Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.ich vielleicht mich verirren, wenn mich die ernste Geduld D 2
ich vielleicht mich verirren, wenn mich die ernſte Geduld D 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0053" n="51"/> ich vielleicht mich verirren, wenn mich die ernſte<lb/> Stimme der Trübſal nie aus der Welt zurück riefe.<lb/> Nun aber, wenn ich die Erde mit einem etwas be-<lb/> trübten Auge betrachte, ſo ſehe ich erſt den geringen<lb/> Werth ihrer Güter; merke, wie ſo wenig geſchickt<lb/> ſie ſind, meinen Geiſt zu befriedigen, oder ein dauer-<lb/> hafter Grund meiner Ruhe zu ſeyn. O dann ver-<lb/> langet meine Seele nach beſtändigeren Dingen?<lb/> Dann erquicket mich die Hoffnung, daß ich meinen<lb/> Erlöſer, daß ich eine vollkommenere Welt ſchauen ſoll.<lb/> Wie wächſet mein Vertrauen nach dem Kampfe?<lb/> Wie ruhet dann ein müder Geiſt in dir, der du al-<lb/> lein meines Herzens Troſt und mein Gott biſt?<lb/> So gut ſind deine Abſichten; ſo vortheilhaft alle<lb/> Wege die du mich führeſt. Es ſtehet ja bey dir,<lb/> die geſchwindeſten Veränderungen meines Glückes<lb/> erſcheinen zu laſſen. Schnell haſt du ſchon oft den<lb/> Reichen arm, und den Dürſtigen reich gemacht;<lb/> die Niedrigen erhöht, und die Hohen von dem<lb/> Stuhle der Ehre geſtürzt. Nichts um mich iſt feſt,<lb/> alles in einem beſtändigen Lauf und mannigfaltigen<lb/> Wechſel. An was ſoll ich mich in dieſer Ungewiß-<lb/> heit halten? womit tröſten, wenn was mir lieb iſt,<lb/> entwelcht, was mir Verdruß macht, geſchieht?<lb/> damit, daß alles, was du werden läſſeſt, mir doch<lb/> endlich heilſam iſt, damit, daß mir nichts ſchaden<lb/> kann, wenn ich dem Guten anhange, denn du, Herr,<lb/> leiteſt mich nach deinem Rath, und nimmſt mich<lb/> endlich mit Ehren an. Gelobet ſey der Herr täglich,<lb/> er legt uns eine Laſt auf, aber er hilft uns auch,<lb/> Sela. Die ihn ſuchen und anlaufen, werden nicht<lb/> zu Schanden. Dem Gerechten muß doch das Licht<lb/> wieder aufgehen, und Freude den frommen Herzen.<lb/> Ich harre des Herrn; meine Seele hoffet auf dich.<lb/> Ich will ſchweigen und meinen Mund nicht auf thun;<lb/> du, Herr, wirſt es wohl machen! Amen.</p> </div><lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Geduld</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [51/0053]
ich vielleicht mich verirren, wenn mich die ernſte
Stimme der Trübſal nie aus der Welt zurück riefe.
Nun aber, wenn ich die Erde mit einem etwas be-
trübten Auge betrachte, ſo ſehe ich erſt den geringen
Werth ihrer Güter; merke, wie ſo wenig geſchickt
ſie ſind, meinen Geiſt zu befriedigen, oder ein dauer-
hafter Grund meiner Ruhe zu ſeyn. O dann ver-
langet meine Seele nach beſtändigeren Dingen?
Dann erquicket mich die Hoffnung, daß ich meinen
Erlöſer, daß ich eine vollkommenere Welt ſchauen ſoll.
Wie wächſet mein Vertrauen nach dem Kampfe?
Wie ruhet dann ein müder Geiſt in dir, der du al-
lein meines Herzens Troſt und mein Gott biſt?
So gut ſind deine Abſichten; ſo vortheilhaft alle
Wege die du mich führeſt. Es ſtehet ja bey dir,
die geſchwindeſten Veränderungen meines Glückes
erſcheinen zu laſſen. Schnell haſt du ſchon oft den
Reichen arm, und den Dürſtigen reich gemacht;
die Niedrigen erhöht, und die Hohen von dem
Stuhle der Ehre geſtürzt. Nichts um mich iſt feſt,
alles in einem beſtändigen Lauf und mannigfaltigen
Wechſel. An was ſoll ich mich in dieſer Ungewiß-
heit halten? womit tröſten, wenn was mir lieb iſt,
entwelcht, was mir Verdruß macht, geſchieht?
damit, daß alles, was du werden läſſeſt, mir doch
endlich heilſam iſt, damit, daß mir nichts ſchaden
kann, wenn ich dem Guten anhange, denn du, Herr,
leiteſt mich nach deinem Rath, und nimmſt mich
endlich mit Ehren an. Gelobet ſey der Herr täglich,
er legt uns eine Laſt auf, aber er hilft uns auch,
Sela. Die ihn ſuchen und anlaufen, werden nicht
zu Schanden. Dem Gerechten muß doch das Licht
wieder aufgehen, und Freude den frommen Herzen.
Ich harre des Herrn; meine Seele hoffet auf dich.
Ich will ſchweigen und meinen Mund nicht auf thun;
du, Herr, wirſt es wohl machen! Amen.
Geduld
D 2
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