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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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auch alles zu deiner Herrlichkeit und meinem ewigen
Heile zu lenken weiß. Wenn ich nur vor muthwil-
ligen Uebertretungen deiner Gebote mich hüte, so
kennest du dann nicht allein meine Schwäche, son-
dern auch die Aufrichtigkeit meines Herzens; ma-
chest gut, was ich aus Leichtsinn verderbte, und leh-
rest mich durch den Fall, und durch die Zucht, künf-
tig weiser seyn. Was kann mir dann also begegnen,
das nicht mein Glück wäre? Mit welchem Ver-
trauen auf deine Weisheit und Güte, mein Gott!
kann ich die Wege die du mich sührest, nun gehn?
Amen! ja Herr! dein Wille geschehe! Amen.

Ein anders vom gleichem Inhalte.

Ich bin von gestern her, sehe nicht weit, und
wohne in einem kleinen Theil, eines unermeß-
lichen Reichs: wie könnte ich die verborgenen Ab-
sichten meines Regenten ergründen? wie von dem
Verhalten dessen urtheilen, der den Sonnen und
Sternen ihren Lauf bestimmt; alle Gedanken der
Geister kennt, die Millionen Verbindungen aller
geschaffenen Wesen mit einem Blicke durchschauet,
nach Gerechtigkeit ordnet, und nach seiner Güte zu
dem allgemeinen Besten ein jedes anwendet. Welch
ein Abgrund der Weisheit und der Barmherzigkeit
Gottes? Wer hat des Herrn Sinn erkannt? Wer
ist sein Rathgeber gewesen? Warum bekümmerst du
dich denn nun mein Herz, daß deine Wünsche fehlschla-
gen? Weißt du auch was dein Vortheil ist? Kennest
du die Empfindungen, die Begierden, die Leiden-
schaften, welche morgen in dir entstehen? Würdest
du in den Versuchungen eines ungestöhrten Glücks
Gott und der Tugend getreu seyn? Herr, dein
Wille geschehe! Alles, auch die Leiden, die du mir
sendest sind gut. Alles muß denen, die Gott lieben
zum Besten dienen. In was für Sünden würde

ich

auch alles zu deiner Herrlichkeit und meinem ewigen
Heile zu lenken weiß. Wenn ich nur vor muthwil-
ligen Uebertretungen deiner Gebote mich hüte, ſo
kenneſt du dann nicht allein meine Schwäche, ſon-
dern auch die Aufrichtigkeit meines Herzens; ma-
cheſt gut, was ich aus Leichtſinn verderbte, und leh-
reſt mich durch den Fall, und durch die Zucht, künf-
tig weiſer ſeyn. Was kann mir dann alſo begegnen,
das nicht mein Glück wäre? Mit welchem Ver-
trauen auf deine Weisheit und Güte, mein Gott!
kann ich die Wege die du mich ſühreſt, nun gehn?
Amen! ja Herr! dein Wille geſchehe! Amen.

Ein anders vom gleichem Inhalte.

Ich bin von geſtern her, ſehe nicht weit, und
wohne in einem kleinen Theil, eines unermeß-
lichen Reichs: wie könnte ich die verborgenen Ab-
ſichten meines Regenten ergründen? wie von dem
Verhalten deſſen urtheilen, der den Sonnen und
Sternen ihren Lauf beſtimmt; alle Gedanken der
Geiſter kennt, die Millionen Verbindungen aller
geſchaffenen Weſen mit einem Blicke durchſchauet,
nach Gerechtigkeit ordnet, und nach ſeiner Güte zu
dem allgemeinen Beſten ein jedes anwendet. Welch
ein Abgrund der Weisheit und der Barmherzigkeit
Gottes? Wer hat des Herrn Sinn erkannt? Wer
iſt ſein Rathgeber geweſen? Warum bekümmerſt du
dich denn nun mein Herz, daß deine Wünſche fehlſchla-
gen? Weißt du auch was dein Vortheil iſt? Kenneſt
du die Empfindungen, die Begierden, die Leiden-
ſchaften, welche morgen in dir entſtehen? Würdeſt
du in den Verſuchungen eines ungeſtöhrten Glücks
Gott und der Tugend getreu ſeyn? Herr, dein
Wille geſchehe! Alles, auch die Leiden, die du mir
ſendeſt ſind gut. Alles muß denen, die Gott lieben
zum Beſten dienen. In was für Sünden würde

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[50/0052] auch alles zu deiner Herrlichkeit und meinem ewigen Heile zu lenken weiß. Wenn ich nur vor muthwil- ligen Uebertretungen deiner Gebote mich hüte, ſo kenneſt du dann nicht allein meine Schwäche, ſon- dern auch die Aufrichtigkeit meines Herzens; ma- cheſt gut, was ich aus Leichtſinn verderbte, und leh- reſt mich durch den Fall, und durch die Zucht, künf- tig weiſer ſeyn. Was kann mir dann alſo begegnen, das nicht mein Glück wäre? Mit welchem Ver- trauen auf deine Weisheit und Güte, mein Gott! kann ich die Wege die du mich ſühreſt, nun gehn? Amen! ja Herr! dein Wille geſchehe! Amen. Ein anders vom gleichem Inhalte. Ich bin von geſtern her, ſehe nicht weit, und wohne in einem kleinen Theil, eines unermeß- lichen Reichs: wie könnte ich die verborgenen Ab- ſichten meines Regenten ergründen? wie von dem Verhalten deſſen urtheilen, der den Sonnen und Sternen ihren Lauf beſtimmt; alle Gedanken der Geiſter kennt, die Millionen Verbindungen aller geſchaffenen Weſen mit einem Blicke durchſchauet, nach Gerechtigkeit ordnet, und nach ſeiner Güte zu dem allgemeinen Beſten ein jedes anwendet. Welch ein Abgrund der Weisheit und der Barmherzigkeit Gottes? Wer hat des Herrn Sinn erkannt? Wer iſt ſein Rathgeber geweſen? Warum bekümmerſt du dich denn nun mein Herz, daß deine Wünſche fehlſchla- gen? Weißt du auch was dein Vortheil iſt? Kenneſt du die Empfindungen, die Begierden, die Leiden- ſchaften, welche morgen in dir entſtehen? Würdeſt du in den Verſuchungen eines ungeſtöhrten Glücks Gott und der Tugend getreu ſeyn? Herr, dein Wille geſchehe! Alles, auch die Leiden, die du mir ſendeſt ſind gut. Alles muß denen, die Gott lieben zum Beſten dienen. In was für Sünden würde ich

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/52>, abgerufen am 18.06.2024.