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Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778.

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sie tragen. Gott ist bey uns: der speiset die Hun-
gerigen; der tröstet die Betrübten; der krönet die,
so ihn fürchten, mit ewigem Ruhme; der spricht in
Christo von aller Schuld uns loß, wenn uns die
Menschen verdammen; der bleibet bey uns mit sei-
nem Frieden, mit den Erquickungen seines Worts,
mit dem unsichtbaren Beystande seines Geistes, wenn
alle Freunde sich gleich entfernen, wenn die ganze
Welt uns verläßt; der bereitet uns durch die kurzen
Leiden dieses Lebens zu dem Genuß jener reinen, er-
habenen, unvergänglichen Freuden. Wie wenig
sind diese traurige Tage? Wie bald öffnet sich der
Himmel, uns ewig in seinen erquickenden Schooß
einzunehmen? Was betrübst du dich denn meine
Seele? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch
danken, daß er meines Angesichts Hülfe und mein Trost
ist, den Abend lang währet das Weinen, aber des Mor-
gens Freude und Wonne. Unsere Trübsal, die zeit-
lich und leicht ist, schaffet eine ewige uns über alle
Massen wichtige Herrlichkeit, uns die wir nicht sehen
auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare:
denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, und was un-
sichtbar ist, das ist ewig. Amen.

Selig ist der Mann, der die Anfechtung erdul-
det; denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone
des Lebens empfangen. Amen.

Rechtschaffene Hoffnung im Leiden.

Allmächtiger Gott! mein Trost und Schutz! mein
Heil und meine Zuversicht! ich danke dir von
ganzem Herzen, daß du zur Verkürzung der Trüb-
sale dieses Lebens, uns mit dem angenehmen Gefühl
der Hoffnung versehen und unsern Geist also bereitet
hast, daß er Güter, welche noch in der Zukunst

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ſie tragen. Gott iſt bey uns: der ſpeiſet die Hun-
gerigen; der tröſtet die Betrübten; der krönet die,
ſo ihn fürchten, mit ewigem Ruhme; der ſpricht in
Chriſto von aller Schuld uns loß, wenn uns die
Menſchen verdammen; der bleibet bey uns mit ſei-
nem Frieden, mit den Erquickungen ſeines Worts,
mit dem unſichtbaren Beyſtande ſeines Geiſtes, wenn
alle Freunde ſich gleich entfernen, wenn die ganze
Welt uns verläßt; der bereitet uns durch die kurzen
Leiden dieſes Lebens zu dem Genuß jener reinen, er-
habenen, unvergänglichen Freuden. Wie wenig
ſind dieſe traurige Tage? Wie bald öffnet ſich der
Himmel, uns ewig in ſeinen erquickenden Schooß
einzunehmen? Was betrübſt du dich denn meine
Seele? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch
danken, daß er meines Angeſichts Hülfe und mein Troſt
iſt, den Abend lang währet das Weinen, aber des Mor-
gens Freude und Wonne. Unſere Trübſal, die zeit-
lich und leicht iſt, ſchaffet eine ewige uns über alle
Maſſen wichtige Herrlichkeit, uns die wir nicht ſehen
auf das Sichtbare, ſondern auf das Unſichtbare:
denn was ſichtbar iſt, das iſt zeitlich, und was un-
ſichtbar iſt, das iſt ewig. Amen.

Selig iſt der Mann, der die Anfechtung erdul-
det; denn nachdem er bewähret iſt, wird er die Krone
des Lebens empfangen. Amen.

Rechtſchaffene Hoffnung im Leiden.

Allmächtiger Gott! mein Troſt und Schutz! mein
Heil und meine Zuverſicht! ich danke dir von
ganzem Herzen, daß du zur Verkürzung der Trüb-
ſale dieſes Lebens, uns mit dem angenehmen Gefühl
der Hoffnung verſehen und unſern Geiſt alſo bereitet
haſt, daß er Güter, welche noch in der Zukunſt

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[53/0055] ſie tragen. Gott iſt bey uns: der ſpeiſet die Hun- gerigen; der tröſtet die Betrübten; der krönet die, ſo ihn fürchten, mit ewigem Ruhme; der ſpricht in Chriſto von aller Schuld uns loß, wenn uns die Menſchen verdammen; der bleibet bey uns mit ſei- nem Frieden, mit den Erquickungen ſeines Worts, mit dem unſichtbaren Beyſtande ſeines Geiſtes, wenn alle Freunde ſich gleich entfernen, wenn die ganze Welt uns verläßt; der bereitet uns durch die kurzen Leiden dieſes Lebens zu dem Genuß jener reinen, er- habenen, unvergänglichen Freuden. Wie wenig ſind dieſe traurige Tage? Wie bald öffnet ſich der Himmel, uns ewig in ſeinen erquickenden Schooß einzunehmen? Was betrübſt du dich denn meine Seele? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angeſichts Hülfe und mein Troſt iſt, den Abend lang währet das Weinen, aber des Mor- gens Freude und Wonne. Unſere Trübſal, die zeit- lich und leicht iſt, ſchaffet eine ewige uns über alle Maſſen wichtige Herrlichkeit, uns die wir nicht ſehen auf das Sichtbare, ſondern auf das Unſichtbare: denn was ſichtbar iſt, das iſt zeitlich, und was un- ſichtbar iſt, das iſt ewig. Amen. Selig iſt der Mann, der die Anfechtung erdul- det; denn nachdem er bewähret iſt, wird er die Krone des Lebens empfangen. Amen. Rechtſchaffene Hoffnung im Leiden. Allmächtiger Gott! mein Troſt und Schutz! mein Heil und meine Zuverſicht! ich danke dir von ganzem Herzen, daß du zur Verkürzung der Trüb- ſale dieſes Lebens, uns mit dem angenehmen Gefühl der Hoffnung verſehen und unſern Geiſt alſo bereitet haſt, daß er Güter, welche noch in der Zukunſt ent- D 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Sammlung einiger Gebete auf die wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Lebens. Leipzig, 1778, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_sammlung_1778/55>, abgerufen am 18.06.2024.