allbiegſam einſchleichende, uͤberall
„gern bindende und durchdringende Vereinigungskraft,
„wie Oeligkeit, Fettigkeit oder Zaͤhigkeit der Materie —
„Reizbarkeit zu lieblich allverbindender Ausbrei-
„tung.
„Bey phlegmatiſchen, traͤgen ſanften, lunari-
„ſchen Weſen die Selbſtberuhigungskraft uͤber alles
„Beſaͤnftigungs- und Erweichungskraft; fuͤr andere
„leicht gutmuͤthig eingehend, ſanft in alles und von al-
„lem zur Ruhe gehend, wie im Materialbilde das Waſ-
„ſer. Reizbarkeit zu fluͤßig allberuhigender Aus-
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[350/0412] VI. Abſchnitt. I. Fragment. je mehr ſie ſich dem Zirkelbogen, oder noch mehr dem Oval naͤhert — dem choleriſchen Feuer ent- weicht; — ſich hingegen ihm naͤhert, je gerader und ſchiefer und gebrochener ſie iſt. [Abbildung] 1. iſt das Phlegma non plus ultra. 2. iſt ſanguiniſch. 3. 4. 5. 6. ungleiche Grade des Hochcholeriſchen. 7. 8. 9. einige Linien des melancholiſchen; naͤmlich charakteriſtiſch verſtaͤrkt. Zweytes 1) Bey 1) „herrſchende, lautere Lichttemperament waͤre alſo das „vollkommenſte von allen; Chriſtus das hoͤchſte Bey- „ſpiel. Die ihm gleichfoͤrmigſten Lichter, Augen der „Welt, Sonnen der Ewigkeit. „Das Lichtnaturell waͤre alſo die leichteſte Reiz- „barkeit zu ſanfter allerhellender Ausbreitung. „Bey hitzigen choleriſchen Menſchen herrſchet Reiz- „barkeit zu allverzehrender Ausbreitung; durch- „dringende Triebkraft und Schaͤrfe in alle Hoͤhe und „Weite, wovon der Ausdruck wie feuriger Dunſt ſich „maͤchtig verbreitet. „Bey natuͤrlich leichtſinnigen und leichtbeweglichen „ſogenannten ſanguiniſchen oder merkurialiſchen herr- „ſchet die fluͤchtigſte Veraͤnderungsſucht, allwaͤrts leicht „und ſchnell ausdringende Beluſtigungskraft, wie Luft „uͤber alles — Reizbarkeit zu leicht allbewegender „Ausbreitung. „Bey kaltſinnigen, von Natur trocken gleichguͤltigen, „ſtillen Laͤchlern, jovialiſchen Menſchen, die Kraft und „Neigung alles gerade ruhig anzuſchauen, genau zu beob- „achten, abzuwaͤgen, auf den Grund zu gehen; andre „zu vergnuͤgen auf ſichern Grund, ohne eignen Scha- „den; aus allem, was ihnen nicht Grund iſt oder ſcheint, „Scherz zu machen, Thorheit oder Voreiligkeit abzu- „wuͤrzen und abzuſcheiden; durchdringende Salzkraft „des Geiſtes, wovon aͤußerer Salzgeiſt wie ein Elemen- „tarausdruck iſt — Reizbarkeit zu ſcharfer allent- „ſcheidender Ausbreitung. „Bey vorzuͤglich weichlich liebesvollen, ganz ſuͤß- „lichen, zaͤrtlich ſanft lieblichen, leicht ſchmelzenden uͤber „alles, veneriſchen Seelen, die leicht anhaͤngige, ſchluͤ- „pfrig verwickelnde, allbiegſam einſchleichende, uͤberall „gern bindende und durchdringende Vereinigungskraft, „wie Oeligkeit, Fettigkeit oder Zaͤhigkeit der Materie — „Reizbarkeit zu lieblich allverbindender Ausbrei- „tung. „Bey phlegmatiſchen, traͤgen ſanften, lunari- „ſchen Weſen die Selbſtberuhigungskraft uͤber alles „Beſaͤnftigungs- und Erweichungskraft; fuͤr andere „leicht gutmuͤthig eingehend, ſanft in alles und von al- „lem zur Ruhe gehend, wie im Materialbilde das Waſ- „ſer. Reizbarkeit zu fluͤßig allberuhigender Aus- „breitung.

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Zitationshilfe:	Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 4. Leipzig u. a., 1778, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente04_1778/412>, abgerufen am 23.11.2024.

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